«Willy hatte immer Hunger. Jeden Tag. Jahrein, jahraus. Im Winter war es besonders schlimm.» So beginnt die Biografie eines Berners, der als Bub Rossbollen sammelte und auf abgeernteten Feldern nach Essbarem wie Maiskolben suchte.

Willys Familie lebte in einer Zweizimmerwohnung. Zu dreizehnt. In der Wohnstube schliefen je vier Kinder Chopfete-Fuessete in zwei Betten. Die jüngsten drei lagen im Elternbett.

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Willys Vater war Schreiner. 1936 verlor er seine Arbeit, wie Zehntausende auch. So hausierte er von Hof zu Hof und versuchte, ein Pflegemittel für Schuhe zu verkaufen.

Dem Mittel fehle etwas, fand der Sohn, 20 und arbeitslos. Willy pröbelte mit einem Spirituskocher und einem Suppentopf, bis er eine Schuhcreme erfand. Seine Schuhcreme. Sie wies Wasser ab und pflegte das Leder. Willy nannte sie «Extra». Und bald konnte er sich ein Velo leisten.

Pionier aus dem Emmental

Willys Idee legte den Grundstein zu einer Firma, die zwei Jahre vor Gründung der AHV eine Alterssparkasse für ihre Angestellten einführte. Die heute Schmiermittel von Costa Rica bis Indien, von Polen bis in die USA verkauft. Willy – Willy Blaser – starb 2008 mit 92. Heute führt sein Enkel Marc 600 Angestellte auf drei Kontinenten: die Blaser Swisslube AG. Firmensitz war und ist Rüegsau im Emmental.

Schweizer Pioniere wie Willy Blaser stehen hinter Erfindungen wie dem Dampfkochtopf, der Maggi-Fertigsuppe, dem Ochsner-Kübel, dem Magnetresonanztomografen, dem PC, der Stewi-Libelle, der WC-Ente, der Zellophanfolie und – nach ausgedehntem Training – auch der Biellmann-Pirouette.

«Die aufregendste Shoppingliste bis zum Jahr 2000!»

1989 erschien in den USA ein Buch, das längst vergessen ist: «Future Stuff». 1990 lag es als «Der Zukunftskatalog» auch in deutscher Sprache vor und lockte mit dem Spruch: «Hier ist sie – die aufregendste und phantasievollste Shoppingliste bis zum Jahr 2000!»

Über 200 mehr oder weniger produktionsreife Ideen hatten Malcolm Abrams und Harriet Bernstein zusammengetragen. Aktenkoffer mit eingebauter Solarzelle, gefrorene Trinkbecher, eine elektronische Zeitung oder geruchstötende Unterwäsche.

Manche Produkte gehören zu unserem Alltag, und niemand stellt sich mehr die Frage, wer auf die irre Idee gekommen war, einen flachen Fernseher zu entwerfen, den man dann an die Wand hängt.

Bei manchem Produkt ist man froh, wurde es nie in Massen ausgeliefert. Wenn man zuschaut, wie Leute ihren Wagen seitwärts in eine Parklücke zu manövrieren versuchen, will man sich nicht vorstellen, wie sie das mit einem fliegenden Auto tun würden.

Der Sessel, der gescheit macht

Der Lehnstuhl «Cerebrex» von Erfinder Yoshiro Nakamatsu

Sein etwas klobig aussehender Lehnstuhl «Cerebrex» fördere die Intelligenz, sagt der Erfinder Yoshiro Nakamatsu. Wie das? Niederfrequenzwellen kitzeln die Füsse, damit mehr Blut ins Hirn ströme. Ist das Blut oben angekommen, werde das Hirn mit Alphawellen und dem Geräusch von rieselndem Wasser liebkost. Man sei sofort wach, kreativ und potent. Mag sein. Der Japaner feierte im Juni seinen 93. Geburtstag. 

Quelle: Sygma via Getty Images

Ans Pissoir, die Damen! Le Funelle

Pibella

Französisch war wohl weniger ihr Thema, sonst hätte die Amerikanerin Lore Harp den weiblichen Artikel «la» verwendet für ihre Pinkelhilfe. Das englische «funnel» bedeutet Trichter. Patentiert im Jahr 1986, sollte er der Frau helfen, unappetitliche WC-Sitze zu umschiffen. Während andere sich in ihrer Not in Pumps auf die Brille kauerten, schlug Harp erstmals einen Trichter vor, der sich stehend nutzen lässt. Und der sich – ursprünglich aus Papier – beim Hinunterspülen auch noch auflöst. 

Quelle: Pibella by Stebler.net GmbH

Er lebe hoch! Régitine für Potenz

Régintine von Ciba-Geigy

«Nun sind alle meine Glieder steif – alle ausser eines», klagte der Dichter Goethe im Alter. Dagegen hätte eine Ampulle Phentolamin mit Namen Régitine von Ciba-Geigy geholfen. Die Basler Chemiefirma hatte Régitine aber als Blutdrucksenker verkauft und nicht als Stehhilfe. Irritiert stellte sie die Produktion Anfang der 1990er-Jahre ein. Worauf die US-Firma Pfizer die Geschichte in die Hand nahm und 1998 eine Pille namens Viagra erfolgreich in den Markt einführte. 

Quelle: Firmenarchiv Novartis AG

Der letzte Schrei: Computer-Shopping

Jane Snowball war 1984 die erste Online-Shopperin

«Vom Einkaufen per Computer werden Sie mittlerweile gehört haben», schrieb das Autorenduo 1989. Damals brauchte es einen «Heimcomputer», ein Modem, eine Grafikdatenkarte und eine «Floppy Disk, die sich automatisch in das Netz des Ladenbesitzers einwählt». Die erste Online-Shopperin war die Britin Jane Snowball (siehe Bild). Die Dame bestellte Eier, Margarine und Cornflakes. Das war bereits 1984. Heute ist Online-Shopping ein Milliardenmarkt. 

Quelle: DTV Verlag

Pult am Laufband: Haltungsstarre adieu

Walkolution – ein «Walking Desk»

Die Benutzung des «Walking Desk», also des Laufschreibtischs, kombiniert körperliche Fitness mit der Arbeit am Pult. Die endlose Lauferei beflügle die Kreativität, meinte der Erfinder Nathan Edelson. Zur Beruhigung empfahl er einen «Videofarbbildschirm zum Betrachten erholsamer ländlicher Szenerien, wenn ein Kunde Ihnen am Telefon die Ohren vollschreit». Wie das Bild zeigt, gibt es solche Geräte noch heute zu kaufen. 

Quelle: Walkolution GmbH 2021

Auto, Heli, Flieger in einem: der Skycar

Paul Mollers Skycar

Auch fliegende Autos galten als zukunftsträchtig, und bis heute wird an ihnen getüftelt. Paul Mollers «M400» etwa soll über 500 km/h schaffen und in einer Garage versorgt werden können. Testflüge zeigen den Himmelswagen so fahrig, als habe eine Hummel ordentlich einen über den Durst getrunken. Er wird wohl nie kommerziell abheben. Aber chic sieht der Skycar aus. 

Quelle: Terrible Tim/Wikipedia

Für Stubenhocker: Bräune in Flaschen

Werbung für Bronztan

Ein künstlich erzeugtes Hormon regt die Haut an, braun zu werden. Entweder wird das Hormon als Pille eingenommen oder als Creme auf die Haut aufgetragen. Der Teint sieht danach zwar eher aprikosenfarbig aus als von der Sonne kross gebräunt oder gar gerötet. Und wer sich die Hände nach dem Auftragen der künstlichen Bräune nicht wäscht, ist selber schuld. 

Quelle: Alamy Stock Photo

Im Schwitzkasten: die Heimsauna

Sunbox

Etwa 1000 Franken sollte sie kosten, die Dampfkabine für zu Hause. Und sich so vergrössern lassen, dass bis zu 18 Personen darin Platz finden. Tatsächlich ging die aufblasbare Sauna in Produktion. Aber nur für eine Person. Wer will schon in einer Zweizimmerwohnung mit 17 weiteren Nackten in einem Schwitzzelt «herrlich beruhigt» werden, wie der Hersteller verspricht?

Quelle: Bioloka

Die Kabine gegen Gewicht und Stress

Environ – Kabine gegen Stress

«Environ» war ihr Name, und sie wäre so gross (oder eng) gewesen wie eine Telefonkabine. Aber dank ständig wechselnder Beleuchtung, wabernder Musik und ebensolchen Düften würden wir Stress besser bewältigen und Gewicht verlieren lernen. Zuerst aber wäre das Portemonnaie um 30'000 Dollar dünner geworden. Da bleiben wir lieber imperfekt.

Quelle: Multimedia Booth

Gefriergetrocknet: kompakte Nahrung

Nahrung der NASA

«Übergiessen Sie Ihr Essen einfach mit heissem Wasser und – ruckzuck! – schon haben Sie eine vollständige Mahlzeit», sagten die Erfinder der Gefriertrocknung. Die Konservierungsmethode ist bis heute im Einsatz, etwa für Kartoffelstock, Armeerationen – und für lange Reisen ins All.

Quelle: Nasa

Boom! Digitale Lautsprecherboxen

Boom – digitale Lautsprecherboxen

1989 rechnete man mit einem Preis von 900 bis 5000 Franken für digitale Lautsprecher – pro Paar. Wenn sie dann in den frühen 1990er-Jahren «in Ihrem Hi-Fi-Laden» zu haben sein würden. Teuer, doch der Klang solle «phänomenal» sein. Heute sind die Boxen da – und erheblich erschwinglicher.

Quelle: Ultimate Ears

Clever gespiegelt: der Solarkocher

Solarkocher

Der «SunCooker» könne gar nicht zu einem besseren Zeitpunkt eintreffen, «da das Interesse an saubereren, billigeren und leistungsstärkeren Energiequellen beträchtlich zugenommen hat», ist im Buch von 1989 zu lesen. Statt über 1000 Franken kostet die Deluxe-Version eines Solarherds oder Solarkochers heute weniger als die Hälfte.

Quelle: SHE Solar Household Energy
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René Ammann, Redaktor
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