Als der Garagist das zerkratzte Windlaufgitter an der Front des Toyota Yaris demontiert, fällt sein Blick auf die Eingeweide des Fahrzeugs. Und er weiss sofort: Das sieht nicht gut aus. Besitzer Urs Gisler* hat das Occasionsauto vor einigen Wochen bei einem Händler gekauft. Was er damals nicht wusste: Es ist ein Unfallwagen. Gisler fühlt sich betrogen, will den Händler nicht einfach «springen lassen» und forscht akribisch nach. Seine Detektivarbeit wird den Thurgauer von Genf bis nach Willisau führen.

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Auf der Suche nach dem Vorbesitzer des Wagens ermittelt Gisler mit Hilfe der Halterauskunft eine Genferin. Sie bestätigt, dass der Yaris in einen Unfall verwickelt war – Totalschaden – und nennt ihm auch die damals zuständige Autoversicherung. Doch diese blockt Gislers Anfragen zuerst ab. Er muss mehrmals nachhaken, bis er die Versicherungsunterlagen bekommt.

Erstaunt stellt er fest: Der Wagen wurde über die Versicherungsplattform für Unfallwagen versteigert. Gislers Händler hat ihn dort für 10'000 Franken gekauft, obwohl er mit bloss 5000 Franken ausgeschrieben gewesen war. Es war also auch für die Versicherung ein guter Deal (siehe Box «Unfallwagen – ein Geschäft für die Versicherungen?»).

Teuer und ohne Garantie

Nach dem Kauf macht der Händler den Yaris mehr schlecht als recht zurecht, die kosmetischen Reparaturen sollen dabei in erster Linie die Unfallschäden verdecken. Danach bietet er den Wagen online zum Verkauf an. Im Inserat hätte er bei «Unfallwagen» ein Häkchen setzen können. Hat er aber nicht.

Gisler kauft den Yaris für 18'000 Franken, ein stolzer Preis. Zwar seien die Kratzer an der Vorderseite Thema gewesen, und auch ein Schaden an der Beifahrertür. «Weil der Verkaufspreis hoch war, fühlte ich mich aber sicher, dass das Auto grundsätzlich in Ordnung ist», erzählt er. «Nie hätte ich damit gerechnet, dass dies ein Auto mit Totalschaden ist.»

Rechtsratgeber
Merkblatt «Occasionsauto»

Beobachter-Mitglieder erfahren im Merkblatt «Occasionsauto: Tipps zum Kauf», welche vertraglichen Vereinbarungen getroffen werden sollten und welche Zusicherungen sie vom Verkäufer besser schriftlich festhalten.

Wer einen Occasionswagen kauft, erhält in der Regel keine Garantie. Wenn dann Mängel auftauchen , kann man den Kaufvertrag nur in Ausnahmefällen rückgängig machen. Zum Beispiel, wenn der Verkäufer falsche Angaben gemacht hat oder wenn er Mängel verschweigt, die der Käufer nicht erkennen kann, von denen er selber aber sicher weiss. Nur: Eine solche «arglistige Täuschung» (siehe Tipps unten) muss man beweisen können. Und das ist häufig unmöglich.

Diese hohe Hürde des Gesetzes ist fatal für Käufer: Denn Händler dürfen untätig bleiben, auch wenn sie möglicherweise einen Mangel vermuten. Sie müssen ihre Fahrzeuge nicht prüfen und auch nicht nach möglichen Schäden forschen. Ebenso wenig sind sie verpflichtet, Kundinnen und Kunden über den Zustand des Fahrzeugs aufzuklären. «Wegen der knappen Marge können die Händler ihre Autos gar nicht auf Herz und Nieren prüfen – auch wenn die Kundschaft das erwartet», sagt der Anwalt von Urs Gisler. Im vorliegenden Fall sei aber eine Linie überschritten worden. «Wer so dreist und berechnend vorgeht, handelt betrügerisch.»

Ein Fall fürs Gericht

Gisler erstattet Anzeige Polizei Soll ich den Vorfall melden? , und das Bezirksgericht Willisau verurteilt den Händler wegen Betrugs zu einer bedingten Geldstrafe von 3600 Franken und einer Busse von 900 Franken. Der Händler geht in Berufung. Er habe Gisler im Verkaufsgespräch darüber informiert, dass der Yaris einen Unfall gehabt habe und repariert worden sei. Das Kantonsgericht Luzern glaubt ihm und spricht ihn frei. Die Richter argumentieren, Gisler sei zu leichtgläubig gewesen und hätte vor dem Kauf zusätzliche Abklärungen (siehe Ratgeber unten) treffen können. Für Gisler und seinen Anwalt ist der Freispruch unverständlich. Umso mehr, als der Fall aussergewöhnlich gut dokumentiert ist. Das ist längst nicht immer so – und häufig der Grund, weshalb Strafverfahren ins Leere laufen.

In Deutschland hätte der Händler die Herkunft des Yaris nicht verschleiern können. Dort müssen Unfallwagen zwingend in ein Register eingetragen werden. Doch in der Schweiz steht Urs Gisler praktisch mit leeren Händen da. Er ist Eigentümer eines Fahrzeugs, das er deutlich überzahlt hat. Der Freispruch wurmt ihn. «Dass man mit Lug und Betrug einfach so durchkommt, da fehlen mir die Worte.» Zeit hätte er, um weiterzukämpfen, sagt der Pensionär, mehr Geld wolle er aber nicht mehr investieren.

*Name geändert

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Unfallwagen – ein Geschäft für die Versicherungen?

Der blühende Handel mit Occasionen ruft auch unseriöse Händler auf den Plan. Solche etwa, die Unfallwagen aufkaufen, notdürftig reparieren (häufig im günstigen Ausland) und danach zu übersetzten Preisen weiterverkaufen. Und das natürlich ohne Garantie.

Die Unfallwagen finden die Händler unter anderem auf den Online-Versteigerungsplattformen der Versicherungen. Sie sind bereit, deutlich höhere Preise zu bezahlen als Garagisten, die die Fahrzeuge nur ausweiden und mit den Ersatzteilen handeln. Das könnte auch für die Versicherungen interessant sein. Mobiliar und Allianz bestreiten, solchen unseriösen Machenschaften Vorschub zu leisten. Der Verkauf von Unfallwagen sei ein alltägliches Geschäft, und man prüfe genau, wen man auf den Plattformen zulasse. Das verhindere, dass Unfallautos in unseriöse Hände kommen. Beide Versicherungen geben an, sie erzielten mit dem Verkauf der Unfallwagen keinen Gewinn. Man betreibe einzig Schadenminderung.

Tipps: Das gilt rechtlich

  • Gibt es eine Garantie? Wenn die Garantie im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist, können Käufer den Verkäufer später grundsätzlich nicht belangen. Das gilt auch für «versteckte» Mängel. Wichtig: Der Garantieausschluss muss eindeutig sein. Allein die Wendung «Verkauf ab Platz» genügt nicht.
  • Gibt es eine Pflicht zur Aufklärung? Der Verkäufer muss seine Autos nicht überprüfen und nach Mängeln forschen.
  • Wann ist es arglistige Täuschung? Der Verkäufer darf Fragen der Käufer nicht wissentlich falsch beantworten. Er muss auf ihm bekannte Mängel hinweisen, die Laien nicht erkennen können. Wenn er bewusst täuscht, ist das arglistige Täuschung, und der Kaufvertrag kann rückgängig gemacht werden .

Weitere Tipps zum Occasionskauf finden Sie beim Merkblatt oben. Wie Sie sich vor bösen Überraschungen schützen, zeigt der Ratgeber unten.

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Katharina Siegrist, Redaktorin
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