Welche soll man ins Bett nehmen?
Die Qual der Matratzenwahl: Gelockt wird mit grellen Rabatten und wissenschaftlichem Kauderwelsch. Verdient mit aufgeschwatzten Luxusmodellen.
Veröffentlicht am 23. September 2011 - 16:27 Uhr
Erster Halt: ein Discounter. Im Fenster grüssen schreiende Billigstangebote, drinnen kommt die Verkäuferin nach drei, vier unverbindlichen Einstiegsfragen zu Gewicht und Schlafgewohnheiten schnell aufs Wesentliche zu sprechen: dass man für wenig Geld einfach nichts Richtiges erhält, auch im besten Discounter nicht.
Hinterher wird man verwundert feststellen, dass man der Verkäuferin auf den Leim gekrochen ist. Dass man erst nach vielen schön weichen auf die garantiert zu harte 199-Franken-Matratze zu liegen gekommen ist und sich dankend davon distanziert hat. Die Billigstangebote dienen offenbar nur einem Zweck: der Abschreckung, damit man sicher eine viel teurere Matratze wählt, die, der Zufall will es, immer aktuell zum Aktionspreis zu haben ist, aber nur noch diese Woche. Man fragt sich: Sind die durchgestrichenen Preise Mondpreise? Zahlt man am Schluss dank Rabatten exakt den Preis, den Hersteller und Lieferant von Beginn weg kalkuliert haben?
Zumindest rauben einem die Discounterpreise, die durchwegs unter der 1000-Franken-Schallmauer liegen, nicht den Schlaf. Denn der ist wichtig. Ohne Schlaf können sich Körper und Geist nicht regenerieren, hört man die Verkäuferin sagen. Was sie nicht sagt: dass der Grund, warum immer mehr Menschen immer schlechter schlafen, zum Grossteil an uns selbst liegt – wir haben verlernt, gut einzuschlafen und erholsam zu schlafen.
Fragt sich nur: Können die mit viel Hightech aufgepeppten Matratzen tatsächlich Rückenprobleme lösen? Nein. Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, die beweist, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Matratze und Rückenleiden besteht. Gegen Rückenbeschwerden hilft am besten eine gute Rumpfmuskulatur, und die bildet sich nur durch Training. Keine passive Massnahme kann Bewegung ersetzen, auch die beste Matratze nicht. Sicher spielt es eine Rolle, auf welcher Matratze man schläft, die gleiche Matratze kann aber für einen Menschen gut sein, ein anderer fühlt sich am Morgen darauf wie gerädert.
Sicher ist jedoch: Die Ursachen der Rückenschmerzen lassen sich auch mit der besten Matratze nicht bekämpfen. Sie kann die Schmerzen nur verstärken oder abschwächen, mehr nicht. Deshalb sollte man bei der Wahl der richtigen Matratze vor allem auf eines achten: Dass man sich darauf wirklich wohlfühlt. Alles andere ist wissenschaftlich nicht haltbar.
An den Matratzen jedenfalls kann es nicht liegen, dass Schlafmangel eine Volkskrankheit geworden ist. Sonst wären unsere Vorfahren, die wider jede Ergonomie am Boden, auf Heu- oder Blättersäcken ruhten, wegen chronischen Schlafmangels notorisch krank gewesen. Die Menschheit wäre ausgestorben, bevor die moderne Matratzenindustrie uns von unseren Leiden hätte befreien können.
Zweite Station: die Filiale einer grossen Schweizer Möbelkette. Das Licht gedämpft, die Betten nach Marken geordnet, die billigste Matratze kostet 199, die teuerste 2790 Franken. Ganz vorne liegen die Produkte des Hauses. Dort wird man zuerst zu liegen kommen – und nach einem Ausflug auf etwas teurere Markenmatratzen garantiert wieder landen.
Auf dieser Rundreise über x Matratzen begleitet der diskrete Verkäufer – der, wie er selber sagt, eigentlich Schlafforscher sei – den Kunden mit allerlei Begriffen aus dem Wörterbuch der Marketingspezialisten. In dieser Welt passen sich Matratzen dynamisch dem Körper an, sind sie mit allerlei Hightech von Aircups über Airboxsysteme bis Glasfaserfederung bestückt. Und sie enthalten Materialien, die von der Nasa ausgetüftelt wurden und auch nach Jahrzehnten trotz irdischer Schwerkraft garantiert keine Ermüdungserscheinungen zeigen. Man ist bereits derart vollgelabert, dass man jeden Unsinn brav abnickt und garantiert nicht mehr weiss, welche Liege denn nun die bequemste war.
Nur eines wird konsequent verschwiegen: der Preis. Und falls einen auf der zwanzigsten Matratze das Portemonnaie dann trotzdem drückt, gibts weitschweifige Erklärungen zur Beruhigung. Die beste: Bei einer Lebensdauer von zehn Jahren und Pro-Nacht-Kosten von 50 Rappen liege eine Matratze für 1825 Franken locker drin. Der Zufall will es: Die Matratzen hier kosten zwischen 1500 und 2000 Franken.
Letzter Stopp: ein Fachgeschäft, wo nicht Matratzen, sondern Schlafsysteme im Angebot stehen. Immerhin gibts hier ehrliche Preise, kompetente Beratung, viel technischen Firlefanz wie Messmatten mit Drucksensoren und dazu einen Schuss Service. Selbst den alten Lattenrost würde man zu Hause gratis überprüfen kommen. Das Zauberwort heisst: Lebensgefühl. Und das hat natürlich seinen Preis. Die Matratzen hier kosten schnell mal über 2000 Franken. Rabatte gibts keine, dafür ein paar Bettweisheiten wie diese: «Je höher die Matratze, desto tiefer kann die Schulter einsinken.» Und dass der schmalbrüstige Kunde plötzlich breite Schultern zugesprochen erhält, lässt sein Selbstwertgefühl erstarken – mit dem Nachteil, dass dann das Portemonnaie etwas lockerer sitzt.
Gibt es denn für mehr Geld wenigstens mehr Qualität? Stiftung Warentest ist nach Tausenden getesteter Matratzen skeptisch: Qualität lasse sich nicht am Preis festmachen. Es gebe gute Matratzen für 250 Euro und schlechte für 1250 Euro. Es sei nicht mal garantiert, dass die teuren Matratzen die besseren Materialien enthielten oder besser verarbeitet seien, so die jüngsten Testresultate: Billige wie teure Matratzen können den Körper gut abstützen, auch preiswerte Discountermatratzen.
Das Beunruhigende dabei: Für Konsumenten sei es unmöglich, die Qualität einer Matratze zu beurteilen. Deshalb die Empfehlung von Stiftung Warentest: Probeliegen – am besten morgens, denn abends nach der Arbeit fühle sich fast jede Matratze bequem an. Und dann aufgrund des Wohlfühlfaktors und ihrer Testresultate entscheiden.
Dass die Schweiz eine völlig andere Schlafphilosophie kenne, die eidgenössischen Matratzen prinzipiell die besten der Welt und deshalb deutsche Resultate nicht auf die Schweiz übertragbar seien, wie die Verkäuferin mit charmant-ungarischem Akzent empört versichert, kann der unabhängige Experte der Stiftung Warentest nicht ganz ernst nehmen. Die Resultate von Stiftung Warentest gingen in eine andere Richtung.
Eine neue Matratze könne ihre Vorteile nur auf einem guten Lattenrost ausspielen. Mit diesem Argument wollen Verkäufer ihre Kunden von einem Kauf eines ultramodernen Rostes überzeugen, der mit allem Schnickschnack noch teurer als die Matratze sein kann.
Dass der Rost nach zehn Jahren ersetzt werden müsse, sei eine Erfindung von Marketingspezialisten, so Stiftung Warentest. Lattenroste seien in der Regel sehr strapazierfähig. Sie könnten jahrzehntelang in Form bleiben. Matratzen dagegen sollte man nach zehn Jahren ersetzen – aus hygienischen Gründen.
Der Experte rät zur Einfachheit: Ein simpler Lattenrost reiche vollauf. Es gehe ja vor allem um die gute Belüftung und weniger um die Federung. Die sollte ja die Matratze garantieren.
10 Kommentare
Ich hatte auch immer Rückenschmerzen nach dem aufstehn, habe mich dann auch dazu entschlossen eine neue Matratze zu kaufen, und habe mich für eine Kaltschaum Matratze von Nativo entschieden. Und es ist ein Traum, seit ich sie habe schlafe ich wie ein Baby, und meine Rückenschmerzen sind deutlich besser geworden.
Bei der Beschreibung der Einkaufserlebnisse von Matratzen geb ich ihm schon recht. Das ist eine echte Masche im Möbelhaus oder auch beim Universum oder wie sie alle heißen. Meine Kollegin hat mir eine Matratze empfohlen. Bei diesem Anbieter gibt es genau 1 Modell (statt 100) und einen festen Preis. Klingt schon merkwürdig aber sie ist sehr zufrieden. Ich habe mir auch eine solche Matratze bestellt. Ich werde gerne berichten wenn sie da ist. Aber eins ist jetzt schon sicher: So ein Möbelhaus sieht mich kein zweites Mal!