Stefan Gruber* aus Horgen ZH versteht die Welt nicht mehr. Der 60-jährige gelernte Kaufmann lebt als Sozialhilfeempfänger von monatlich 2640 Franken und muss Billag-Gebühren zahlen. Seine Mutter dagegen ist als AHV-Rentnerin mit Ergänzungsleistungen von den Billag-Gebühren befreit. Obwohl sie pro Monat rund 500 Franken mehr ausgezahlt erhält als er, kann sie gratis Radio und Fernsehen empfangen.

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Diese Ungleichbehandlung von Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungsempfängern hat System. Der Bundesrat hat das so verordnet. Die Regelung ist aber umstritten und hat das Bundesgericht bereits zweimal beschäftigt. Zwar rügten die Richter die uneinheitliche Praxis als «streng» für Leute, die am Existenzminimum lebten. Sie befanden aber, es liege kein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor.

Von all dem habe er nichts gewusst, als er gegen die Billag-Rechnungen anzuschreiben begann, sagt Gruber. Er hatte knapp zehn Jahre lang im Ausland gelebt. Wieder in der Schweiz, fand er keine Festanstellung mehr. Als Auslandrückkehrer erhielt er nur für drei Monate Arbeitslosengeld und musste dann Sozialhilfe beantragen.

Plötzlich über 600 Franken Schulden

«Weil ich weniger Geld erhalte als meine Mutter, habe ich angenommen, dass ich keine Empfangsgebühren zahlen muss», sagt er. Neun eingeschriebene Briefe sandte er deshalb an die Billag-Geschäftsleitung. Ohne Erfolg. Einzig Taubblinde, Ergänzungsleistungsbezüger und hilfsbedürftige Pflegeheimbewohner sind von der Jahresgebühr von Fr. 451.10 befreit.

Da er sich im Recht glaubte, zahlte Gruber die Rechnungen nur teilweise. Inzwischen summieren sich die Forderungen der Billag auf 633 Franken, und ihm droht eine Betreibung. Gern würde er alle Ausstände in Monatsraten abzahlen. Die Billag gewährt das aber nur einmalig und nur in Sonderfällen, sagt ein Sprecher. Das Gesetz schreibe vor, dass die Inkassostelle effizient arbeite und nicht mehr als vier Rechnungen pro Jahr versende.

Für viele, die am Existenzminimum leben, ist das ein Problem. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe forderte bereits 2012, die Billag solle «einfache Modelle für monatliche Zahlungen» ausarbeiten. Zudem regte sie an, eine Härtefallregelung zu prüfen. Das könne helfen, dass Leute am Existenzminimum nicht durch Verschuldung in eine Abwärtsspirale geraten. Davon wurde jedoch nichts verwirklicht.

Die Gebühr vom Mund absparen

Das zuständige Bundesamt für Kommunikation begründet die ungleiche Praxis damit, dass die Billag-Gebühren in den Sozialhilfegeldern einkalkuliert seien. Das trifft zwar zu. Dennoch ist es für viele Sozialhilfeabhängige eine grosse Herausforderung, monatlich mit 986 Franken für den Grundbedarf auszukommen und davon 38 Franken für die Billag zu sparen. Das bestätigen etwa die Sozialen Dienste der Stadt Zürich.

Auch der Bund ist nicht ganz zufrieden. Er hat vor wenigen Jahren neue Modelle geprüft, um einkommensschwache Haushalte flächendeckend von den Billag-Gebühren zu befreien – wie bei den Krankenkassenprämien. Ein Systemwechsel wurde jedoch als zu kompliziert und zu teuer erachtet.

Trotzdem endete die Geschichte für Stefan Gruber gut. Nach Intervention des Beobachters bietet die Billag einen Zahlungsaufschub und monatliche Ratenzahlungen für alle Rechnungen an. Gruber will das Angebot annehmen und so verhindern, dass er zum ersten Mal im Leben betrieben wird.

*Name geändert