Unterstand für Amtsschimmel?
Der Kanton Solothurn erhebt Steuern auf ein altes Treibhaus. Den Besitzern bleibt das Lachen im Hals stecken.
Veröffentlicht am 3. November 2022 - 11:29 Uhr
Das Einfamilienhaus in Rodersdorf SO stand bereits. Da wünschten sich die Besitzer ein Treibhaus. Ein Hersteller lobte sein Modell mit dem Satz: «Da wächst einem das Gemüse sozusagen in die Küche.» Das Ehepaar griff zu. Das war 1996.
Seither steht das knapp zehn Quadratmeter grosse Konstrukt aus Kunststoff und Aluminium hinterm Haus. Gesichert durch einen muskulösen Winkel an der Hausmauer (Mehrpreis: 33 Franken). Damit es sich bei einem Sturm nicht davonmacht. Denn ein Fundament hat es keins, das Treibhaus steht auf einem Mäuerchen. Und versichert ist das Treibhaus gegen Elementarschäden zum damaligen Kaufpreis von 3124 Franken. So will es die Gebäudeversicherung.
Ein neuer Beamter macht Ernst
Die Geranien blühten und verblühten jahrein, jahraus in ihrem Häuschen. Da erhob eines Tages ein Solothurner Beamter eine Steuer aufs Treibhaus. Ein Eigenmietwert sei abzuführen. Der Besitzer erhob Einspruch. Und es war gut. Der Beamte verzichtete aufs Eintreiben. Das war im Jahr 2001.
Die Geranien blühten und verblühten weiterhin jahrein, jahraus. Bis eines Tages ein neuer Solothurner Beamter eine Steuer aufs Treibhäuschen erhob. Es sei ein Eigenmietwert abzuführen. Der Besitzer erhob Einspruch. Der Beamte liess nicht locker. Das war im Jahr 2020.
Das Häuschen sei alt und selbst für Pflanzen nicht mehr voll funktionstüchtig. Wegen Hagelschlags müsste man ein paar der Kunststoffplatten reparieren. Zudem halte bloss Draht die Fenster noch an Ort. Schrieb der Besitzer.
Warum es denn kostenpflichtig versichert sei, wenn es keinen Wert habe? Der Staat müsse an der Besteuerung festhalten. Schrieb der Beamte.
Für Wohnzwecke sei das Treibhaus kaum zu nutzen. Es habe weder Strom noch Wasser oder Heizung und stehe auf nacktem Grund. Bloss weil es gegen Naturschäden versichert sei, werde es nicht bewohnbarer. Es ist und bleibe ein «Kalthaus». Schrieb der Besitzer.
Es handle sich beim Gewächshaus «zweifellos um eine Liegenschaft im Sinne des Steuerrechts», schrieb der Beamte. Da der Einsprecher die fragliche Liegenschaft selber nutzen könne, sei darauf ein Eigenmietwert zu erheben. 44 Franken für Kanton und Gemeinde und 15 Franken für den Bund.
Gericht bestätigt den Entscheid
Der Besitzer erhob beim Obergericht des Kantons Solothurn Einspruch. Dieses lehnte ab. Nicht die Bewohnbarkeit sei wesentlich, «sondern der Umstand, dass der Eigentümer oder die Eigentümerin von unbeweglichem Vermögen den Eigengebrauch beansprucht. Demzufolge ist auch einer Garage, einem Autounterstand oder einer Pferdeboxe ein Eigenmietwert zuzuweisen.»
Macht 503 Franken Gerichtskosten. In der Folge wurde das lotterige Treibhaus – das eine eigene Strassennummer hat – im laufenden Jahr neu geschätzt und besteuert. Höhe der geforderten Steuer: 0.
«Viel Lärm um nichts», sagt der Besitzer. In seinem Treibhaus war es im Sommer bis zu 50 Grad heiss. «Sogar zu heiss und zu eng, um entspannt den Beobachter zu lesen.» Den Tomaten gefiel das Klima in Rodersdorf offenbar besser. Es sind rote, grüne und gelbe Sorten der Pro Specie Rara mit Namen wie «Gruss aus Magden», «Schweizer Hose» oder «Tante Elsa».
Während der Tomatenlese in Rodersdorf beschloss der Nationalrat in Bern, im Grundsatz den Eigenmietwert abzuschaffen. Die Roten und die Grünen waren dagegen, die Bürgerlichen dafür. Der Zwist geht in eine weitere Runde.
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