Schluss mit unlauteren Methoden
Seit dem 1. April sind Gewinnversprechen, unerwünschte Werbeanrufe und andere unlautere Geschäftsmethoden verboten. Endlich kann gezielt dagegen vorgegangen werden.
Veröffentlicht am 13. März 2012 - 08:49 Uhr
Bundesrätin Doris Leuthard freute sich: «Die Schweiz würde zu den Pionieren gehören», sagte sie vor anderthalb Jahren, als im Parlament neue Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) beraten wurden. Der Ständerat hatte gerade vorgeschlagen, auch Gewinnversprechen zu verbieten, die dubiose Anbieter als Lockvogel für Werbefahrten oder Verkaufsveranstaltungen einsetzen. Tatsächlich kennen in Europa nur Deutschland und Österreich ein vergleichbares Verbot für solche unlauteren Angebote. In anderen Bereichen des Konsumentenschutzes hinkte die Schweiz bisher Europa hinterher.
Dies ändert sich nun mit dem revidierten UWG mehrheitlich: Seit dem 1. April sind neben Gewinnversprechen auch Werbeanrufe auf Nummern mit Sterneintrag verboten (siehe «Unlautere Methoden: Das alles wird verboten»). Untersagt ist es ferner für Internetanbieter, ihre Identität nicht offenzulegen, und Adressbuchschwindler dürfen keine irreführenden Formulare für nutzlose Registereinträge mehr verschicken. Verstösse gegen die neuen Bestimmungen können mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.
Ebenfalls am 1. April trat die revidierte Verordnung über die Bekanntgabe der Preise in Kraft. Wer etwa einen Flug bucht, seine Katze zum Tierarzt bringt oder einen Notar benötigt, soll im Voraus wissen, wie viel er am Schluss bezahlen muss.
Was aber gilt, wenn man auf eine unlautere Methode hereinfällt und einen Vertrag abgeschlossen hat? Führt der Verstoss gegen das neue Recht in jedem Fall dazu, dass der Vertrag nichtig ist und sich automatisch auflöst? Oder muss der Betroffene beweisen, dass er zum Beispiel unlauter angeworben wurde? Die Frage ist unter Juristen umstritten. Sie wird letztlich durch die Gerichte und zuletzt durch das Bundesgericht geklärt werden.
Bis dahin müssen sich Betroffene selber wehren (siehe «Reingefallen? So wehren Sie sich»). Dabei können sie neu auf die Unterstützung des Bundes hoffen: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist berechtigt, Klagen gegen Firmen mit unlauteren Geschäftspraktiken zu erheben oder Strafanträge zu stellen, wenn mehrere Personen betroffen sind. Kurioserweise konnte das Amt bisher nur intervenieren, wenn eine Schweizer Firma Personen im Ausland getäuscht hatte und so den Ruf der Schweiz im Ausland geschädigt hat.
Bis das Seco aktiv wird, braucht es aber gemäss der bundesrätlichen Botschaft mindestens 20 Beschwerden. Darum ist es wichtig, dass sich möglichst viele Betroffene melden. Dort gibt man sich gegenüber einer möglichen Beschwerdeflut gelassen: «Wir haben eine neue Mitarbeiterin eingestellt und werden die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen», sagt Philippe Barman vom Seco. «Sicher werden wir immer zuerst das betreffende Unternehmen abmahnen und so versuchen, dieses dazu zu bewegen, innerhalb einer kurzen Frist mit seinen fragwürdigen Geschäftspraktiken aufzuhören. Wenn das nichts nützt, werden wir gerichtlich intervenieren.»
Das Seco hat neu auch die Möglichkeit, die Namen fehlbarer Firmen zu publizieren, um weitere potentielle Opfer zu warnen. «Von diesem Pranger werden wir aber nur Gebrauch machen, wenn es der Schutz der Öffentlichkeit erfordert», so Barman.
Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz ist zuversichtlich, dass die unlauteren Praktiken abnehmen werden. Entscheidend werde sein, ob das Seco von seinen Klagemöglichkeiten Gebrauch macht und die Gerichte den Strafrahmen ausnützen und nicht nur geringe Geldstrafen ausfällen. «Denn unverbesserliche Schwindler bezahlen geringe Bussen aus der Portokasse und werden dann wieder aufs Neue Leute über den Tisch ziehen.»
Das alles wird verboten
Werbeanruf trotz Sterneintrag
Sie erhalten einen Werbeanruf, obwohl Sie im Telefonbuch mit dem Sterneintrag angegeben haben, dass Sie keine solchen Anrufe wünschen. Der Sterneintrag verbietet auch, Ihre Daten zu Werbezwecken weiterzugeben.
Gewinnversprechen mit Kaffeefahrt
«Sie haben gewonnen», schreibt Ihnen eine Firma. Den angeblichen Gewinn können Sie aber nur einlösen, wenn Sie an einer Verkaufsveranstaltung oder Werbefahrt teilnehmen oder wenn Sie etwas kaufen, eine Entschädigung zahlen oder auf eine teure 0900-Nummer anrufen.
Online-Shop ohne Identität
Der Internetanbieter, bei dem Sie etwas bestellen wollen, sagt nicht, wer er ist, und hinterlässt keine Adresse, unter der Sie ihn erreichen können. Zudem fehlen Angaben darüber, wie Sie Eingabefehler korrigieren können, oder Ihre Bestellung wird nicht umgehend bestätigt.
Schneeballsystem
Ihnen wird eine Prämie versprochen, wenn Sie weitere Personen anwerben, die bereit sind, eine Ware oder Dienstleistung zu kaufen, die kaum marktfähig ist. Im Vordergrund steht das Anwerben von neuen Teilnehmern und nicht der Verkauf des Produkts oder der Dienstleistung.
Adressbuchschwindel
Sie erhalten eine Offerte für einen Firmenregistereintrag oder ein Inserat, ohne dass darin gross, gut sichtbar und verständlich hingewiesen wird auf Kosten, Laufzeit, Gesamtpreis, Form und Verbreitung der Publikation. Ebenfalls verboten ist, eine Rechnung für einen Eintrag oder ein Inserat zu verschicken, ohne vorher einen Auftrag bekommen zu haben.
Preis unbekannt
Neben Taxis, Kinos, Gastgewerbe und vielen anderen Dienstleistern müssen Ihnen neu auch Fluggesellschaften, Notare, Bestattungsinstitute und Veterinäre ihre Preise bekanntgeben – durch Preisanschlag, Preisliste oder Preiskatalog.
Reingefallen? So wehren Sie sich
Haben Sie einen Vertrag abgeschlossen, müssen Sie per Einschreiben reagieren und je nachdem Folgendes geltend machen:
- Haben Sie am Telefon etwas bestellt oder auf einer Werbefahrt eingekauft, können Sie den Vertrag innert sieben Tagen widerrufen.
- Irrten Sie sich über die Identität des Online-Shops, sollten Sie den Vertrag wegen Irrtum anfechten.
- Haben Sie sich bereit erklärt, an einem verbotenen Schneeballsystem teilzunehmen, ist der Vertrag nichtig.
- Sind Sie auf einen Adressbuchschwindler hereingefallen, müssen Sie den Vertrag wegen Täuschung und Irrtum anfechten.
Melden Sie die Schwindler dem Seco!
Wenn Sie zum Beispiel ein Gewinnversprechen erhalten, können Sie bei jeder Polizeistelle Strafantrag wegen unlauteren Wettbewerbs stellen. Noch besser: Melden Sie den Vorfall dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), damit dieses eine genügende Anzahl Beschwerden hat, um aktiv zu werden und gegen die Schwindler vorzugehen. Leiten Sie das Gewinnversprechen an das Seco weiter, mit einer kurzen Beschreibung des Sachverhalts.
Adressen: E-Mail: fair-business@seco.admin.ch; Brief: Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Ressort Recht, Holzikofenweg 36, 3003 Bern
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