Gutes Geld mit gutem Gewissen
Nachhaltige Anlagen sind im Trend. Doch längst nicht alle Fonds sind so sauber, wie sie sich geben. Worauf man achten muss.
Veröffentlicht am 7. November 2017 - 16:18 Uhr,
aktualisiert am 7. November 2017 - 15:53 Uhr
Geld verdienen, ohne zu arbeiten? Das ist möglich, aber in vielen Fällen fragwürdig. Das bemängeln wirtschaftskritische Kreise auch beim Geldanlegen. Denn wer zum Beispiel Anteile an Rüstungs- oder Ölkonzernen hält, verdient an Krieg und Umweltverschmutzung mit. Vielen ist das nicht bewusst.
Doch die Schweizerinnen und Schweizer interessieren sich heute für Möglichkeiten zum nachhaltigen Anlegen, Tendenz stark steigend. «Bei Privatkunden sieht man da geradezu einen Paradigmenwechsel», sagt etwa Yvonne Suter, Leiterin nachhaltige Anlagen bei der Credit Suisse. «Aktuell wächst der entsprechende Markt jährlich zwischen 20 und 30 Prozent. Wir erwarten, dass er auch in den nächsten Jahren stark zulegt.» Bei anderen Banken klingt es ähnlich.
Denn es gibt nicht nur ethische Gründe für Investitionen in nachhaltige Produkte. Man kann damit auch gutes Geld verdienen. «Es gab das Vorurteil, dass sie längerfristig eine geringere Rendite abwerfen als gewöhnliche Anlagen. Doch diverse Studien haben das mittlerweile widerlegt», sagt Roland Wöhr, Nachhaltigkeitsanalyst bei Swisscanto. Auch beim Risiko unterscheiden sie sich kaum von gewöhnlichen Anlagen. «Tendenziell sind sie sogar eher weniger riskant», so Wöhr. Drohende Regulierungen und Skandale, zum Beispiel im Umweltbereich, können auf die Performance drücken – herkömmliche Anlagen sind da stärker gefährdet.
Entsprechend bieten Banken immer mehr nachhaltige Anlageprodukte an, meist in Form von Fonds. Den Überblick zu behalten ist schwierig. Doch es lohnt sich, genau hinzusehen. Denn die Bezeichnung «nachhaltig» ist nicht klar definiert. Anleger sollten überlegen, welcher Nachhaltigkeitsaspekt für sie zentral ist. Ist es wichtig, dass eine Firma möglichst wenig Wasser verbraucht? Dass sie wenig CO2 produziert oder faire Löhne zahlt? Wer seine Wünsche und Werte kennt, kann den Kundenberater der Bank gezielt mit Fragen löchern.
Für Nachhaltigkeitsfonds beurteilen die Banken die Firmen nach den ESG-Kriterien: Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Bloss: Welche Kriterien erfüllt sein müssen, ist je nach Fondsanbieter unterschiedlich und wird von den Banken selten offen kommuniziert.
Zudem gibt es auch innerhalb der Anlagen verschiedene Fonds. Einige wollen in allen Bereichen komplett nachhaltig sein, andere konzentrieren sich auf eine spezifische Thematik wie etwa den Wasserverbrauch. Wieder andere gehen nach dem Best-in-Class-Ansatz vor: Jeweils die «Klassenbesten», also die nachhaltigsten Firmen einer bestimmten Branche, werden ausgewählt – selbst wenn die Branche vergleichsweise wenig nachhaltig wirtschaftet.
So können sich in Fonds, die als nachhaltig verkauft werden, durchaus Titel verstecken, die man dort nicht erwarten würde. Der Anlagezielfonds «Nachhaltigkeit Einkommen» von Swisscanto zum Beispiel berücksichtigt «Unternehmen, die den Grundsätzen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit Folge leisten». Unter den vier grössten Aktienpositionen sind Novartis, Nestlé und Roche – Konzerne, die wegen überrissener Medikamentenpreise oder der Trinkwasserprivatisierung breit kritisiert werden.
Der Postfinance-Fonds «F&C Responsible Global Equity» investiert in «Unternehmen, deren Aktivitäten Gesellschaft und Umwelt nutzen». Grösste Position sind Apple-Aktien. Auch der US-Konzern wurde kritisiert, weil er etwa schlechte Arbeitsbedingungen bei Zulieferern toleriert.
Bei der Geldanlage ist Systematik, Disziplin und Ausdauer eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. Dabei stellt sich die Frage, welche der unzähligen Finanzinstrumente die beste Wahl ist. Beobachter-Mitglieder bekommen die einzelnen Investitionsmöglichkeiten vorgestellt. Zudem zeigt eine Checkliste, welche Punkte ein Beratungsprotokoll mit der Anlageberaterin enthalten sollte.
Jeder Anleger muss selber entscheiden, ob er solche Titel in einem «nachhaltigen» Portfolio haben will. Wichtig ist, sich die Fonds genau anzuschauen und sich das Kleingedruckte erklären zu lassen. Beim erwähnten Postfinance-Fonds etwa stösst man online erst nach vielen Klicks auf ein knapp 200-seitiges Dokument in Englisch. Darin steht, dass in diesem Fonds mindestens zwei Drittel der Titel Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen. Heisst: Im Extremfall erfüllt ein Drittel sie nicht. Die Migros-Bank wiederum schliesst etwa Alkohol- oder Pornoproduzenten erst dann aus dem Nachhaltigkeitsuniversum aus, wenn sie mehr als fünf Prozent des Umsatzes oder 500 Millionen US-Dollar damit verdienen.
Für einen Spielraum wie bei Postfinance oder Migros-Bank kann es gute Gründe geben. Auch hier lohnt sich die Nachfrage beim Kundenberater. Wenn Kleinanleger einen Titel aber partout nicht in ihrem Portfolio wollen, bleibt ihnen meist nichts anderes, als ganz auf den Fonds zu verzichten. Denn fast alle Banken bieten individuelle Portfolios erst ab Investitionen von mehreren Millionen Franken an.
«Nachhaltige Anlagen sind tendenziell eher weniger riskant als herkömmliche.»
Roland Wöhr, Swisscanto
«Für die klassischen Banken sind Kleinanleger immer weniger interessant», sagt auch Andreas Jaworski. Diese Nische will er besetzen. Er hat seinen Job bei einem internationalen Vermögensverwalter aufgegeben und bietet nun auf der Onlineplattform Responsiblereturns.ch eine Reihe nachhaltiger Anlagen an.
Wer bei Responsible Returns ab 100'000 Franken investiert, kann sein Portfolio individuell anpassen. 18 Bereiche wie zum Beispiel Waffen, Massentierhaltung oder Glücksspiel kann der Kunde einzeln von seinem Portfolio ausschliessen. Zudem legt er fest, wie wichtig ihm Kriterien wie Klimawandel, Arbeitsbedingungen oder Korruption sind. Jaworski stellt das Portfolio dann individuell zusammen.
Eine weitere Möglichkeit bietet die Alternative Bank Schweiz (ABS). Sie legt «Nachhaltigkeit» sehr eng aus und schliesst etwa Waffenproduzenten und ihre Zulieferer aus, ebenso Autohersteller sowie Firmen, die Menschenrechte verletzen oder industriellen Fischfang betreiben. Sie empfiehlt weltweit nur rund 150 Firmen.
Allerdings warnt die Nichtregierungsorganisation Public Eye, Mitgründerin der ABS, vor allzu grossen Hoffnungen. «Erwarten Sie nicht, dass nachhaltige Anlagen zu einem deutlich verminderten Rohstoff- und Energieverbrauch oder zur Reduktion der Armut in der Welt beitragen», schreibt sie zum Thema Geldanlagen.
Man kann also mit nachhaltigen Anlagen Geld verdienen – die Welt retten aber kaum. Doch wer seine Investitionen sorgfältig auswählt, macht sie vielleicht ein bisschen besser.
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