Veröffentlicht am 30. November 2024 - 06:00 Uhr
Digitales Bezahlen: bequem, schnell – und immer teurer.
Das Bezahlen mit Karte und Twint ist nicht gratis – weder für die Läden noch für uns Konsumentinnen und Konsumenten. Das haben zuletzt Recherchen des Beobachters gezeigt.
Denn die Händler überwälzen die Kosten an uns Kundinnen in Form von steigenden Preisen. Und die Kartenzahlungen werden tendenziell immer teurer.
«Diese steigenden Kosten drücken bei kleineren und mittelständischen Unternehmen zunehmend auf die Marge.»
Urs Furrer, Direktor des Gewerbeverbands
Das belegt eine neue Studie der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag des Verbands Swiss Debit Pay.
Hinter diesem stehen die Kartenherausgeber, also die Banken, der Gewerbeverband und das Konsumentenforum. Die Forscher haben kleine und mittlere Unternehmen zu den Konditionen ihrer Zahlungslösungen befragt.
Kleine subventionieren die Grossen
Fast die Hälfte der Unternehmen, nämlich 44 Prozent, gaben an, dass die Gebühren von Debitkarten in den letzten zwei Jahren gestiegen sind. Bei Kreditkarten sind es 39 Prozent der Unternehmen. Bei Twint 25 Prozent.
«Diese steigenden Kosten drücken bei kleineren und mittelständischen Unternehmen (KMU) zunehmend auf die Marge», sagt Urs Furrer, Direktor des Gewerbeverbands, gegenüber dem Beobachter.
«Im Endeffekt subventionierten KMU mit ihren hohen Gebühren die günstigeren Konditionen der grossen Händler.»
Urs Furrer
Kleine Unternehmen hätten wenig Spielraum, um bessere Gebühren mit ihrem Zahlungsanbieter auszuhandeln. Denn ihr Zahlungsvolumen sei zu klein. Grosse Unternehmen erhielten bessere Konditionen.
«Im Endeffekt subventionierten KMU mit ihren hohen Gebühren die günstigeren Konditionen der grossen Händler», so Furrer.
Interchange- und Scheme-Gebühren
Wer ist schuld daran? Zahlungsanbieter wie Worldline, Nexi oder Sumup? Ersterer bestätigt gegenüber dem Beobachter zwar, dass er in diesem Jahr zwei Preiserhöhungen durchgeführt habe. Es habe aber auch eine Preisreduktion stattgefunden.
Die Erhöhungen reflektierten aber die gestiegenen Interchange- und Scheme-Gebühren. Die Interchange-Gebühr ist die Gebühr, die an die kartenherausgebende Bank geht. Die Scheme- oder Lizenzgebühr geht an die Labelgesellschaft wie Visa oder Mastercard.
Keinen Einfluss auf den Preis
Worldline-Konkurrent Nexi teilt mit, ein Anstieg der Gebühren sei insbesondere auf die Einführung der neuen Debitkarten bei Mastercard und Visa zurückzuführen, bei denen Interchange-Gebühren anfallen. Sumup betont, man habe die Gebühren seit dem Start in der Schweiz 2014 nicht erhöht.
Auch bei Twint heisst es auf Nachfrage des Beobachters, die Gebühren seien für die Mehrheit der Händler in den letzten zwei Jahren gleich geblieben. Zumal es von Seiten Twint keine Preiserhöhungen gegeben habe.
Diese haben also bei den Zahlungsanbietern, den Acquirern wie Worldline, stattgefunden. Auf deren Preise habe man keinen Einfluss.
Gestiegene Abhängigkeit, wenig Transparenz
Und genau da liegt das Problem. Denn in diesem Dschungel von Angeboten und Gebührenstrukturen den Überblick zu behalten und zu optimieren, ist besonders für kleinere Händler schwierig.
Bei den Zahlungsanbietern können die Geschäfte zwar zwischen verschiedenen Optionen wählen – wie Worldline, Nexi, Sumup. Wer mit den Gebühren nicht zufrieden ist, kann grundsätzlich wechseln.
«Allerdings spielt bei den Zahlungsanbietern der Wettbewerb nicht», sagte Severin Pflüger, Geschäftsführer des Verbands Elektronischer Zahlungsverkehr kürzlich zum Beobachter. Worldline beherrsche den Markt zu 90 Prozent. Ein Wechsel sei mit hohen Kosten für die Händler verbunden.
Severin Pflüger vom Verband Elektronischer Zahlungsverkehr sagt, Worldline beherrsche den Markt der Zahlungsdienstleister zu 90 Prozent. Die Aussage basiert auf Schätzungen, da Worldline ihren Marktanteil bisher nicht kommuniziert hat. Pflüger stützt seine Berechnung auf Marktentwicklungen und Beobachtungen der letzten Jahre.
Worldline hat sich nach Publikation dieses Artikels beim Beobachter gemeldet und teilt nun mit: Man könne ein durchschnittliches elektronisches Transaktionsvolumen von rund 65 Prozent bestätigen. Diese Zahl werde monatlich an die Schweizer Nationalbank (SNB) kommuniziert. In einer neuen Studie der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hätten sogar nur 56 Prozent der befragten Unternehmen mitgeteilt, dass Worldline derjenige Anbieter mit der grössten Bedeutung für sie sei.
Anwalt Pflüger ordnet dies auf Nachfrage des Beobachters ein: Diese an die SNB gelieferten Zahlen bezögen sich nur auf Kredit- und Debitkartenzahlungen. Twint sei hier beispielsweise nicht dabei. Hier wäre der Marktanteil dann unter Umständen grösser.
Twint nicht bei Deal mit Verband dabei
Was können kleinere Geschäfte also tun, um sich bessere Bedingungen für digitales Bezahlen herauszuhandeln? Urs Furrer vom Gewerbeverband empfiehlt kleineren Geschäften, über den Branchenverband einen Rahmenvertrag abzuschliessen.
Dadurch hätten KMU mehr Verhandlungsstärke und bessere Chancen auf günstigere Konditionen.
So hat etwa ein kleines Zürcher Velogeschäft bessere Konditionen erhalten – die der Verband 2Rad, bei dem es Mitglied ist, bei Worldline verhandelt hat. Das erzählt der Besitzer gegenüber dem Beobachter.
Diese vorteilhaften Bedingungen gelten allerdings nur für Debit- und Kreditkarten. Bei Twint fallen für ihn je nachdem deutlich höhere Gebühren an. Etwa, wenn ein Kunde für einen hohen Betrag einkauft.
Wenn ein Kunde ein Velo für 5000 Franken kauft, kommt es darauf an, mit welcher Karte er zahlt.
Der Besitzer, der wegen einer Schweigeklausel im Vertrag zu Konditionen anonym sprechen möchte, rechnet vor: Wenn ein Kunde ein Velo für 5000 Franken kauft, kommt es darauf an, mit welcher Karte er zahlt.
Die Debitkarte von Mastercard sei etwa günstiger als die von Visa. Ab einem Betrag von 500 Franken sind die Gebühren bei Debitkarten wegen des durch den Verband verhandelten Deals gedeckelt.
Sprich, der darüber hinausgehende Betrag wird nicht mehr mit Gebühren belastet. Kreditkarten akzeptiert der Ladenbesitzer aufgrund der hohen Kosten nicht mehr.
Wann eine Rechnung sinnvoll ist
Bei Twint fallen ihm zufolge immer Gebühren von einem Prozent des Umsatzes an – egal, ob der Betrag nun 5 Franken oder 5000 Franken ist. Bei höheren Summen gehen diese Gebühren also deutlich mehr ins Geld.
Kunden, die grosse Einkäufe mit Twint bezahlen wollen, gibt er deshalb lieber eine Rechnung mit QR-Code mit. Damit sie über E-Banking bezahlen können.
Wieso Twint bei einem solchen Rahmenvertrag nicht eingeschlossen ist und günstigere Konditionen bietet? Twint sagt dazu auf Nachfrage des Beobachters, der genannte Rahmenvertrag mit 2Rad sei mit einem Zahlungsanbieter abgeschlossen.
Darauf habe Twint keinen Einfluss. Man würde es aber begrüssen, wenn Twint in solchen Verträgen gleichbehandelt würde wie andere Zahlarten.
- Studie der HSG und ZHAW
5 Kommentare
Warum steht, ausser bei Twint, nichts über die Höhe der Gebühren? Das würde mich auch sehr interessieren.
Die Kosten, die durch das Wegfallen des Cashmanagements entfallen (Bargeld holen, Bargeld verwalten, Bargeld wieder einzahlen, höhere Sicherheit, Diebstahl) sollten die KMU mal rechnen, sie kämen richtig auf die Welt. Nun jetzt haben wir eine neue Situation, die Preiserhöhungen ab 1. Dezember haben wir vor allem Firmen wie Apple zu verdanken, die ebenfalls 20 Rappen (Irrtum vorbehalten) pro Transaktion einkassieren, wenn wir mit Applepay ab dem iPhone bezahlen. Aber trotzdem behaupte ich, wenn die Kosten bei insgesamt 5% maximal für pro Transaktion bestehen, ist das Teller Spaghetti dann halt CHF 21.- statt CH 20.-. Ein Problem bleibt mit die notorische Unterfinanzierung bei vielen KMU's. Ihnen fehlt oft bei der Startphase schon die Liquidität weil die Kartenzahlungen viel später auf dem Bankkonto sind als das Bargeld in der Ladenkasse. Die Gebührendiskussion ist deshalb mehr ein Gejammer.
Das ist Kapitalismus und Neoliberalismus pur!
Das Unschöne an der Situation: Da jeder Händler natürlich und verständlicherweise in seine Preise die höchsten Gebühren für die von ihm akzeptierten Zahlungsmethoden einrechnet, zahlt auch der bar oder über Rechnung zahlende Kunde diese Spesen. Sauber wäre, einen Nettopreis zu berechnen und die Spesen dann sichtbar als Zuschlag je nach gewählter Zahlmethode auszuweisen. Das wird natürlich durch die (mit Schweigepflicht 'ausgestatteten') Verträge unterdrückt. Wenn man als Käufer also eine spesenfreie Zahlmethode wählt, hat er selbst nichts davon. Er kann sich dafür als Gönner für den Verkäufer fühlen, ansonsten als Gönner für die Zahlungssystemanbieter und die Banken. Eine minimale freie Wahlmöglichkeit bleibt uns also noch, das sollte doch uns Schweizern, die wir die Freiheit so hoch oben in unserem Wertesystem angesiedelt haben, ein warmes Gefühl geben!