Ich war dabei, als ein Kleinwüchsiger in Polizeiuniform einem ausgewachsenen Briten mit einem Strauss dorniger Rosen den Hintern versohlte. Es war noch nicht einmal 12 Uhr mittags, damals in Krakau.

Ich war dabei, als sich eine Mittzwanzigerin aus dem Berner Umland einen Schnaps zwischen die Brüste goss und ihre Freundinnen mir zuriefen: «Leck das aus!» In Palermo war noch nicht einmal Abend. 

Ich war Teil einer Flashmob-Polonaise auf dem Hauptplatz in Nizza, bei der die Freunde des Junggesellen als Hotdogs verkleidet waren und auf dem T-Shirt des Junggesellen in fetten Buchstaben stand: «Sexgott verlässt den Olymp.»

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Ich habe das alles gegen meinen Willen erlebt. Ob in der Luzerner Altstadt oder auf einer Piazza im Süden: Junggesellenabschiede sind überall. Aber vor allem da, wo es schön ist. Und – noch besser – günstig, also im Ausland. Das ist schade. Ich bin dagegen.

Ich fordere hiermit öffentlich und im Namen vieler namenloser Leidensgenossinnen und -genossen: Schluss damit! Hört the f… auf mit Junggesellenabschieden! Unter vielen fragwürdigen Ritualen ist der Polterabend das allerdümmste – und auch wenn die Sache lustig gemeint ist und wir das schon immer so gemacht haben: 2024 ist ein guter Zeitpunkt, damit aufzuhören. 

Die Belästigung im öffentlichen Raum ist ein Problem 

Niemand, wirklich niemand will bei einem Altstadtbummel von einer besoffenen Horde befummelt, bemalt oder bedrängt werden. Warum unter dem Deckmantel der Liebe O.K. sein soll, was in jeder anderen Lebenslage als Übergriff eingestuft würde, bleibt unklar. Das sind keine Mutproben. Das sind Anschläge.

Oder, so könnte man Junggesellinnenabschiede auch nennen: Sextourismus mit dem Segen der Familie und neokolonialem Anstrich. 

Oder wie ist es sonst zu erklären, dass gerade westeuropäische Heiratswillige zum Poltern bevorzugt in sogenannte Billigländer einfallen wie Heuschrecken? Als Topziel für Junggesellenabschiede gilt laut mehreren Veranstaltern: Prag (Bier, Schiessen mit der Kalaschnikow, Stripclub), gefolgt von Barcelona (Go-Kart, Bier, Stripclub) und wahlweise Krakau oder Bratislava (Schiessen, Stripclub, Kartoffelschnaps). 

Überhaupt: Stripclubs. Woher rührt diese Idee, beim Poltern die letzten Atemzüge eines freien Lebens zu tun vor dem Gang in die ewige Enthaltsamkeit?

Man kennt diesen Polter-Humor als T-Shirt. Darauf zu sehen: Mann und Frau, verheiratet, und drüber steht «Game over». Ist diese zur Schau gestellte Verachtung des zukünftigen Lebensabschnittspartners noch lustig oder schon feindselig? Wirklich wahr: In Norddeutschland nagelt man Junggesellinnen traditionell die Schuhe an einen Baum. Damit die Frau als frischgebackene Braut nicht wegrennen kann. Keine Pointe. 

Teuer, stressig, gestrig

Ich will kein Griesgram sein, doch ich bin nicht allein: Laut der Bewertungsplattform Trustpilot werden Junggesellenabschiede nicht nur bei Aussenstehenden (mir), sondern auch bei Teilnehmerinnen und Gästen immer unbeliebter. Der Grund: Sie werden immer teurer, extravaganter, lauter.

Eine durchschnittliche «Bachelor Party» in den USA kostet aktuell 1326 Dollar pro Person. Die Plattform «Junggesellenabschiedin.de» vermietet derweil «Liliputaner» als Partyfreunde (350 Euro), Öl-Wrestling (55 Euro) und eine Stripperin als «Sexy Maid» (290 Euro) in Krakau. 

Seit wann gepoltert wird, ist historisch nicht abschliessend geklärt. Doch die dazugehörigen Bräuche gibt es schon lange. Scherben bringen Glück, sagt man umgangssprachlich noch heute. Und zerdeppert in manchen Gebieten am Polterabend das Porzellan.

Die Scherben stehen symbolisch für Gefässe. Töpfe, zum Beispiel. Das Kaputtmachen soll Sorglosigkeit bringen und bedeutet: Viel Glück! Das Zerbrechen von Dingen, steht auf Wikipedia, sei auch ein symbolischer Vorbote der «Defloration». Das ist Spiessbürgerdeutsch für: den ersten Sex. Alles am Poltern ist so: gestrig. Irgendwie gruslig privat. Auf jeden Fall nervig. 

Das muss nicht sein. Traumhochzeit kommt von träumen. Nicht von Trauma.