«Bei uns ist Polizeiarbeit auch soziale Arbeit»
George Floyds Tod in den USA wirft ein Schlaglicht auf rassistisch motivierte Polizeikontrollen. Wie sieht es bei der Schweizer Polizei aus? Der oberste Polizist nimmt Stellung.
Veröffentlicht am 18. Juni 2020 - 15:22 Uhr
Beobachter: Was haben die Bilder von George Floyds Festnahme bei Ihnen ausgelöst?
Stefan Blättler: Das ist absolut schrecklich. Ich kann die Vorgänge in den USA nicht beurteilen, kann mir aber kaum vorstellen, dass bei uns so etwas möglich wäre. Wir investieren viel mehr Zeit in die Aus- und Weiterbildung. Wir stellen hohe Ansprüche an die Kompetenz und Motivation der Bewerber. Bei uns ist Polizeiarbeit auch soziale Arbeit.
Doch auch bei uns sind Polizeikontrollen
für andersfarbige Menschen Alltag, auch wenn sie Schweizer sind. Mir als weisser Frau ist das noch nie passiert.
Mitarbeitende mit fremdenfeindlichem Gedankengut haben bei der Polizei keinen Platz. Wir legen seit langem bereits in der Grundausbildung sehr viel Wert darauf, dass die angehenden Polizisten mit Menschen aus verschiedensten Kulturen umgehen können und unvoreingenommen auf sie zugehen. Das steht auch so in all unseren Leitbildern.
Und in der Realität?
Mir ist die Problematik des sogenannten Racial Profiling bewusst. Klar ist: Man darf Leute nicht kontrollieren, nur weil sie fremdländisch aussehen. Es gibt aber Kontrollen an neuralgischen Orten, zum Beispiel Drogenumschlagplätzen
, wo man von Ermittlungen einfach weiss, dass viele Händler westafrikanischer Herkunft sind. Dann kann das Aussehen Anlass für eine Kontrolle sein. Das wird oft als
Rassismus empfunden. Der Umkehrschluss wäre, dass wir gewisse Personen nicht mehr kontrollieren dürfen.
Ein Dunkelhäutiger darf in Zürich an der Langstrasse wegen seines Äusseren kontrolliert werden, an der Bahnhofstrasse aber nicht?
Es kann tatsächlich vom Ort abhängen und von den konkreten Umständen, ob es legitim ist.
Wie werden Polizisten konkret geschult?
Das Thema Racial Profiling wird in der Ausbildung mehrfach aufgegriffen, im Fach Menschenrecht und Ethik etwa. Ich habe das früher selber unterrichtet und dazu Leute ausländischer Herkunft eingeladen, die von der Polizei kontrolliert worden waren. So wächst das Verständnis. Daneben gibt es Weiterbildungskurse in interkultureller Kompetenz für Kaderleute. Dort werden konkrete Rechtsfälle diskutiert – mit Blick auf interkulturelle Probleme und mögliche Vorurteile. Auch die Korps führen Weiterbildungen durch.
Agieren Absolventen im Alltag anders?
Ich habe das Gefühl, die Sensibilität wächst. Ich behaupte nicht, wir machen alles richtig. Aber wir lernen aus Fehlern.
Menschenrechtsorganisationen sagen aber: Wir haben ein Problem.
Der Austausch mit den NGOs ist mir wichtig. In Bevölkerungsumfragen wird die Polizeiarbeit stets sehr gut bewertet, gerade von Personen mit ausländischem Pass. Doch die absolute Wahrheit gibt es nicht. Es ist immer einfach, ein Handy zu zücken und eine Kontrolle zu filmen, ohne den Hintergrund zu kennen. Nicht alles ist so, wie es aussieht. Und wir dürfen Anschuldigungen meist nicht kontern wegen des Datenschutzes
.
Letztes Jahr wurden 352 Fälle von Rassismus bei einer der 22 Rassismusopfer-Beratungsstellen gemeldet – so viele wie noch nie.
Nach «Fremdenfeindlichkeit» war «Rassismus gegen Schwarze» mit 132 Nennungen der zweithäufigste Grund. 23 Fälle betrafen das Racial Profiling, also rassistisch motivierte Polizeikontrollen.
Einzelne Fälle sorgen auch in der Schweiz für Schlagzeilen – etwa die Festnahme des Nigerianers Mike Ben Peter in Lausanne 2018, die tödlich endete.
Der Uno-Schattenbericht zu Rassendiskriminierung bemängelt den Umgang der Schweiz mit der Thematik.
Um für Recht und Ordnung zu sorgen, kann die Polizei diverse Aktionen im Rahmen der Verhältnismässigkeit durchführen. Doch auch Sie haben Rechte! Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied, ob die Polizei beispielsweise zu Leibesvisitationen und Hausdurchsuchungen berechtigt ist und was Sie bei einer Verkehrskontrolle erdulden müssen.
3 Kommentare
Wo Rassismus begint ist für mich nicht ganz deutlich ,bis 2016 hatte ich mit dieser Thema noch nie so aussernandergestzt, bis mir im bus eine Rassistische bemerkung entgegengebracht wortden war, ich machte eine witz daraus doch als ich einmal zu Polizei ginger um eine Anzeiger zu mache wurde`es mir klar das ich auf eine Problem gestossen bim das so Alt ist wie die Polizei geschichte selbst, im Nordamerica soll das Problem Rassismus noch grösse sein als im Südamerica oder hier im der sweizer, doch wie es aussieht ist Rassismus wie eine Virus Epidemie, es ist durch der ganze Welt vertellt doch nicht leich zu erkennen ob es an klase liegt oder in der Hautfarbe.
Die Mini-Schweiz, deren Polizei und Waffengesetz-Unterschiede, mit derjenigen der riesigen USA zu vergleichen, ist überflüssig, da nicht vergleichbar. Wichtig allein, ist, dass es überall auf der Welt vereinzelt Polizisten gibt, welche für diese vielfältige Arbeit charakterlich nicht geeignet sind! Das muss geändert werden und zwar schon während der Ausbildung.
Ich verstehe es nicht, dass nun auch noch der Beobachter bei dieser neuen Hysterie der Mainstreammedien mitmacht. Es ist doch nichts als logisch und vernünftig, wenn sich die Polizei überlegt, basierend auf statistischen Erfahrungen, welche Teilgruppen unter den Menschen etwas häufiger kontrolliert werden sollen als andere. Oder soll die Polizei allenfalls Grossmütter, die mit ihren Enkelkindern unterwegs sind, vermehrt kontrollieren? Würden alle akzeptieren, dass in einer Demokratie einzig die Polizei das Gewaltmonopol hat und sich gewisse Kreise bei einer Kontrolle oder einer (vorläufigen) Festnahme nicht grundsätzlich renitent verhalten würden, käme es kaum zu Polizeigewalt. Ganz abgesehen davon, dass es x-mal öfters vorkommt, dass Polizisten Opfer von Gewalttätern werden als andere Menschen Opfer von (missbräuchlicher) Polizeigewalt. Warum zeigt dies kein Medium sachlich auf, sondern müssen alle noch möglichst viel Öl ins Feuer giessen?