Anderthalb Stunden töggelte er auf der Tastatur, wartete, töggelte erneut, dann klappte es endlich. Das Internet spuckte einen Termin aus: Corona-Impfung in Zürich. Eine gute Sache, denn für über 75-Jährige endet eine Erkrankung oft tödlich.

Nur, der Mann ist 55. Er gehört gar nicht zur ersten Zielgruppe der Impfung. Den Termin hat er auch nicht für sich ergattert, sondern für seine 83-jährige Mutter. Die Glückliche. Ein Formular im Internet, das hätte sie nämlich nicht hingekriegt. Vielleicht eine Anmeldung per Telefon. Doch die Leitungen waren sowieso ständig besetzt.

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Er ist froh, es gerade noch geschafft zu haben. Minuten später wäre keine Anmeldung mehr möglich gewesen, alle Impftermine waren vergeben. Wer es in Zürich an diesem 30. Dezember nicht schaffte, muss warten, bis neuer Stoff eintrifft. Dann darf wieder gerangelt werden.

Ohne die Hilfe von Angehörigen zögen Impftermine an vielen Seniorinnen einfach vorbei. Wie mittlerweile so vieles, was man mit Handys und Computern macht. Nur geht es diesmal nicht um ein verpasstes Ticket für die Abendunterhaltung. Damit liesse sich leben. Es geht um Corona – daran kann man sterben. Für 15 Prozent der über 80-Jährigen ist Covid die letzte Krankheit.

Alte Menschen werden ständig abgehängt

Möglichst einfach und stressfrei müsste eine Anmeldung zum Impfen darum aufgegleist werden. Auch im Bewusstsein, dass sich ein Viertel der über 80-Jährigen mit dem Internet schlicht nicht auskennt. Sicher, viele haben hilfsbereite Angehörige. Die anderen bleiben aussen vor.

Trotzdem setzen Gesundheitstechnokraten auf «dä Gschnäller isch dä Gschwinder». Ausgerechnet wenn es um alte und vulnerable Menschen geht. Wer vif im Internet ist oder Helfer im Hintergrund hat, bekommt einen Termin. Die anderen bekommen den Fingerzeig, dass sie in der Welt der Digitalisierten und Vernetzten eigentlich nicht mehr mitgemeint sind.

Es passiert ihnen ständig: vor geschlossenen Bahn- und Bankschaltern. Und abends am TV, wenn rüstige Rentnerinnen in den Werbeblöcken auftauchen und lächelnd Handys und Kreditkarten zücken. Das sind nicht jene Älteren, die vor dem Fernseher sitzen. Eher ihre Kinder, die Rentner spielen und die Haare grau tönen.

Zu locker unterwegs

Dass sich selbst Gesundheitsbehörden von solchen Zerrbildern blenden lassen, ist schlicht diskriminierend. Und entlarvt, wie gleichgültig ihnen die wahren Kompetenzen vieler Senioren sind. Kurz online einen Termin buchen, um dann für die Impfung vom Land in die Stadt zu fahren, gehört nicht dazu.

Seit dem Sommer hätten Fachleute Zeit gehabt, ein Impfkonzept zu erarbeiten, das ihrer wichtigsten Zielgruppe gerecht wird. Doch sie haben wohl auch den Sommer und den Herbst zu locker verbracht. Selbst die vom Bund den Kantonen zur Verfügung gestellte Software für den «Impfwettbewerb» funktionierte nur kläglich. Sie wurde offenbar erst am 17. Dezember gekauft.

Wieso eine Anmeldung in vielen Kantonen nicht jederzeit per Internet, Telefon oder Brief möglich ist, bleibt ein Rätsel. Den genauen Termin könnten Behörden den Impfwilligen auch dann mitteilen, wenn der Impfstoff eingetroffen ist. Schön priorisiert nach Alter, Anmeldungseingang und Vorerkrankungen. Und falls es vom Impfstoff her möglich ist, dann am besten gleich in der Gemeinde, wo sie wohnen.

Kein Stress für niemand statt «First come, first serve». Das würde die Impfbereitschaft noch steigern. Etwas sind die meisten Alten nämlich sehr gewohnt: zu warten, bis sie an der Reihe sind. Etwas mehr digitales Know-how hätte man von gut bezahlten Fachleuten erwarten dürfen – mehr als von impfbereiten, aber wenig rüstigen Rentnern.

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Peter Johannes Meier, Ressortleiter
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