Kommentar
Die Alten werden beim Impfen im Stich gelassen
Senioren sollen im Internet oder am Telefon um einen Impftermin kämpfen. Darin zeigt sich unsere Gleichgültigkeit gegenüber den Alten.
Veröffentlicht am 13. Januar 2021 - 11:36 Uhr
«Wenn es um alte Menschen geht, darf nicht gelten: ‹Dä Gschnäller isch dä Gschwinder.›» – Peter Johannes Meier, Beobachter-Redaktor
Quelle: Thilo RothackerAnderthalb Stunden töggelte er auf der Tastatur, wartete, töggelte erneut, dann klappte es endlich. Das Internet spuckte einen Termin aus: Corona-Impfung in Zürich. Eine gute Sache, denn für über 75-Jährige endet eine Erkrankung oft tödlich.
Nur, der Mann ist 55. Er gehört gar nicht zur ersten Zielgruppe der Impfung. Den Termin hat er auch nicht für sich ergattert, sondern für seine 83-jährige Mutter. Die Glückliche. Ein Formular im Internet, das hätte sie nämlich nicht hingekriegt. Vielleicht eine Anmeldung per Telefon. Doch die Leitungen waren sowieso ständig besetzt.
Er ist froh, es gerade noch geschafft zu haben. Minuten später wäre keine Anmeldung mehr möglich gewesen, alle Impftermine waren vergeben. Wer es in Zürich an diesem 30. Dezember nicht schaffte, muss warten, bis neuer Stoff eintrifft. Dann darf wieder gerangelt werden.
Ohne die Hilfe von Angehörigen zögen Impftermine an vielen Seniorinnen einfach vorbei. Wie mittlerweile so vieles, was man mit Handys und Computern macht. Nur geht es diesmal nicht um ein verpasstes Ticket für die Abendunterhaltung. Damit liesse sich leben. Es geht um Corona – daran kann man sterben. Für 15 Prozent der über 80-Jährigen ist Covid die letzte Krankheit.
Alte Menschen werden ständig abgehängt
Möglichst einfach und stressfrei müsste eine Anmeldung zum Impfen darum aufgegleist werden. Auch im Bewusstsein, dass sich ein Viertel der über 80-Jährigen mit dem Internet schlicht nicht auskennt. Sicher, viele haben hilfsbereite Angehörige. Die anderen bleiben aussen vor.
Trotzdem setzen Gesundheitstechnokraten auf «dä Gschnäller isch dä Gschwinder». Ausgerechnet wenn es um alte und vulnerable Menschen geht. Wer vif im Internet ist oder Helfer im Hintergrund hat, bekommt einen Termin. Die anderen bekommen den Fingerzeig, dass sie in der Welt der Digitalisierten und Vernetzten eigentlich nicht mehr mitgemeint sind.
Es passiert ihnen ständig: vor geschlossenen Bahn- und Bankschaltern. Und abends am TV, wenn rüstige Rentnerinnen in den Werbeblöcken auftauchen und lächelnd Handys und Kreditkarten zücken. Das sind nicht jene Älteren, die vor dem Fernseher sitzen. Eher ihre Kinder, die Rentner spielen und die Haare grau tönen.
Zu locker unterwegs
Dass sich selbst Gesundheitsbehörden von solchen Zerrbildern blenden lassen, ist schlicht diskriminierend. Und entlarvt, wie gleichgültig ihnen die wahren Kompetenzen vieler Senioren sind. Kurz online einen Termin buchen, um dann für die Impfung vom Land in die Stadt zu fahren, gehört nicht dazu.
Seit dem Sommer hätten Fachleute Zeit gehabt, ein Impfkonzept zu erarbeiten, das ihrer wichtigsten Zielgruppe gerecht wird. Doch sie haben wohl auch den Sommer und den Herbst zu locker verbracht. Selbst die vom Bund den Kantonen zur Verfügung gestellte Software für den «Impfwettbewerb» funktionierte nur kläglich. Sie wurde offenbar erst am 17. Dezember gekauft.
Wieso eine Anmeldung in vielen Kantonen nicht jederzeit per Internet, Telefon oder Brief möglich ist, bleibt ein Rätsel. Den genauen Termin könnten Behörden den Impfwilligen auch dann mitteilen, wenn der Impfstoff eingetroffen ist. Schön priorisiert nach Alter, Anmeldungseingang und Vorerkrankungen. Und falls es vom Impfstoff her möglich ist, dann am besten gleich in der Gemeinde, wo sie wohnen.
Kein Stress für niemand statt «First come, first serve». Das würde die Impfbereitschaft noch steigern. Etwas sind die meisten Alten nämlich sehr gewohnt: zu warten, bis sie an der Reihe sind. Etwas mehr digitales Know-how hätte man von gut bezahlten Fachleuten erwarten dürfen – mehr als von impfbereiten, aber wenig rüstigen Rentnern.
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7 Kommentare
Vielleicht ist es ja auch Sinn machend, positiv, dass sich alte Menschen nicht impfen lassen können. Es gibt KEINE, gar KEINE Garantie dafür, dass der Impfstoff gegen das aktuelle Virus, entsprechende Wirkung auch gegen die Virus-Mutationen zeigt.
Das ist hinlänglich bekannt bei den Jahr für Jahr wiederkehrenden "Grippe-Viren".
Da muss geimpft werden, bevor die Medizin überhaupt weiss, welcher Grippe-Virus aktuell sein wird.....
So gibt es auch KEINE Garantie auf ewiges Leben sämtlicher Lebewesen dieser Welt....
Danke für diesen Artikel. Aber bei der Kantonalen Verwaltung nützt das wenig. Die lassen sich nicht stören. in Zürich wurde man auf den 18. Januar vertröstet. Jetzt heisst es Ende Januar. Sie würden schnellstmöglich Informieren. Der Kanton Zürich ist total übrrascht worden von der Corona Impfung. Auf welchem Planet Leben die. Ich bin 78 Jahre alt. Und nicht ganz unvertraut mit dem Internet. Bei meiner erste Anmeldung am 30.Dezember bin ich rausgeflogen heisst System zusammenbruch, bei den weiteren Versuchen bin ich statt zur Impfanmeldung zur Testanmeldng gekommen. Meine diversen mails wurden nicht zufriedenstellend beantwortet. Man hat das Gefühl in der Verwaltung hat man Angst es köönte in Arbeit ausarten. Entschuldigung das ich noch lebe.
in diesem staat!, waren die alten schon immer eine last. sei es im alter invalid geworden oder ahv, el bezüger. die alten werden und wurden schon immer diskrimminiert. die jungen funktionieren nach dem prinzip: in die schule geh ich gern. das harte arbeiten überlassen sie den andern, die früh sterben. wen interessiert das schon. die jungen, in die schule geh ich gern werden alt und jammern auf vorrat: "unsere ahv, unsere pensionskassen", dabei leben sie schon jetzt auf vollkassko der alten. und die drecksarbeit sollen die andern machen. die ausländer, die flüchtlinge etc. etc. für viele in der politik gilt und galt: in die schule geh ich gern.
Auch wenn ich mit dem PC recht gut zurecht komme (79), ist es mir nicht gelungen, mich für die Impfung anzumelden. Der Kanton Zürich hat die ganze Impfkampagne völlig verschlafen. Seit mindestens einem halben Jahr war klar, dass die Impfung einmal kommen wird, aber mit richtigen Vorarbeiten wurde erst diese Jahr begonnen. Kein funktionierendes Anmeldeprogramm, keine vorbereiteten dezentrale Impfzentren usw. Bei meinen Freunden im Kanton Basel-Stadt hat alles gut geklappt.