Es hat sich ausgehobelt
In Ramsen SH fällt die letzte Bastion der Fussballromantik. Nun halten nur noch die Russen die Stellung.
Veröffentlicht am 6. Dezember 2024 - 16:01 Uhr
«Sie wurden von den Gegnern belächelt, gestört hat es die Ramsener nie.»
Bluewin.ch, 13. November 2024
Dem Teamcaptain gelang gegenüber dem SRF-Reporter eine elegante Finte, um den Spielstil seines FC Ramsen zu beschreiben: «Für gepflegtes Kurzpassspiel sind wir eher weniger bekannt.» Heisst: eher für Holzhacker-Fussball.
Das passte bisher auch vorzüglich zum Ambiente auf dem Sportplatz Härdli, wo stets ein angenehmer Geruch von Wald und Wiese in der Luft hing – was mit der Linienwahl zu tun hatte: Der FC aus dem Schaffhauser 1600-Einwohner-Dorf war der letzte Verein der Schweiz, der die Spielfeldmarkierungen mit frischen Hobelspänen auszog.
Ein gallisches Dorf des Widerstands
Ein romantischer Gegenentwurf zum gängigen Plastikrasen, in den die Linien fix eingelassen sind. In der gestriegelten Welt des modernen Fussballs machte dies Ramsen zu einem gallischen Dorf, das sich tapfer dem Neuen widersetzte.
Doch zum Verdruss aller Nostalgiker des runden Leders muss dieser Text in der Vergangenheitsform geschrieben werden. Denn zum Abschluss der Hinrunde fiel die letzte Bastion der Holzlinien: Künftig muss auch auf dem Härdli hundskommune Markierungsfarbe her.
Nur dort, wo gehobelt wird, fallen Späne
Eine neue Weisung der Uefa, unkt man. Nein, nur die letzte Schreinerei im Dorf macht dicht. Und wenn dort keine Späne mehr fliegen, gibts auch keine mehr für die Fussballer.
«Alles hat seine Zeit», kommentierte Ex-Schreiner Norbert Schneider. Als Goalie des FCR hechtete er früher noch selbst über die eigenen Hobelspööh. Und so gabs beim 0:2 im Derby gegen Diessenhofen TG – ausgerechnet! – den letzten Penalty, bei dem nicht nur der Ball, sondern auch eine ordentliche Ladung Holz über die Torlinie flog.
Ramsen bleibt einzigartig
Verliert Ramsen nun seinen Platz auf der Karte der Schweizer Einzigartigkeiten? Mitnichten. Zur Gemeinde gehören nämlich zwei Weiler mit den bemerkenswerten Namen Moskau und Petersburg. Und an deren Namensgebung soll nicht gerüttelt werden, keine Diskussion! Im Zeitgeist des allgemeinen Russland-Bashings trägt auch das schon fast widerständische Züge.