Wieso so viele Pensionierte keine Hilfe vom Staat beantragen
Sie haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen – und fordern sie nicht ein. Betroffen sind fast eine Viertelmillion Rentnerinnen und Rentner. Was sich ändern muss.
Veröffentlicht am 2. Februar 2024 - 16:56 Uhr
Zehntausende Rentnerinnen und Rentner bekommen seit diesem Januar weniger Ergänzungsleistungen (EL), manche auch keine mehr. Grund dafür sind neue Regeln, die seit Anfang Jahr gelten. Da kann es vorkommen, dass das Billett in die nächstgelegene Stadt oder ein Kafi auswärts nicht mehr drinliegen. Doch nicht nur deshalb leben Menschen in Altersarmut: Manche Betroffene beantragen die EL gar nicht erst.
Wenn die Renten und das Einkommen die minimalen Lebenskosten nicht decken, hat man einen rechtlichen Anspruch auf EL. Doch eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) kommt zum Schluss, dass schätzungsweise rund 15,7 Prozent der über 65-Jährigen noch zu Hause Lebenden keine EL beziehen – obwohl sie einen Anspruch hätten. Es handelt sich dabei um etwa 230’000 Personen.
Altersarmut hat messbare Auswirkungen auf die Leben der Betroffenen: Arme Seniorinnen haben ein viel grösseres Risiko, zu vereinsamen und krank zu werden. Und sie sind viel öfter unzufrieden mit ihrem Leben. Wenige Hundert Franken EL würden oft einen grossen Unterschied machen. Wieso also nicht beziehen?
Nichtbezug von EL trotz Anspruch betrifft vor allem Frauen, Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, Verwitwete sowie Personen ohne höheren Schulabschluss. Besonders verbreitet ist das Phänomen in ländlichen Gemeinden.
Stigma und ungenügende öffentliche Aufklärung
Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz, erklärt: «Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie Anspruch auf EL hätten. Oder das Verfahren ist ihnen zu komplex.» Gesellschaftliches Stigma führe zudem dazu, dass Betroffene die Hilfe als Zeichen von Abhängigkeit oder Versagen sehen. Sie schämen sich, EL zu beantragen.
«Der Antragsprozess für Ergänzungsleistungen muss vereinfacht werden.»
Peter Burri Follath, Pro Senectute Schweiz
Burri Follath sagt, es brauche mehr Aufklärung und Information darüber, wer wie und wann EL beziehen kann. Das Thema müsse öffentlich diskutiert werden, so würden Hürden abgebaut. Und: «Der Antragsprozess muss vereinfacht werden. Aktuell ist er zu abschreckend gestaltet und in der Navigation schwierig.»
Es gibt viele Menschen, denen der Bezug von EL wie eine unbezwingbare Mauer vorkommt. Sie sind nicht alleine. Vielleicht haben auch Sie Anspruch darauf. Berechnen Sie ihn hier.
8 Kommentare
Die Erfahrungen, die hier beschrieben werden, nehmen mir echt den Mut.
Für mich heisst es arbeiten, bis ich ins Grab sinke oder irgendwann EL beantragen. Aber alleine schon die Antwort der AHV Stelle unseres Dorfes, als ich gefragt habe, was man macht, wenn man lange auf den EL Bescheid warten muss und man mir lapidar sagte, dann müsse ich halt zum Sozialamt. Diese Aussage fand ich echt das Letzte.
Ich war lange Zeit krank und deswege war ich auch vom Sozialamt unterstützt. Aber niemand bezahlt die Beiträge bei Pensionskasse. Jetzt bekomme eine kleine AHV-Rente. Auch Ergenzungsleistung ist immer gekürzt. Was kann ich mache? Danke für ihre Hilfe.
Dumitru
Sehr geehrter Herr Bojescu
vielen Dank für Ihr Interesse und für Ihre Anfrage. Gerne beantwortet Ihnen diese das Beobachter-Beratungszentrum, wenn Sie sich an uns wenden mögen. Mehr Infos finden Sie auf https://www.beobachter.ch/bera…
Mit bestem Dank und freundliche Grüsse
Ihr Beobachter-Team
Ich verstehe das vollkommen, dass die Rentner keine EL beziehen wollen. Denn noch viele wissen nicht, dass die Kinder das alles in 2 Jahren zurück zahlen müssen!!! Welche Eltern möchten das den Kindern aufbürden ?
Allen ab 65 bedingungslos EL auszahlen. Wer mehr will kann selbst sparen oder sich privat versichern.