Über 300 Personen kommentierten auf Tiktok, Dutzende schickten Leserbriefe und mehr als 4000 unterzeichneten gar eine Onlinepetition zur «Verbesserung der Zustände im Zürcher Tierspital». Die Beobachter-Recherche mit Bildern und Videos aus den Tierställen der universitären Kleintierklinik in Zürich bewegten viele.

Selbst im Tierspital hat man Handlungsbedarf erkannt. Das zeigt ein internes Protokoll der Tierpflegenden von letzter Woche, das dem Beobachter vorliegt. Es gebe «gravierende Mängel» bei der Arbeitsmoral, steht darin. So würden etwa, während die Oberärztin beim Stabilisieren eines Tieres helfe, vier Tierpflegerinnen in einem anderen Raum stehen und keine Hilfe anbieten.

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«Ihr seid hier, um Verantwortung zu übernehmen und professionell zu arbeiten.»

Aus einem inter­nen Protokoll der Tierpflegenden

Auch würden «übermässige Privatgespräche» geführt und viele Aufträge vergessen oder verspätet ausgeführt, darunter auch die «Patientenrunden», also das Gassigehen. Das sei «inakzeptabel», steht im Protokoll weiter. «Ihr seid hier, um Verantwortung zu übernehmen und professionell zu arbeiten.»

Neu würden darum unangekündigte Kontrollen durchgeführt, und jedes Teammitglied müsse fünf Eigenschaften und Tätigkeiten aufschreiben, die eine gute Tierpflegerin ausmachen.

Interpellation im Kantonsrat

Auch in der Politik sind die Missstände angekommen. Die Zürcher GLP-Kantonsrätin Nathalie Aeschbacher reichte diese Woche gemeinsam mit weiteren Parlamentsmitgliedern eine Interpellation im Zürcher Kantonsrat ein – «da uns das Tierspital als wichtige Institution und sein bisher sehr guter Ruf auch über die Kantonsgrenze hinaus am Herzen liegt».

Das Bildmaterial weise auf «systematische Probleme in der Kleintierklinik hin», steht im Vorstoss. Die «übermässig verschmutzten Käfige, Futtergefässe und Liegeplätze» könnten zu «Komplikationen und deutlich längeren Aufenthalten der Tiere in der Klinik führen». Damit verbunden seien «immense Kosten für Halterinnen und Halter» und «massiver Stress» für die Tiere.

Erschreckende Bilder aus dem Tierspital Zürich

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Hunde und Katzen, die in ihrem Kot liegen, Schimmel und multiresistente Keime: Recherchen des Beobachters zeigen erschreckende Zustände in der universitären Kleintierklinik in Zürich.
Quelle: Beobachter Bewegtbild

Der Regierungsrat muss nun Antworten auf die drängendsten Fragen liefern. Etwa: «Wie können die personellen Engpässe am Tierspital vermieden werden, um die hilfs- und pflegebedürftigen Tiere fachgerecht versorgen zu können?» Oder: «Was haben die zuständige Direktion und das Veterinäramt nach der Bekanntmachung der Missstände unternommen?»

Dabei dürfte vor allem das Zürcher Veterinäramt in Erklärungsnot geraten. Einen Tag nach den Enthüllungen im Beobachter sagte ein Sprecher gegenüber «Tele Züri», «pauschale Vorwürfe» würden nicht reichen, um die Situation im Tierspital zu überprüfen.

Veterinäramt beharrt auf «konkrete Meldungen»

Man sei auf «konkrete Meldungen angewiesen», heisst es später auf Anfrage des Beobachters. Um sich ein «eigenes Bild von der Situation» zu machen, habe man das Tierspital aber zu einer Stellungnahme aufgefordert. Weitere Details sind nicht zu erfahren – aus «verwaltungsrechtlichen Gründen».

«Aufgrund der sehr konkreten Missstände und der vorliegenden Bilder und Videos müsste das Veterinäramt von sich aus aktiv werden und eine Untersuchung anstreben, denn es handelt sich dabei um Offizialdelikte», sagt Julika Fitzi, Leiterin Tierschutz und Mitglied der Geschäftsleitung beim Schweizer Tierschutz (STS). Einfach zu erklären, auf Pauschalaussagen hin nicht tätig zu werden, gehe aus Sicht des STS nicht.

Behörde outet den Whistleblower

Nun hat der Whistleblower die Aufnahmen der Gesundheitsdirektion zur Verfügung gestellt. Deren Medienstelle zufolge ist die Zuschrift auch ans Veterinäramt weitergeleitet worden, das sie «als Tierschutz-Meldung aufgenommen hat» und prüft. Verwaltungsrechtlich ist nun aber offenbar die Bildungsdirektion zuständig. «Da das Tierspital zur Universität Zürich gehört, liegt die Zuständigkeit bei der Bildungsdirektion.»

Die Weiterleitung ist gesetzlich vorgegeben, geschah aber ohne Zustimmung des Whistleblowers, und er wurde auch nicht anonymisiert. Eine vorgängige Rückfrage erfolge nur im Ausnahmefall, schreibt die Gesundheitsdirektion dazu. Etwa dann, wenn «klare Hinweise» dafür vorlägen, dass der Absender mit einer Weiterleitung an die zuständige Instanz nicht einverstanden sein könnte. 

Quellen
  • Interpellation Kantonsrat Zürich
  • Internes Protokoll Kleintierklinik universitäres Tierspital Zürich
  • Aufnahmen aus der Kleintierklinik
Buchtipp
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