Das trifft die Armen – und die Kranken
Das Parlament will die Mindestfranchise anheben und damit die Prämienkosten senken. Der Entscheid trifft Armutsbetroffene hart.
Veröffentlicht am 18. Dezember 2024 - 16:53 Uhr
Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat entschieden, dass die Mindestfranchise erhöht werden soll. Ziel der Vorstösse von SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr und SVP-Ständerätin Esther Friedli: die Eigenverantwortung stärken und zukünftige Prämienerhöhungen dämpfen.
Prämiensenkung erwartet
Santésuisse, die führende Branchenorganisation der Schweizer Krankenkassen, begrüsst den Entscheid. Mediensprecherin Irit Mandel erklärt auf Anfrage des Beobachters, dass eine höhere Mindestfranchise – heute liegt sie bei 300 Franken – zu tieferen Prämien führen kann.
Der Bund habe die Franchise seit 20 Jahren nicht erhöht, jetzt müsse etwas getan werden.
Wie hoch der Bundesrat die Mindestfranchise ansetzt, steht noch nicht fest. Laut einem Bericht der Helsana könnten mit einer Mindestfranchise von 500 Franken insgesamt rund 1,2 Milliarden Franken gespart werden. Dies entspräche einer Prämienreduktion von bis zu 160 Franken pro Jahr für jede erwachsene Person.
Ungleiche Auswirkungen
Eine Reduktion der Prämien ist zwar wünschenswert, doch die Erhöhung der Mindestfranchise trifft nicht alle gleich stark. Besonders betroffen sind Personen, die auf eine tiefe Franchise angewiesen sind. Darunter chronisch Kranke, ältere Personen und Menschen mit geringen finanziellen Mitteln.
Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz, kritisiert: «Aus armutspolitischer Sicht ist dieser Entscheid inakzeptabel.»
Menschen an der Armutsgrenze wählen oft die tiefste Franchise, weil sie sich im Krankheitsfall eine höhere Kostenbeteiligung von bis zu 2500 Franken nicht leisten könnten.
Drohende Schuldenfalle bei Krankheit
Das betrifft laut Caritas rund einen Fünftel der Schweizerinnen und Schweizer. Eine höhere Franchise könnte solche Haushalte im Krankheitsfall in eine Schuldenspirale drängen.
Eine Statistik des Dachverbands Schuldenberatung zeigt, dass Krankheit oder Unfall im Jahr 2023 der häufigste Grund für eine Überschuldung war.
Masé warnt zudem, dass bereits heute Menschen auf medizinische Behandlungen verzichten, weil sie die drohenden Kosten nicht tragen können.
«Die Konsequenz ist, dass sie mit Schmerzen durch ihren Alltag gehen oder dass sich gesundheitliche Leiden verschlimmern.» Mit einer Erhöhung der Mindestfranchise könnte die Zahl solcher Fälle weiter zunehmen.
- Parlament.ch: Motion Esther Friedli
- Parlament.ch: Motion Diana Gutjahr
- Helsana: «Erhöhung der Mindestfranchise bringt Einsparpotenzial von 1,2 Milliarden Franken»
- Medienanfrage Caritas
- Medienanfrage Santésuisse
- Schuldenberatung Schweiz: Medienmitteilung
5 Kommentare
Auch wenn alle schreiben, die Inflation sei weg. Auch wenn man es noch so oft schreibt, es stimmt nicht. Die Preise steigen immer noch, die Einkommen grundsätzlich nicht. Und dann ist man als Chronisch-Kranken heute schon den Krankenkassen ausgeliefert ... erhöhte Selbstbeiträge von 20%, 40% oder gar 100%, damit lebe ich heute schon und beziehe nur die verschriebenen Medis. Aber die Götter im BAG haben in Zusammenarbeit mit den kranken Kassen so enge Richtlinien geschnürt, dass man den Zuzahlungen nicht entkommen kann. Und nun will man noch die Mindestfranchise erhöhen? Die spinnen die Politiker. Als Chronisch-Kranker wird einem das Leben unnötig versauert und zerstört.
Der Bundesrat sollte zuerst mal bei den Medikamentenpreisen der Schweizer Pharmariesen ansetzen. Wie kann es angehen, dass Schweizer Medikamente im angrenzenden Ausland teilweise nur einen Drittel oder weniger kosten von dem Preis in der Schweiz? Die Pharmariesen Milliardengewinne machen und unsere Krankenkassenprämien ins uferlose steigen. Und nun will man bei den Schwächsten Einsparungen machen, von den 1,2 Milliarden wird der Prämienzahlen sicherlich nichts spüren, denn die Teuerung schlägt auch nächstes Jahr wieder gnadenlos zu.
Das ist schlicht und einfach UNAKZEPTABEL!! AMEN!! Die Schweizer Politik ist NUR für die Reichen da!!
Warum die Mindest- Franchise nicht nach Einkommen/ Vermögen staffeln?👀🙄 Wer mehr hat, soll auch mehr selbst bezahlen! 🤷🏻♂️