Ein Schmetterling am Oberarm, ein grossflächiger Drache auf dem Rücken, ein Herzchen auf dem Fuss – jede fünfte Person in der Schweiz ist tätowiert. In den meisten Fällen geht alles gut – doch ein wichtiger Risikofaktor bleibt bestehen: die Farbe. 

Schon 2020 hat das Berner Kantonslabor im Rahmen einer Kontrolle festgestellt, dass viele Tattoo- und Permanent-Make-up-Farben nicht unseren gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Von 30 untersuchten Proben erfüllten gerade einmal 10 die Anforderungen – sie stammten allesamt aus Europa.

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Farben aus den USA hingegen enthielten in den allermeisten Fällen nicht zugelassene Konservierungsmittel und krebserregende Stoffe. Kantonschemiker Otmar Deflorin riet deshalb, Produkte bei Schweizer Grossimporteuren zu beziehen, um gesundheitliche Risiken zu minimieren.

EU: Schon länger verschärfte Grenzwerte

Die Europäische Union hat schon vor zwei Jahren reagiert. Seit 2022 sind in der EU nur noch Tattoo-Farben erlaubt, die den Vorgaben der europäischen Chemikalienverordnung Reach entsprechen. Damit gelten neue – noch strengere – Grenzwerte für heikle Inhaltsstoffe.

«Die Beschränkung betrifft zum Beispiel Chemikalien, die Krebs oder genetische Mutationen verursachen, fortpflanzungsgefährdende Chemikalien sowie Hautallergene und Reizstoffe», schreibt die European Chemicals Agency.

Chronische allergische Reaktionen und andere entzündliche Hautreaktionen auf Tätowierfarben und permanente Make-up-Tinten dürften dank der neuen Reach-Regelung ebenfalls zurückgehen, heisst es weiter.

«In der Regel macht das Rot Probleme»

Die Schweiz zieht nun nach. Ab kommendem Februar sind nach einer einjährigen Übergangsfrist auch hierzulande nur noch Reach-konforme Tattoo-Farben erlaubt.

Genau solche Farben nutzte Tätowierer Andreas Schwertfeger. Weil die von ihm bevorzugte rote Farbe aufgrund der EU-Bestimmungen nicht mehr verfügbar war, bestellte er bei einem Schweizer Händler eine konforme Alternative. Innert kürzester Zeit klagten gleich drei seiner Kunden über starke Hautreaktionen. «Ich habe die neuen Farben sofort entsorgt», erzählt der erfahrene Tattoo-Künstler und Inhaber des Studios 32 Tattoo in Bern.

«Eine Tätowierung ist keine Yogastunde. Es wird ein Fremdkörper unter die Haut gestochen.»

Andreas Schwertfeger, Tätowierer

Als er beim Händler reklamiert, gibt dieser zu, dass auch andere Tattoo-Studios Probleme mit der Farbe beklagten. «Wenn eine Farbe Probleme macht, dann in der Regel das Rot», weiss Schwertfeger, der schon seit über 26 Jahren als Tätowierer arbeitet.

Wer also glaubt, dass die neuen Reach-Richtlinien alle Risiken aus der Welt schaffen, der irre sich. «Eine Tätowierung ist keine Yogastunde. Es wird ein Fremdkörper unter die Haut gestochen, und das kann – wenn auch selten – Reaktionen auslösen», sagt Schwertfeger.

Pigmente sind nicht für unter die Haut gemacht

«Rote Farbtöne verursachen häufiger allergische Reaktionen als andere Farben», bestätigt Urs Hauri, Leiter Chromatografie im Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt, der seit über zwei Jahrzehnten Tätowierfarben analysiert. «Wir wissen aber nicht genau, warum das so ist.»

Ein Grundsatzproblem liegt in der Herstellung der Tätowierfarben: Weltweit gibt es keinen Hersteller, der ausschliesslich Farben fürs Tätowieren produziert. Die Pigmente sind also nicht dafür gemacht, unter die menschliche Haut gestochen zu werden, und entsprechend auch nicht so rein wie andere Stoffe, die in unseren Organismus gelangen. 

Infektionen, Ausschlag, Ekzeme und Knoten

Genau deshalb rät Dermatologin Bettina Schlagenhauff von Tätowierungen ab. «Auch wenn die meisten Tattoos keine gesundheitlichen Probleme verursachen, gibt es nicht selten Komplikationen», sagt die Fachärztin für Hautkrankheiten und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie. 

Durch die Verletzung der Hautbarriere können Bakterien, Viren oder Pilze eindringen und zu Infektionen führen. Das passiert in der Regel innerhalb weniger Tage nach dem Stechen. Besonders gefährlich sind schwere Infektionen wie Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. «Die sind dank hoher Hygienestandards in der Schweiz heute allerdings selten», sagt die Ärztin.

Auch die Sonne schadet

Allergische Reaktionen treten bei immerhin etwa 1,2 Prozent der Tattoos auf. Sie äussern sich als Nesselausschlag, Ekzeme oder Knoten. «Besonders häufig sind solche Reaktionen bei roten oder gelben Tätowierungen», erklärt die Hautärztin. Ein Grossteil der unerwünschten Reaktionen entsteht möglicherweise nicht direkt aus dem Tintengemisch, sondern aus dessen Abbauprodukten in der Haut.

«Bei Hautausschlägen bei einer frischen Tätowierung sollte man unbedingt zum Arzt gehen.»

Bettina Schlagenhauff, Dermatologin

Eine weitere Komplikation sind Granulome, eine Fremdkörperreaktion auf die Tinte. Sie treten häufig bei schwarzen Tattoos auf und können auch Anzeichen einer entzündlichen Erkrankung wie zum Beispiel der systemischen Sarkoidose sein, die auch andere Organe betreffen kann. «Intensive Sonnenbestrahlung scheint dabei häufig eine Rolle zu spielen», sagt Schlagenhauff.

«Die Hersteller haben ein grosses Eigeninteresse daran, schnell gute Ersatzfarben zu liefern.»

Michael Schraner alias Mick, Tätowierer

Aufmerksam sollten frisch Tätowierte werden, wenn sich die Abheilung verzögert, sich Krusten oder Schwellungen bilden. Aber auch, wenn die Hautstelle wärmer wird oder sogar schmerzt – und wenn man Fieber bekommt. «Auch bei Hautausschlägen im Zusammenhang mit einer frischen Tätowierung sollte man unbedingt zum Arzt gehen», sagt Schlagenhauff.

Tatsächlich können sogar Leute ohne Allergien oder sonstige Erkrankungen im Laufe der Jahre eine Sensibilisierung und später eine Allergie entwickeln. Umso wichtiger sei es, die Empfehlungen zur Nachbehandlung strikt einzuhalten, um Komplikationen zu vermeiden.

In Zukunft nur noch bleiche Tattoos?

Gesundheitliche Bedenken hin oder her – Tatsache ist, dass viele gern eine Tätowierung möchten. Müssen sie sich neuerdings mit bleichen, eintönigen Sujets zufriedengeben?

Nein, versichert Michael Schraner alias Mick – einer der bekanntesten Tätowierer der Schweiz. Tattoo-Begeisterte können sich trotz neuer Verordnung weiterhin über bunte Kunstwerke auf der Haut freuen: «Bestimmte Farbtöne wurden aufgrund der neuen Verordnung vom Markt genommen. Aber die Hersteller haben ein grosses Eigeninteresse daran, schnell guten Ersatz zu liefern.»

Er selbst setze ohnehin seit 30 Jahren auf eine möglichst kleine Farbpalette und habe in dieser Zeit nie Ärger damit gehabt. «Ich habe ja schliesslich kein Interesse daran, Gift in die Leute zu stechen. Ich will, dass meine Kundinnen und Kunden gesund bleiben und Freude an ihren Tätowierungen haben.»

Was macht ein sicheres Tattoo-Studio aus?
  • Hygiene und Sauberkeit: Das Studio sollte sauber und ordentlich wirken. Sterile Einwegmaterialien und desinfizierte Arbeitsflächen sind ein Muss.
  • Qualifikation und Beratung: Ein guter Tätowierer kann seine Erfahrung nachweisen. Eine ausführliche Beratung vor dem Tätowieren ist wichtig, um alle Fragen und Bedenken zu klären.
  • Künstlerisches Können: Schauen Sie sich das Portfolio der Tätowiererin an.
  • Verwendung hochwertiger Farben: Tätowierer dürfen nur Farben verwenden, die vom Hersteller als Reach-konform deklariert werden. Fragen Sie am besten direkt nach, ob das der Fall ist. 
  • Kundenbewertungen: Schauen Sie sich die Bewertungen anderer Kundinnen und Kunden an oder lassen Sie sich direkt Empfehlungen geben. 
  • Transparente Preise: Die Kosten müssen klar kommuniziert werden. Billigangebote sollten eher Anlass zu Misstrauen als zu Freude geben. 
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