Gesunder Wein? Leider nein
Ein «Gläsli fürs Herz»: Entsprechende Studien waren schlampig und teils von der Alkoholindustrie finanziert.
Veröffentlicht am 19. April 2024 - 15:38 Uhr
Ein Glas Rotwein am Tag schützt das Herz: Das ist das Ergebnis vieler US-Studien aus den 1980er- und 1990er-Jahren. Wer eine moderate Menge trinkt, habe ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als jemand, der nicht trinkt. Verantwortlich dafür seien die Polyphenole aus der roten Traube. Mit dieser Erkenntnis sind viele aufgewachsen. Deshalb gehört das Glas Rotwein bei ihnen zum «gesunden mediterranen Lebensstil».
«Dabei hat diese Aussage nie gestimmt», sagt der Präventivmediziner und Gesundheitswissenschaftler David Fäh von der Berner Fachhochschule.Er sagt: Man sollte Alkohol nicht mit gutem Gewissen trinken oder denken, dass man dabei gar etwas Gutes tue.
Die krummen Studien
Denn in den letzten fünf Jahren haben Studien die alten, zum Teil von der Alkoholindustrie unterstützten Untersuchungen neu analysiert und kommen zum Schluss: Damals war die Vergleichsgruppe schlampig ausgewählt. Darin gab es Personen, die nie Alkohol tranken. Aber auch solche, die teilweise sehr viel konsumiert hatten und aufhören mussten. Der Alkohol hatte bereits Schäden hinterlassen.
«Daher ist es kein Wunder, dass die Gruppe der moderaten Rotweintrinker in Sachen Herzgesundheit damals im Vergleich besser abschnitt», sagt David Fäh. Zudem räumen die neuen Studien mit einem weiteren Trugschluss auf: Moderate Rotweintrinker leben nicht länger als Nichttrinker.
Höheres Risiko für Krebs und Hirnschlag
«Rein biologisch betrachtet, schützt moderater Konsum von Rotwein tatsächlich die Herzkranzgefässe vor Diabetes oder hohem Cholesterin», sagt Fäh. Doch dabei handelt es sich nur um einen sehr kleinen Effekt. Das erkaufe man sich jedoch mit einem weitaus höheren Risiko für Krebs, Hirnschlag, Bluthochdruck, Unfälle und Stürze, Gewichtszunahme oder Wechselwirkungen mit Medikamenten.
Auch der Internist Paolo Suter vom Unispital Zürich beschäftigt sich seit langem mit dem Alkoholstoffwechsel. Er sagt: Es könne durchaus bei dem einen oder anderen durch moderaten Alkoholkonsum zu schützenden Effekten kommen. Diese Individuen zu identifizieren, sei jedoch nicht möglich. Und auch die Frage, wie viel Alkohol sicher ist, sei individuell unterschiedlich und hänge auch von Faktoren wie Genen, Umwelteinflüssen, Alter, Lebensstil, Ernährung, Bewegung, Schlaf oder Körpergewicht ab.
«Ich denke, ein- oder zweimal im Monat ein Glas Rotwein im sozialen Rahmen ist okay.»
Paolo Suter, Internist, Unispital Zürich
Zudem gibt es Menschen, die so veranlagt sind, dass schon wenig Alkohol genügt, um bei ihnen Krebs zu begünstigen. Insgesamt sind sieben Krebsarten und 200 Krankheiten bekannt, die der Alkohol stimuliert.
Wer raucht oder an Vorerkrankungen wie Leberproblemen, hohem Blutdruck oder einer entzündlichen Darmerkrankung leidet, hat ein noch höheres Risiko. Dann kann der Stoffwechsel die teils hoch krebserregenden Abbauprodukte von Alkohol wie Acetaldehyd oder freie Radikale nicht mehr schnell genug unschädlich machen.
Eine sichere Menge gibt es nicht
«Neuere, gut durchgeführte Studien zeigen, dass es keinen sicheren Alkoholkonsum gibt», sagt Suter. Wer aus Genussgründen nicht verzichten wolle, solle zumindest darauf achten, dass der Konsum möglichst niedrig bleibe. «Ich denke, ein- oder zweimal im Monat ein Glas Rotwein im sozialen Rahmen ist okay», sagt Suter.
Ausserdem sei es sinnvoll, ihn zum Essen zu konsumieren und vorher genügend Wasser zu trinken, damit der Alkohol kein Durstlöscher sei. Zudem sollten stets alkoholfreie Tage eingelegt werden, damit sich die Zellen von den schädlichen Stoffwechselprodukten erholen können.
Die gesündere Alternative
Die gesündere Alternative sind alkoholfreie Rotweine. Sie enthalten ebenso die schützenden Polyphenole und Antioxidantien. Ob diese aber auch ohne -Alkohol einen positiven Effekt haben, wurde noch nicht untersucht.
Wie auch immer: Angebot und Qualität von alkoholfreiem Rotwein sind in den letzten Jahren gestiegen, weil die Nachfrage immer grösser wird.
4 Kommentare
Wozu brauchen Sie Studien? Dass jedes besaeufniss viele Hirnzellen toeted, war mir schon vor Jahrzehnten bekannt. Ebenso dass die "bekannten", befuerwortenden Studien von Weinfabrikanten / Haendlern finanziert wurden. Und das sagt doch wohl genug.
Ein- oder zweimal im Monat EIN Glas Wein sei o.k.! Von einem Extrem ins andere. Eine Studie darüber gibt es nicht? Ihre Aussage ist demnach eben so unglaubwürdig. Predigen Sie das im Tessin oder im Welschland.
Sehr erfreulich, dass Der Beobachter nun in der Alkoholfrage zu seiner normalen kritischen Haltung gefunden hat, nachdem er während Jahrzehnten stur die Alkoholindustrie unterstützt hat.
Die im Artikel erwähnten fehlerhaften Untersuchungen haben international angesehene Fachleute schon lange kritisiert, wurden aber lange nicht gehört. Viele dieser Studien sind noch auf meiner Webseite zu finden: www.alkoholpolitik.ch. Übrigens: Roter Traubensaft enthält alle wertvollen Inhaltsstoffe. Aber auch viel natürlichen Zucker. Nach Bedarf mit Wasser verdünnt, kühl serviert, wird er zum köstlichen Durstlöscher.
"Die im Artikel erwähnten fehlerhaften Untersuchungen haben international angesehene Fachleute schon lange kritisiert, wurden aber lange nicht gehört": Lange nicht gehört wurden (oder durften?) fehlerhafte Untersuchungen, Uebertreibungen sowie Unterschlagungen zugunsten der Herstellerinnen und Händlerinnen der Tabakindustrie sowie der Asbestindustrie, ganz aktuell auch der Mobilfunkindustrie.