Politik macht Druck auf das Spital Oberengadin
Das Spital Oberengadin verstiess von 2022 bis 2024 massiv gegen das Arbeitsgesetz. Jetzt fordern Politikerinnen und Politiker eine Aufarbeitung.
Veröffentlicht am 24. Februar 2025 - 10:40 Uhr
Eine Ärztin arbeitete 32 Stunden am Stück: Spital Oberengadin in Samedan
Das Spital Oberengadin in Samedan GR steht wegen massiver Verletzungen des Arbeitsgesetzes in der Kritik. Das zeigen zwei alarmierende Berichte des Bündner Arbeitsinspektorats, deren Inhalt der Beobachter Mitte Februar publik machte.
Im neusten Bericht vom 2. Dezember 2024 wird der Fall einer Assistenzärztin beschrieben, die an einem Wochenende 32 Stunden am Stück arbeitete. Hinzu kommen weitere «gravierende Verstösse» gegen das Arbeitsgesetz. Der vorherige Bericht vom 31. Oktober 2023 zählte über 3000 Verstösse für die Jahre 2022 und 2023 auf. Was überlange Schichten bedeuten, schildert eine betroffene Person so: «Wir haben uns für eine Stunde auf den Operationstisch gelegt, bevor es weiterging.»
Mehrere Engadiner Politiker und Politikerinnen fordern jetzt die Verantwortlichen der Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin (SGO) auf, eine unabhängige Untersuchung in Auftrag zu geben. Der regionale FDP-Präsident Leandro Testa will wissen: «Wo und warum hat das Führungssystem versagt?» Es brauche eine Aufarbeitung, um daraus zu lernen und es in Zukunft besser zu machen, fordert er gegenüber dem Beobachter.
Zukunft mit Kantonsspital?
«Das Ausmass der Verstösse gegen das Arbeitsgesetz hat mich erstaunt», sagt Franziska Preisig, Grossrätin und Co-Präsidentin der regionalen SP. «Hier wurde auf Kosten der Mitarbeitenden gespart und die Patientensicherheit gefährdet.» Eine externe Untersuchung müsse klären, seit wann unhaltbare Zustände geherrscht hätten. Preisig fordert auch, dass die Berichte des Arbeitsinspektorats veröffentlicht werden.
Verantwortlich für die Einhaltung des Arbeitsgesetzes war bis Mitte September 2024 die frühere SGO-Geschäftsführerin Susanne Stallkamp. Auf die Frage, warum die Mängel nicht behoben wurden, erklärt sie, es seien unter anderem eine Personalkommission eingesetzt und eine vertrauliche Ansprechstelle für Mitarbeitende geschaffen worden. «Enorme finanzielle Herausforderungen» hätten jedoch kurzfristige Anpassungen erschwert.
Dass es in der Gesundheitsbranche möglich ist, das Arbeitsgesetz einzuhalten, zeigt das Nachbarspital in Scuol.
Mitte Januar räumte die Stiftung erstmals arbeitsrechtliche Probleme ein. Für die Zukunft schlägt sie einen Zusammenschluss des Spitals mit dem Kantonsspital Graubünden vor. Im April stimmt die Bevölkerung darüber ab. SGO-Verwaltungsratspräsidentin Prisca Anand versichert, dass die heutige Spitalleitung «intensiv und im engen Austausch mit dem Arbeitsinspektorat an der Behebung der beanstandeten Mängel» arbeite.
Dass es in der Gesundheitsbranche möglich ist, das Arbeitsgesetz einzuhalten, zeigt das Nachbarspital in Scuol im Unterengadin. Auch dort führte der Arbeitsinspektor im September 2023 eine Kontrolle durch – und sprach danach ein Lob aus. «Wir konnten mit Freude feststellen, dass das Gesundheitszentrum Unterengadin die Regeln des Arbeitsgesetzes vorbildlich anwendet», teilte das Gesundheitszentrum mit.
Im eigenen Interesse der Kliniken
Philipp Rahm vom Ärzteverband VSAO unterstützt Kliniken bei der Einhaltung des Arbeitsgesetzes. Es sei für die Spitäler der gesamten Schweiz eine Herausforderung, die Vorgaben in einem 24-Stunden-Betrieb einzuhalten – aber auch in ihrem Interesse, sagt er. «Mit einer guten Dienstplanung, die das Arbeitsgesetz berücksichtigt, lassen sich auch langfristig attraktive Arbeitsstellen anbieten.»
1 Kommentar
Ja, leider ist es genau so. Um ein wenig Geld zu sparen, entlassen sie gut qualifizierte Personen, um Leute einzustellen, die keine Ahnung haben, was es bedeutet, die Arbeit in einem Krankenhaus voranzubringen. Ich spreche vor allem von höheren Positionen... Danach passiert es, dass Arbeiten, die von zwei Personen erledigt wurden, von einer einzigen Person zur gleichen Zeit erledigt werden müssen. Es ist mehr als klar, dass eine Person das alleine nicht schafft, sie wird weiterhin von ihrem neuen Chef kritisiert und am Ende passiert es, wie bei vielen meiner Kollegen, dass sie in der Psychiatrie landen. In letzter Zeit habe ich viele so enden sehen.
Diese Situation schafft nicht nur ein toxisches und unhaltbares Arbeitsumfeld, sondern beeinträchtigt auch die Qualität der angebotenen Pflege für die Patienten. Wenn qualifizierte Fachkräfte durch weniger erfahrene und überlastete Personen ersetzt werden, leidet die Sicherheit und das Wohlbefinden der Patienten darunter. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Gesundheitseinrichtungen die Wichtigkeit erkennen, in qualifiziertes Personal zu investieren und es angemessen zu unterstützen, um einen qualitativ hochwertigen Service und ein gesundes Arbeitsumfeld für alle zu gewährleisten.