Sandra Navarro und Jorge Saiz wollen gerade das Haus verlassen, als sie ein Anruf aus dem Katastrophengebiet erreicht. Spanien ist von einem Jahrhundert-Unwetter erfasst worden.

Die Schäden sind immens. Mehr als 200 Menschen wurden von der Flut getötet, zahlreiche werden noch vermisst, die Infrastruktur ist zusammengebrochen. «Wir brauchen nicht noch mehr Helfer, sondern eine bessere Organisation», sagt der Freund am anderen Ende der Leitung.

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Die Karte zeigt, wer welche Hilfe braucht

Also zieht das Paar aus Valencia die Stiefel wieder aus, setzt sich an den Computer und tut, was es am besten kann: programmieren. Innerhalb weniger Stunden haben die beiden eine interaktive Karte erstellt, die anzeigt, wer an welchem Ort welche Hilfe braucht. Mit Adresse und Telefonnummer.

So wird am dritten Tag nach der Katastrophe Ayudaterreta geboren – eine Website, die sich zunächst in Whatsapp-Gruppen und schliesslich über Influencer verbreitet. 

Zusätzliche Unterstützung ist nötig

Im Katastrophengebiet fehlte es zunächst an allem: Trinkwasser, Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente. Hunderttausende sind direkt oder indirekt von den Hochwassern betroffen – dennoch verzichtete die Regionalregierung wie auch jene in Madrid darauf, die höchste Alarmstufe auszurufen.

Inzwischen sind zwar Tausende von Streitkräften und Rettungsteams vor Ort, doch die Leute sind auf zusätzliche Hilfe angewiesen – und finden sie auf der neuen Website.

Was, wenn die Medikamente ausgehen?

Das Zuhause von Sandra Navarro und Jorge Saiz verwandelte sich kurzerhand in ein Zentrum der digitalen Katastrophenbewältigung. «Zu Beginn schliefen wir wenig und assen kaum», erinnert sich Saiz, der für die Softwareentwicklungsfirma Mimacom mit Sitz in Zürich arbeitet. Es zählte jede Sekunde, zumal Dutzenden Menschen die Medikamente ausgingen, etwa Insulin. 

Als der Geschäftsführer von Mimacom von der interaktiven Online-Karte erfuhr, sicherte er den Initianten volle Unterstützung zu. Die Firma betreibt seit bald 20 Jahren eine Niederlassung in Spanien und beschäftigt rund 200 Mitarbeitende; die meisten davon leben in Valencia. Das Schweizer Unternehmen zügelte die Online-Karte auf einen grösseren Server und professionalisierte sie mit Hilfe weiterer Programmierer.

Die Regionalverwaltung nutzt die Karte ebenfalls

Selbst die Regionalverwaltung greift für die Koordination der Hilfe inzwischen auf Ayudaterreta.com zurück. Dazu geäussert hat sie sich gegenüber dem Beobachter bislang nicht. 

Drei Wochen nach der Katastrophe sind Fachleute wie Elektriker, Maurer oder Sanitäre für den Wiederaufbau im Einsatz. Gemäss Jorge Saiz geht es nun darum, die Freiwilligen dafür zu sensibilisieren, ihre Kräfte einzuteilen. «Denn die Menschen hier werden noch lange Hilfe brauchen.»