Reiche schaden dem Klima mehr als alle anderen
Dreimal mehr Treibhausgase als jemand aus dem Mittelstand – braucht es höhere CO₂-Steuern für Reiche? Fragen und Antworten.
Veröffentlicht am 5. Januar 2024 - 06:00 Uhr
Wie stark belasten die Reichsten die Umwelt?
Wer in der Schweiz zur Oberschicht gehört, belastet das Klima fast dreimal mehr als eine Person aus der Mittelschicht. Das legen Zahlen der Welt-Ungleichheits-Datenbank (World Inequality Database) nahe, die von der École d’Économie von Paris sowie der Universität Berkeley in den USA betreut wird. Die Reichen belasten die Umwelt demnach im Durchschnitt stärker, weil sie eher viel mit dem Flugzeug reisen, eher einen Zweitwagen, ein Ferienhaus oder einen Privatjet besitzen sowie eher in Firmen investiert sind, die Treibhausgase ausstossen.
Ist das ein Problem?
Eine Person aus der Schweizer Oberschicht verursacht gemäss Autoren im Durchschnitt zehnmal mehr Treibhausgase als eine Person aus der Schweizer Unterschicht. Doch beide Personengruppen müssen dieselben Lenkungsabgaben zum Schutz des Klimas zahlen: zum Beispiel auf Heizöl. Die Oberschicht spürt diese Abgaben aufgrund des hohen Einkommens aber weniger. Die Autoren des Klima-Ungleichheitsreports 2023 schreiben deshalb, dass eine Umweltpolitik, die sich auf nationale Durchschnittswerte konzentriert, ihre CO₂-Einsparziele nur schwerlich erreichen könne.
Wie verlässlich sind die Angaben?
Die grossen Unterschiede zwischen Arm und Reich kommen zustande, weil die Berechnung nicht nur den Konsum, sondern auch das Sparen und Investieren berücksichtigt. Wer mehr besitzt, kommt deshalb automatisch weniger gut weg. Die Urheber der Welt-Ungleichheits-Datenbank sagen deshalb selbst, dass ihre Daten bloss ungenaue Näherungswerte seien.
Welche Diskussionen gibt es im Schweizer Parlament dazu?
Grüne haben einen Vorstoss eingereicht, der den höheren CO₂-Ausstoss der Reichen besteuern will – mit einer progressiven CO₂-Steuer. Die CO₂-Steuer soll funktionieren wie die Bundessteuer: Arme, die kaum CO₂ ausstossen, bezahlen nichts. Reiche dafür umso mehr. Das Parlament wird den Vorstoss demnächst diskutieren.
Gibt es Volksinitiativen dazu?
Im US-Bundesstaat Kalifornien wurde eine Klimasteuer für Reiche vor einem Jahr in einer Volksabstimmung mit 58 Prozent abgelehnt. Die Volksinitiative hatte gefordert: Wer über zwei Millionen Dollar verdient, muss auf dem Einkommen, das über dieser Schwelle liegt, eine 1,75-Prozent-Klimasteuer bezahlen. Die Schweizer Linke will daran anknüpfen. Die Juso sammeln derzeit Unterschriften für eine Erbschaftssteuer ab 50 Millionen Franken. Der Erlös soll dem Klima zugutekommen.
Privatjets und Businessjets verursachen pro Jahr rund 200’000 Tonnen CO₂. Das entspricht 4,4 Millionen Autofahrten von Genf nach St. Gallen.
Was sagt der Bundesrat dazu?
Der Bundesrat hält von einer progressiven CO₂-Steuer nichts. Es gebe zum individuellen CO₂-Verbrauch keine verlässlichen Daten, deshalb könne man diesen auch nicht individuell besteuern. Das Problem: Bei einer progressiven CO₂-Steuer nach Einkommensklassen würde eine Sippenhaft gelten. Wer superreich wäre, aber wie ein Einsiedler im Wald lebte, müsste eine gleich hohe CO₂-Steuer bezahlen wie ein Ölinvestor mit Privatjet.
Wo sieht die Politik Handlungsbedarf?
Die zuständige Nationalratskommission wollte pro Privatjet-Flug eine Klimaschutzabgabe von 500 bis 3000 Franken einführen. Damit «Privat- und Businessflüge, die besonders hohe Pro-Kopf-Emissionen verursachen, einen zusätzlichen finanziellen Beitrag leisten». Doch der Rat lehnte das Vorhaben kurz vor Weihnachten ab – denn die Abgabe bringe nichts. «Wie soll man den Leuten auf der Strasse erklären, dass sie beim Klimaschutz mithelfen sollen, wenn jene im Privatjet ihren Beitrag nicht leisten?», hiess es bei den Grünen als Reaktion.
Sind Privatjets ein Problem?
Privatjets verursachen 4,7 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Zivilluftfahrt ab Schweizer Flugplätzen, obwohl sie nur rund 2,45 Prozent aller Starts und Landungen ausmachen, heisst es beim Bundesamt für Zivilluftfahrt. Der CO₂-Ausstoss von Privatjets ist also überproportional gross. Der Flughafen Basel wird dabei allerdings nicht mitgezählt, da er auf französischem Territorium liegt. Privatjets und Businessjets verursachen pro Jahr rund 200’000 Tonnen CO₂. Das entspricht 4,4 Millionen Autofahrten von Genf nach St. Gallen mit einem neuen Benziner.
8 Kommentare
JUSO-Rezept ist erfolgreich.
JUSO und SP agieren in der Schweiz mit dem immer gleichen Vorgehen erfolgreich. Die JUSO stellen mittels Initiative eine extreme Forderung auf. Die Mutterpartei SP antwortet mit einem gemässigteren Gegenvorschlag. Die Mainstream-Medien anerkennen das Politproblem und unterstützen den Gegenvorschlag. Die Linke erhält am Schluss, was sie will: höhere Steuern zur Finanzierung ihres Wunschbedarfs.
und wann ist man reich?
Typisch schweizerische (Klima-und Sozial)politik!! Die ärmsten unterstützen im wahrsten Sinne des Wortes die Reichen, anders kann man es wirklich nicht sagen!
Den Vogel abgeschossen haben die Tessiner. Da werden die Reichen in Zukunft weniger besteuert!
Eine Lenkungsabgabe mit gleichmässiger Rückerstattung wäre viel einfacher und effizienter: alle bezahlen nach ihrem Verbrauch, alle bekommen nach Köpfen gezählt, die Betriebe nach AHV Lohnsumme gleichviel zurück. So werden die Sparsamen belohnt, die grosszügig Ausgebenden bezahlen etwas mehr. Seit 20 Jahren macht die iwb in Basel das erfolgreich vor. Der administrative Aufwand liegt bei einer Vollstelle für den ganzen Kanton BS. Nur sollte die Abgabe um einiges höher sein, um einen höheren Impact zu haben!