Ein parlamentarischer Vorstoss von SVP-Nationalrat Toni Brunner wollte erreichen, dass Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz nicht mehr heiraten dürfen. Bereits bei den Beratungen im Parlament monierten Kritiker, ein solches Heiratsverbot verstosse gegen die Ehefreiheit und damit gegen die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Die neue Bestimmung (Art. 98 Abs. 4 ZGB) wurde trotzdem beschlossen und trat auf Anfang Jahr in Kraft, weil sie gemäss Parlament und Bundesrat noch Spielraum für eine menschenrechtskonforme Auslegung lasse.

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Jetzt hat das Bundesgericht den Weg aufgezeigt, wie dies geschehen soll. Die Fremdenpolizeibehörden müssen gemäss Bundesgericht die Verhältnismässigkeit wahren und das Recht auf Eheschluss beachten. Allenfalls müssen sie für die Zeit der Ehevorbereitung auch eine provisorische Aufenthaltsbewilligung erteilen.

Das gilt aber nur, wenn keine Indizien für einen Missbrauch - also eine Scheinehe – vorliegen, und wenn klar ist, dass die ausländische Person sich nach der Heirat rechtmässig in der Schweiz aufhalten kann.

Wenn hingegen klar ist, dass eine Person nach der Heirat die Schweiz eh verlassen muss, gibt es gemäss Bundesgericht keinen Grund, eine solche Aufenthaltsbewilligung zwecks Ehevorbereitung zu erteilen. Dies sei Ziel und Zweck des neuen Gesetzes, urteilten die Bundesrichter.

Der konkrete Fall betrifft ein Paar aus dem Kanton Waadt, bei dem die Zivilstandbehörden nun prüfen müssen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

Das Präjudiz wird auch Auswirkungen auf alle hängigen kantonalen Verfahren haben. So verweigerte etwa das Stadtzürcher Zivilstandsamt Ende April 2011 einem Iraner die Ehe mit einer Schweizerin einzig und alleine, weil er keine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen konnte. Das Gemeindeamt des Kantons Zürich hob den Entscheid auf, weil menschenrechtswidrig der Spielraum des Zivilgesetzbuches
nicht ausgeschöpft worden sei.

Das Bundesamt für Justiz (BJ) focht den Entscheid Anfang September vor Zürcher Verwaltungsgericht an, weil die neue Gesetzesbestimmung gar keinen Interpretationsspielraum lasse. Wer keine gültigen Aufenthaltspapiere habe, könne auf keinen Fall heiraten. Diese Argumentation des BJ ist nach dem Präjudiz aus Lausanne nicht mehr haltbar.