Wer Milch zu Käse verarbeitet, erhält für jedes Kilo Milch 15 Rappen aus der Bundeskasse – 300 Millionen Franken an Subventionen fliessen so jährlich in die Käseproduktion. Das Parlament hat im Dezember diese sogenannte Verkäsungszulage erneut gebilligt, obwohl sie sonderbare Blüten treibt. So wird etwa tonnenweise Magerkäse hergestellt, der so ziemlich das Gegenteil dessen ist, was man sich unter einem Schweizer Käse vorstellt: Der Fettanteil liegt bei weniger als 15 Prozent, oft ist er bei null. Übrig bleibt eine undefinierbare, nicht essbare Milcheiweiss-Masse, die beschönigend Industriekäse genannt wird.

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Seit vier Jahren nimmt die produzierte Menge dieses fettlosen Käses Jahr für Jahr zu und erreichte Ende 2012 mit fast 5000 Tonnen einen neuen Rekordwert. Das ist rund fünfmal mehr als zu Zeiten der Milchkontingente (siehe Grafik).

Quelle: Treuhandstelle Milch; Infografik: Beobachter/DR

Quelle: Sigi Tischler/Keystone

Damals ging es darum, den staatlich gelenkten Milchmarkt in einen freien Wettbewerb zu überführen. Die Verkäsungszulage wurde zum Kernelement der neuen Milchmarktordnung. Sie sollte den Bauern einen akzeptablen Milchpreis garantieren und den Käsereien den Rohstoff Milch so weit verbilligen, dass sich ihr Käse gegen die Konkurrenz im Ausland behaupten kann.

Sogar an die Schweine verfüttert

Heute entpuppt sich das Modell als Einladung für Absahner. Just als die Milchkontingente 2009 aufgehoben wurden, schoss die Produktion von No-Name-Käse und Magerkäse in die Höhe. Seither stellen die subventionierten Käser massenweise Ware her, die sie im Ausland verramschen müssen. Ein grosser Teil des Magerkäses wird nach Deutschland exportiert. Hartnäckig hält sich in der Branche aber auch das Gerücht, die Milcheiweiss-Masse werde hierzulande an die Schweine verfüttert.

In Deutschland dient der Schweizer Magerkäse als Rohstoff für künstlichen Käse, sogenannten Analogkäse. Die Masse vermischt man mit Wasser und Pflanzenfett, hinzu kommen Aromastoffe. Dieses Käse-Imitat gibt es in allen Geschmacksrichtungen, als Edamer, Cheddar, Gorgonzola, Parmesan, Feta oder Mozzarella. Der in Bayern ansässige US-Aromaspezialist Jeneil Bioproducts führt sogar ein Aroma namens «Swiss Cheese» im Angebot.

Hersteller nennen ihre Produkte dann «geriebenen Käse mit Käseersatz» oder «Mozzarellaersatz». Der «Käse» landet auch unter Phantasienamen wie «Gastromix» oder «Pizzamix» bei deutschen Grossverteilern, auf Fertigpizzen, Käsekuchen und Käsebrötchen, mitunter sogar in der Gastronomie, wie Lebensmitteltests belegten.

Und plötzlich ist die Milch gratis

Der künstliche Käse hat einen grossen Vorteil: Im Ofen kann Analogkäse problemlos auf 400 Grad erhitzt werden. Temperaturen, bei denen richtigem Schweizer Käse längst das Fett davonläuft. Genauso wichtig ist der Preis: Das Käsewerk Hoffmann im deutschen Mecklenburg gibt zu, dass Analogkäse rund 40 Prozent billiger sei als richtiger Käse. Das dafür verwendete Pflanzenfett kostet pro Kilo nämlich nur 80 Cent, reines Milchfett dagegen drei Euro.

Ob die Schweizer Bauern von der Verkäsungszulage profitieren, ist unklar. In der Zeitschrift «Alimenta», der Fachpublikation der Lebensmittelindustrie, musste Jacques Chavaz, Vizedirektor des Bundesamts für Landwirtschaft, gestehen, dass die Verkäsungszulage vermutlich nicht die Bauern stütze, sondern in die «nachgelagerten Stufen» fliesse – also in die Taschen der Milchverarbeiter.

Wie das funktioniert, zeigt eine simple Rechnung: Zählt man zum EU-Milchpreis von 42 Rappen pro Kilo Milch die Verkäsungszulage von 15 Rappen sowie drei Rappen Siloverzichtszulage dazu, müsste der Schweizer Bauer eigentlich 60 Rappen erhalten. In der Realität erhält er aber oft nur 50 Rappen oder weniger.

Kreative Milchverarbeiter beschaffen sich die Milch sogar zum Nulltarif, wie verschiedene Fachleute dem Beobachter bestätigen. Industrielle Käsereien kaufen sie für knapp 50 Rappen, kassieren aber gleichzeitig 15 Rappen Verkäsungszulage (plus drei Rappen Siloverzichtszulage). Damit kostet sie das Kilo Milch noch 32 Rappen. Diesen Rest wiederum lassen sie sich indirekt von den Milchbauern finanzieren. Und zwar so: Wenn bei der Magerkäseproduktion der Milch das Fett entzogen wird, entsteht zusätzlich Butter. Weil es aber bisher zu viel Butter gab, verbilligte der von den Bauern gespeiste «Marktentlastungsfonds» das Kilo Butter für den Export so weit, dass auch diese restlichen 32 Rappen finanziert waren.

Einige Betriebe beschaffen sich die Milch aber für weit unter 50 Rappen, womit die Rechnung noch besser aussieht. Die kursierenden Gerüchte, wonach der Magerkäse nicht einmal mehr exportiert, sondern an die Schweine verfüttert wird, wären einleuchtend.

«Nicht No-Name-Käse exportieren»

Werner Locher, Sekretär des Milchproduzentenvereins Big-M, kritisiert diese Art der Subventionspolitik offen. Die Verantwortlichen für die Misere ortet er im Bundesamt für Landwirtschaft. «Wir werden den Schlamassel erst gelöst haben, wenn die Bauern nur so viel Milch produzieren, wie man zu hochwertigen Milchprodukten verarbeiten kann. Diese Menge darf sich nur an den real vorhandenen Absatzmöglichkeiten orientieren.»

«Wir haben schon vor zwei Jahren beim Bundesamt für Landwirtschaft interveniert, passiert ist aber lange nichts», sagt auch Jacques Gygax, Direktor von Fromarte, einem Zusammenschluss von 600 gewerblichen Käsereien. Das ärgert ihn, denn: «Wir wollen nicht massenweise No-Name-Produkte exportieren, sondern Qualitätskäse.»

Jetzt will das Bundesamt für Landwirtschaft die Verordnung doch noch ändern und den Magerkäse von staatlichen Zuschüssen ausklammern. Ganz so schnell geht das aber nicht: 2013 dürfen die Industriekäsereien noch einmal kräftig absahnen.