«Hat der Mann, der am 31. Januar 2023 in einem SBB-Zug einen Herzstillstand erlitt, überlebt?» Diese Frage stellt sich Timo Gierisch noch heute. «Ich fuhr mit dem IC1 um 12.20 Uhr von Lausanne ab. Fünf Minuten später kam die Durchsage: Medizinisch geschultes Personal solle bitte zu einem bestimmten Waggon kommen.»

Gierisch, der Sozialpädagogik auf dem zweiten Bildungsweg studiert, hat eine medizinische Erstausbildung. Er habe sich sofort zu dem Waggon begeben. Dort versuchte eine junge Ärztin bereits, einen Mann zu reanimieren. «Einen Defibrillator gab es laut Zugpersonal im ganzen Zug nicht. Auch nicht im nächsten Bahnhof, in Palézieux, wo der Zug rund zehn Minuten später wegen des Notfalls ausserordentlich anhielt», sagt Gierisch. 

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Täglich befahren rund 1000 Zugkompositionen der SBB 7500 Strecken auf dem Schweizer Schienennetz. Gerade mal 100 sind mit einem Defibrillator ausgerüstet. «Dieser Anteil wird mit der Inbetriebnahme von weiteren, modernen Zugkompositionen sukzessive zunehmen», sagt Sprecher Felix Bossel. «Die SBB  haben nur an den grossen Bahnhöfen eigene Defibrillatoren.» An den anderen Standorten würden sie gemeinsam mit Dritten wie Gemeinden oder Geschäftsmietern angeboten. Oder es befinde sich bereits ein Rettungsstützpunkt in unmittelbarer Nähe.

Defibrillatoren in Fernzügen

Dass die meisten SBB-Züge keine Defibrillatoren mitführen, ist dem Tessiner Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi seit 2016 ein Dorn im Auge. Er nahm damals die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels – dem mit 57,4 Kilometern längsten Tunnel der Welt – zum Anlass, seine Sorge beim Bundesrat zu deponieren. Dank seiner Intervention sind zumindest seit 2017 die doppelstöckigen Fernzüge der Ost-West-Strecke und seit 2019 die Fernzüge auf der Nord-Süd-Achse entsprechend bestückt. 

«Angesichts der heutigen Daten ist es klar, dass es immer noch Nachholbedarf gibt», sagt Regazzi. Mit der Ausstattung allein sei es jedoch nicht getan. Auch eine geeignete Schulung des Personals müsse durchgeführt werden. 

In der Schweiz erleiden jährlich rund 8000 Menschen einen frühzeitigen Herz-Kreislauf-Stillstand ausserhalb eines Spitals. Weniger als fünf Prozent überleben. Ob der Mann aus dem IC1 dazugehört, wissen auch die SBB nicht.