Fachleute sprechen von «Zweckentfremdung von Alltagsdarstellungen»: Gemeint sind Fotos von Kindern, die Eltern sorglos in sozialen Medien posten – und die später in den Händen von Pädokriminellen landen.

Oft teilen Eltern die Bilder aus Freude an einer lustigen Alltagssituation, aus Stolz oder um sich über Probleme auszutauschen. Das Problem dabei: Eltern markieren die Bilder ihrer Kinder mit Hashtags wie #mutterliebe, #mamaundsohn oder #mutterundtochter.

Jetzt zeigt eine Auswertung der Hochschule Macromedia Hamburg, die in der Zeitschrift «Kriminalistik» publiziert wurde: In 1000 Instagram-Beiträgen, die nach 20 einschlägig bekannten Hashtags analysiert wurden, fanden die Forscher 810 Ganzkörperaufnahmen von Kindern. 28,9 Prozent von diesen sind komplett unbekleidet.

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Fatale Rolle von Hashtags

Thomas Hestermann, Journalismusprofessor und Co-Autor der Analyse sagt: «Wie ergänzende Studien zeigen, wandern Fotos aus sozialen Medien vielfach ins Darknet und dienen Pädokriminellen als Tauschware.»

Hilfe – ich will kein Täter werden

Schätzungsweise ein Prozent der männlichen Bevölkerung fühlt sich sexuell zu Kindern hingezogen. Bei «Kein Täter werden» finden Betroffene professionelle Hilfe unter Schweigepflicht. 

Tatsächlich berichten Ermittler immer wieder, dass sie auf beschlagnahmten Computern in Strafverfahren wegen Pädokriminalität grosse Mengen solcher «Alltagsbilder» finden. «Dass sich Pädokriminelle so leicht und zielgerichtet aus dem Bilderfundus von Instagram und anderen sozialen Medien bedienen können, liegt auch an der Kraft der Hashtags», schreiben die Forscher in ihrer Auswertung.

Anders gesagt: Die von Eltern verwendeten Hashtags bündeln die Bilder exakt nach den spezifischen Präferenzen der Pädokriminellen. Diese finden so etwa gezielt Bilder vom kindlichen Gesäss oder von Mädchen in Bikinis.

Obschon Kinderschutzverbände vor diesem Phänomen warnen, blockiert Instagram nur wenige einschlägige Hashtags. Lediglich vereinzelte Begriffe wie zum Beispiel #nudebaby oder #sexykids führen zu Warnseiten.

Instagram tut nicht genug gegen Missbrauch

Die Studienautorinnen kritisieren, dass Instagram den Risiken des Missbrauchs nur halbherzig vorbeugt. Zwar heisse es in den Richtlinien, die Darstellung von Nacktheit auf Instagram sei nicht zulässig. «Dennoch zeigen unsere Analysen, dass beispielsweise bei der Suche nach dem Gesäss von Kleinkindern über den entsprechenden Hashtag rund 65’000 Beiträge auftauchen.»

Wer sich für Kinder in Unterwäsche interessiert, findet bei Instagram rund 35’000 Beiträge. Auch Kinder beim Toilettengang sind mit verschiedenen Hashtags zehntausendfach zu sehen.

«Über entsprechende Hashtags tauchen 65’000 Beiträge mit dem Gesäss von Kleinkindern auf.»

Thomas Hestermann, Journalismus-Professor

Online gestellt werden die Kinderbilder vor allem von Müttern. Gemäss der Auswertung der Hamburger Forscherinnen und Forscher erreichten die entsprechenden Hashtags von Vätern nicht einmal einen Zehntel der Reichweite wie jene von Müttern. 

Wohnort der Kinder mitgeliefert

Bei einer zweiten Auswertung haben die Forscher der Hochschule Macromedia 300 Accounts von Müttern mit Bildern ihrer Kinder daraufhin untersucht, wie gross die Gefahr persönlicher Kontaktaufnahme ist.

Das Fazit: Jedes sechste analysierte Instagram-Profil mit Kinderbildern enthält eine Adresse, etwa die Wohnadresse oder die Arbeitsstelle eines Elternteils. Nur 31 Prozent der untersuchten Instagram-Profile enthielten keinerlei Hinweise auf den Wohnort der abgebildeten Kinder.

Vielen Eltern ist das Risiko gar nicht bewusst 

Die Mehrzahl der Kinder (54,7 Prozent) ist auf den Bildern zudem erkennbar, bei 32 Prozent ist aufgrund der Perspektive oder des Bildausschnitts das Gesicht nicht zu erkennen. Nur 12 Prozent der Kinder werden ausschliesslich verpixelt gezeigt. Bei knapp 40 Prozent der abgebildeten Kinder ist sogar das genaue Geburtsdatum zu erfahren.

«Die sexualisierte Zweckentfremdung von Alltagsdarstellungen geschieht jeden Tag, doch vielfach im Verborgenen», so Journalismus-Professor Hestermann.

Er zieht aus seiner Analyse ein ernüchterndes Fazit: «Deshalb ist es so schwierig, Menschen bewusst zu machen, welche Gefahr sie eingehen, wenn sie Bilder ihrer Kinder vom Strand ins Internet stellen.»

So schützen Sie Ihre Kinder im Netz
  • Kinderbilder gehören grundsätzlich nicht ins Internet
  • Posten Sie nicht das Gesicht Ihres Kindes
  • Keine Bilder mit Adressen, Namen von Schulen und anderen Personendaten
  • Achtung bei intimen und blossstellenden Situationen (schlafen, weinen, Toilettengang)
  • Als Faustregel gilt: Wäre ich auf dem Bild abgebildet, möchte ich so in sozialen Medien dargestellt werden? 

Weitere Informationen: Kinderschutz.ch
Meldestelle gegen Pädokriminalität: Clickandstop.ch