Wenn es um die Zukunft geht, dann gehen junge Menschen auch abstimmen. Zu diesem Schluss verleitet eine SRG-Umfrage zum Klimaschutzgesetz, über das die Schweiz kürzlich abgestimmt Abstimmung Ja zum Klimaschutzgesetz – was heisst das jetzt? hat. Dieser zufolge war die Stimmbeteiligung der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren überdurchschnittlich hoch.

Klar ist: Die junge Generation ist von den Auswirkungen des Klimawandels stärker betroffen als die Generation vor ihr. Müssen junge Menschen politisch stärker einbezogen werden? Diese Frage gewinnt an Aktualität.

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Der Nationalrat hat sich Mitte Juni ein drittes Mal für das Stimmrechtsalter 16 ausgesprochen. Er lehnte einen Antrag seiner vorberatenden Kommission auf Beendigung der entsprechenden Arbeit mit 98 zu 93 Stimmen ab. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats muss nun eine Vorlage zum Stimmrechtsalter 16 ausarbeiten. 

Das Geschäft geht zurück auf eine parlamentarische Initiative der Grüne-Nationalrätin Sibel Arslan. Sie will 16- und 17-Jährigen das aktive Stimm- und Wahlrecht geben. Das heisst: Sie sollen wählen und abstimmen können. Beim passiven Stimm- und Wahlrecht – also der Möglichkeit, selbst für politische Ämter zu kandidieren – soll alles beim Alten bleiben. Das politische Engagement junger Menschen sei markant gestiegen, begründet Arslan ihren Vorstoss.

Zürich und Bern wollen kein Stimmrechtsalter 16

Bisher haben fast alle Vorlagen für ein Stimmrecht ab 16 Jahren jedoch Schiffbruch erlitten. Jüngst in Zürich und in Bern. Nur im Kanton Glarus gilt das Stimmrechtsalter 16 seit 2007.

Warum wollen die Älteren den Jüngeren das Stimmrecht nicht gewähren? Der Beobachter hat dazu Nadine Aebischer von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände befragt.

Nadine Aebischer, das Stimmrechtsalter 16 ist ein präsentes Thema. Auch der Nationalrat hält daran fest. Trotzdem scheitert das Anliegen in mehreren Kantonen an der Urne. Warum?
Jedes Mal, wenn es um die Erweiterung der politischen Rechte geht, erlebt man einige Rückschläge, bevor man gewinnt. So war es auch damals beim Frauenstimmrecht. Dazu kommt das Pingpong-Spiel zwischen den Kantonen und dem Bund, das den Prozess verkompliziert.


Das heisst?
Die Kantone ziehen eher eine politische Erweiterung in Betracht, wenn diese auch auf nationaler Ebene diskutiert wird. Dort wiederum heisst es, dass man erst dann national diskutieren möchte, wenn es bereits kantonale Erfolge gab, wie zum Beispiel im Kanton Glarus. Dort gilt das Stimmrechtsalter 16 bereits seit dem Jahr 2007.


Sie haben gesagt, die Diskussion um das Stimmrechtsalter 16 sei ähnlich wie damals beim Frauenstimmrecht. Halten wir in der Schweiz an alten Strukturen fest?
Einerseits haben wir ein ziemlich langsames und deshalb konservatives politisches System. Andererseits können Menschen, die von der Erweiterung der politischen Rechte betroffen sind, nicht selbst mitentscheiden. Das war auch beim Frauenstimmrecht so. Tatsächlich sind auch die Gegenargumente dieselben.

Zur Person

Nadine Aebischer

Nadine Aebischer ist Leiterin Politik der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Der Verband ist die Dachorganisation von über 60 Jugendorganisationen und vertritt deren Anliegen bei den Behörden, in politischen Gremien und gegenüber der Öffentlichkeit.

Quelle: ZVG

Was sind denn die Gegenargumente? 
Die meisten Gegenargumente stützen sich auf fehlendes Vertrauen und Vorurteile gegenüber Jugendlichen. Manche Kritiker möchten keine Trennung vom Mündigkeitsalter, also der Volljährigkeit , und der politischen Rechte sowie keine Trennung von aktivem und passivem Wahlrecht. Eine Studie zeigt jedoch, dass Jugendliche sich mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen auseinandersetzen und Verantwortung übernehmen können.


Wollen die Jugendlichen überhaupt abstimmen können?
Wir wissen aus Studien, dass sich 16- und 17-Jährige für die Politik interessieren und gerne an politischen Entscheidungen teilnehmen wollen. Ebenfalls sind Jugendliche fähig, politische Entscheidungen zu treffen und die kognitive Fähigkeit von 16- und 17-Jährigen ist nicht anders als die von 18-Jährigen. Das Stimmrechtsalter 16 würde die demokratische Tradition der Schweiz weiterführen. Es ist ein Privileg unserer Gesellschaft, die Zukunftsplanung mitgestalten zu können.


Würde das Stimmrechtsalter 16 zu einem Links- oder Rechtsrutsch führen?
Weder von einem Links- noch einem Rechtsrutsch ist auszugehen. Eine Studie hat festgestellt, dass Jugendliche genauso vielfältig denken wie Erwachsene. Beobachtet man die Anmeldungen von Jungparteien in der Schweiz, haben alle Zuwachs bekommen. Nicht zu vergessen: Das Stimmrechtsalter 16 betrifft rund 130'000 Menschen in der Schweiz. Diese Anzahl ändert nicht die aktuellen Mehrheitsverhältnisse, denn in der Schweiz können laut dem Bundesamt für Statistik über 5,5 Millionen Menschen abstimmen.

«Es würde helfen, wenn noch ein weiterer Kanton oder eine Gemeinde das Stimmrechtsalter senken würde.»

Nadine Aebischer

Was halten Sie von der Diskussion über das aktive oder passive Stimm- und Wahlrecht?
Die Trennung zwischen dem aktiven und passiven Stimm- und Wahlrecht ist beim Stimmrechtsalter 16 üblich. Würde ein passives Stimmrecht für Minderjährige eingeführt, käme es zu verschiedenen juristischen Problemstellungen. Minderjährige sind gemäss dem Schweizer Zivilgesetzbuch noch nicht vollumfänglich handlungsfähig. Dies würde die Arbeit in öffentlichen Ämtern erschweren. Eine minderjährige Gemeinderätin könnte zum Beispiel keinen Bauvertrag für ein Schulhaus unterschreiben.


Welche Chancen geben Sie dem Nationalrat? In Zürich und Bern sind kantonale Vorlagen letztes Jahr gescheitert.
Das Interesse am Stimmrechtsalter 16 ist da. Es kommt immer wieder zu Diskussionen, in mehreren Kantonen gibt es Volksinitiativen oder parlamentarische Vorstösse. Überall tut sich was.


Also Schritt für Schritt zum Ziel?
Genau. Schritt für Schritt und mit viel Geduld. Es würde helfen, wenn noch ein weiterer Kanton oder eine Gemeinde das Stimmrechtsalter senken würde, dann hätte man bessere Chancen, dass andere nachziehen.

Zu den Studien

Im Interview geht es um folgende Studien: Die Wagner-Studie (et al. 2012) und die Beyeler-Studie (et al. 2015). Diese beiden Studien sind nicht im Internet auffindbar. 

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