Jetzt spitzt sich die Lage beim CO₂-Projekt zu
Bei einem CO₂-Kompensationsprojekt in Thailand gibt es eine Massenentlassung. Schon vorher drohte der Bund, das Projekt zu stoppen. Zieht er jetzt den Stecker?
Veröffentlicht am 22. November 2024 - 17:34 Uhr
Im Oktober berichtete der Beobachter erstmals über arbeitsrechtliche Probleme beim Klima-Prestigeprojekt des Bundes in Thailand. Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens finanziert die Schweiz Elektrobusse in Bangkok. Für die dort eingesparten Emissionen erhält die Schweiz im Gegenzug CO₂-Zertifikate, die sie sich ans Klimaziel anrechnen kann. Das Projekt ist das weltweit erste dieser Art.
Es soll bei der thailändischen Firma Energy Absolute, respektive deren Tochterfirma Absolute Assembly, die die Elektrobusse baut, zu Verstössen gegen die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen gekommen sein.
Konkret gab es missbräuchliche Entlassungen von Gewerkschaftsführern, Bedrohungen und Einschüchterungen. Mitarbeitenden wurden etwa finanzielle Nachteile angedroht, wenn sie nicht aus der Gewerkschaft austreten. Wie SRF daraufhin berichtete, seien nur noch etwa zehn Prozent der ursprünglichen Mitglieder in der Gewerkschaft verblieben.
«Es herrscht Chaos»
Die internationale Gewerkschaftsvereinigung IndustriALL war stellvertretend für die lokale thailändische Gewerkschaft in Bern vorstellig geworden und hatte den Bund dazu aufgefordert zu intervenieren.
Das Bundesamt für Umwelt Bafu sagte gegenüber dem Beobachter, dass es den Hinweisen nachgehe. Dem Projekt droht im schlimmsten Fall das Aus: Das Bafu hielt fest, dass es die Bescheinigung von Emissionsverminderungen, die im Rahmen dieses Projekts erzielt wurden, aussetzen könne und auch werde, wenn sich die Probleme bestätigten.
Nur einen Monat nach diesem ersten Bericht zeigt sich: Die Lage beim Thailand-Projekt spitzt sich weiter zu. Wie IndustriALL vermeldet, stehe eine Massenkündigung bei der Busbauerin kurz bevor, ohne dass die Firma mit der Gewerkschaft in Verhandlungen getreten sei.
«Die Situation mit Energy Absolute ist im Moment sehr undurchsichtig», sagt Georg Leutert von IndustriALL. «Gerade in Krisenzeiten wäre es extrem wichtig, dass es vor Ort eine funktionierende gewerkschaftliche Vertretung gibt, damit alles geordnet und sozialverträglich abläuft und man Gespräche führen kann. Das ist jetzt überhaupt nicht der Fall. Es herrscht Chaos.»
Bund geht den Hinweisen nach
David Welsh von der US-Arbeitnehmerorganisation Solidarity Center in Bangkok sagt, dass die lokalen Gewerkschaftsführer von einer beträchtlichen Anzahl eingegangener Kündigungen gesprochen hätten. In einigen Berichten sei von Hunderten von Kündigungen die Rede.
Vor wenigen Tagen berichtete auch die «Republik» über grosse wirtschaftliche Probleme von Energy Absolute und über die Hintergründe zu den Korruptionsvorwürfen rund um den Firmengründer.
Sistiert der Bund das Projekt jetzt? Das Bafu kommentiert die neueste Eskalation zurückhaltend. Man nehme die Hinweise zu den möglichen Verletzungen der Menschenrechte ernst und gehe solchen zusammen mit der Botschaft in Thailand nach. Das werde man auch im Fall der Entlassungen tun. Auf Nachfrage des Bafu habe IndustriALL bisher keine Hinweise auf Verletzungen der Menschenrechte liefern können.
IndustriALL bestreitet diese Behauptung und betont, dass sie der Schweizer Regierung etwa die Entscheidung des thailändischen Ausschusses für Arbeitsbeziehungen vom Arbeitsministerium mitgeteilt hat. In diesem Urteil wird Absolute Assembly aufgefordert, zwei unrechtmässig entlassene Gewerkschaftsführer wieder einzustellen – eine Entscheidung, die das Unternehmen nie umgesetzt hat.
Quellen
- Beobachter-Artikel
- Mitteilung auf der Website von IndustriALL
- Gespräche und E-Mails mit dem Bundesamt für Umwelt, Georg Leutert von IndustriALL und David Welsh vom Solidarity Center
- Beitrag bei SRF
- Republik-Artikel