Lastwagen stossen ungebremst CO2 aus
Die EU will CO2-Grenzwerte für LKWs einführen, die Schweiz soll nachziehen. Doch die Brummi-Lobby stellt sich dagegen.
Veröffentlicht am 17. Januar 2019 - 18:21 Uhr,
aktualisiert am 17. Januar 2019 - 15:39 Uhr
Für Lastwagen gibt es keine Kohlendioxid-Grenzwerte . Sie dürfen weiterhin unlimitiert CO2 ausstossen und das Klima aufheizen. «Der Strassengüterverkehr bleibt von jeglichen Massnahmen verschont. Das ist ein Skandal», sagt Jon Pult, Präsident des Vereins Alpen-Initiative.
Die Statistik bestätigt: In anderen Bereichen, etwa in der Industrie oder beim Wohnen, hat der Ausstoss von CO2 und anderen klimaschädlichen Gasen abgenommen – nicht zuletzt wegen staatlicher Vorgaben. Im Schwerverkehr dagegen sind sie in den letzten 20 Jahren um mehr als 10 Prozent gestiegen.
Lastwagen sind verantwortlich für insgesamt 4 Prozent der inländischen CO2-Emissionen . Und ihr Anteil am Ausstoss steigt, trotz effizienterer Motoren. Der Grund: Es sind immer mehr Lastwagen unterwegs, und bei Personenwagen sinkt der CO2-Ausstoss vergleichsweise stärker.
Denn bei den Personenwagen, die für rund einen Drittel der Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich sind, hat die Politik reagiert: Seit Jahren gelten CO2-Grenzwerte. Sie werden laufend verschärft.
Bei den LKWs werden die Emissionen weiter steigen, der Strassengüterverkehr wächst weiter – so die Prognosen. Jetzt will die EU handeln. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoss bei neu verkauften LKWs um mindestens 30 Prozent gesenkt werden. Damit schliesst die EU eine Gesetzeslücke: In Japan, China und selbst in den USA gibt es Grenzwerte schon längst. In der EU dagegen, Heimat mehrerer grosser LKW-Hersteller, verzögerte sich die Einführung.
Die Alpen-Initiative verlangt jetzt, dass die Schweiz der EU folgt. Bereits in der laufenden Revision des CO2-Gesetzes sollen auch hierzulande Grenzwerte für Lastwagen verankert werden. Auch der VCS unterstützt das Anliegen. «Wir wollen diese Forderung in die Umweltkommission des Ständerats einbringen», sagt Django Betschart von der Alpen-Initiative. Die zuständige Kommission werde im Februar mit den Beratungen beginnen. Der Rat selbst werde das CO2-Gesetz in den nächsten Monaten behandeln; wann genau, sei noch nicht klar.
Dabei wird der Ständerat weitgehend neu beginnen können, denn der Nationalrat hat sich im Dezember nicht auf einen Gesetzesvorschlag einigen können. Der Bundesrat hat signalisiert, dass er die Übernahme der LKW-Grenzwerte der EU in Betracht zieht. Doch die Lastwagenlobby dürfte CO2-Grenzwerte bekämpfen.
10 Prozent stieg der CO2-Ausstoss der LKWs in den letzten 20 Jahren. Grenzwerte gibt es nicht.
Diese Diskussion sei «müssig», findet André Kirchhofer, Vizedirektor des Nutzfahrzeugverbands Astag. Weil es hierzulande keine LKW-Hersteller gebe, habe das Transportgewerbe keine andere Wahl, als die auf dem Markt erhältlichen Fahrzeuge zu kaufen. Schweizer Vorgaben seien daher «nutzlos und überflüssig».
Django Betschart von der Alpen-Initiative entgegnet, nur inländische Grenzwerte stellten sicher, dass Transportfirmen auch wirklich sauberere Lastwagen kaufen müssten.
Auch der Motorenforscher Christian Bach von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa befürwortet CO2-Grenzwerte für LKWs, «weil diese bessere Technologien fördern». So müssten Importeure, deren Flotte die Grenzwerte verletzten, Bussen zahlen. Allerdings ist für Bach klar, dass das geplante EU-Gesetz nicht ausreicht, um den CO2-Ausstoss des Schwerverkehrs in der Realität spürbar zu senken. Es berücksichtige nur die Anzahl neuer Fahrzeuge, nicht aber deren Laufleistung. Hersteller müssten die Einhaltung der Grenzwerte lediglich als Mittelwert ihrer gesamten Flotte erreichen. «Für den CO2-Ausstoss fallen vor allem die Langstrecken ins Gewicht. Die Gesamtemissionen sinken nur dann effektiv, wenn die Lastwagen auf langen Fahrten weniger CO2 ausstossen», sagt der Empa-Forscher. Doch gerade hier sei beim konventionellen Dieselmotor nicht mehr viel herauszuholen . Und emissionsarme Elektro- und Hybridlastwagen seien nur auf kürzeren Strecken einsetzbar.
Bach glaubt trotzdem an eine technische Lösung: erneuerbare Treibstoffe wie synthetisches Gas oder synthetischer Diesel. Sie lassen sich mit Hilfe erneuerbarer Energie herstellen, etwa mit überschüssiger Solarenergie , und sind daher sehr CO2-arm.
Die Empa betreibe entsprechende Pionieranlagen in Dübendorf, auch andere seien in diesem Bereich sehr aktiv. «Allerdings kosten diese emissionsarmen synthetischen Treibstoffe bisher noch zu viel. Doch der politische Wille, diesen Bereich stärker zu fördern, scheint zu fehlen», kritisiert der Empa-Forscher. Auch für Astag-Mann Kirchhofer sind alternative Antriebe zu teuer: «Eine Förderung ist von einer Anschubfinanzierung abhängig.»
Laut Bach hat die Schweiz für synthetische Treibstoffe hohe Kompetenzen. «Mehr Engagement würde sich nicht nur hinsichtlich CO2-Reduktion, sondern auch wirtschaftlich lohnen.» Er wünscht sich, dass synthetische Treibstoffe im CO2-Gesetz berücksichtigt werden.
Für Klimapolitiker sind die geplanten LKW-Grenzwerte längst nicht ausreichend. Nach wissenschaftlichen Vorgaben muss der gesamte CO2-Ausstoss bis 2030 um 50 Prozent sinken, um die gefährlichsten Folgen der Klimaerwärmung zu vermeiden. Konsequenterweise müsste der Schwerverkehr um diesen Faktor sauberer werden.