Dose, Flasche oder doch Karton?
Bier gibt’s in der Dose oder in der Flasche, die Milch in der Plastikflasche oder im Tetrapak. Welche dieser Getränkeverpackungen macht ökologisch Sinn? Und warum gibt es eigentlich keine schweizweite Tetrapak-Sammlung?
Veröffentlicht am 30. April 2019 - 11:06 Uhr,
aktualisiert am 30. April 2019 - 10:45 Uhr
Ist der Orangensaft ausgetrunken, bleibt nichts weiter übrig als eine lästige Verpackung, die sich in unserem Abfalleimer breit macht und unser ökologisches Gewissen strapaziert. Oder, wenn es sich um eine Glasflasche handelt, uns daran erinnert, dass das Altglas überquillt und der Gang zur Sammelstelle nicht mehr länger aufzuschieben ist. Was dabei oft vergessen geht: Verpackungen sind nicht nur ein ökologisches Problem , sie tun auch viel Gutes für die Umwelt.
So ist es aus ökologischer Sicht entscheidend, dass Verpackungen den Inhalt möglichst gut schützen und dieser ohne Verluste beim Konsumenten ankommt. Denn die Herstellung eines Getränkes hat den weitaus grösseren Einfluss auf die Ökobilanz des Produktes als die Herstellung und Entsorgung der Verpackung . Einzig beim Mineralwasser verhält es sich anders: Hier belastet die Verpackung die Umwelt mehr als der Inhalt.
Schaut man sich die Getränkeverpackung dennoch einmal genauer an, sollte man bedenken, dass auch deren Gewicht, die Stapelbarkeit und der Platzbedarf einen Einfluss auf die Umweltbelastung haben. Ist Bier in kleinen 0,33 Liter-Glasflaschen abgefüllt, können wegen dem Gewicht des Glases nur gerade 10'000 Liter mit einem Lastwagen transportiert werden anstatt 23'000 Liter. Befindet sich das Getränk hingegen in Aludosen, können ganze 21'000 Liter transportiert werden, beinahe die Maximalmenge. Der Transport der Aludosen ist also mehr als doppelt so effizient.
Einst der Inbegriff der Umweltsünde, hat sich die Ökobilanz der Aludose in den vergangenen 20 Jahren massiv verbessert. Grund dafür sind Optimierungen in der Produktion – Aludosen werden heute dünnwandiger hergestellt – und eine Traum-Recyclingquote, die in der Schweiz 90 Prozent beträgt. Muss das Getränk weiter als 230 Kilometer transportiert werden, ist die Aludose insgesamt sogar umweltschonender als die Mehrwegflasche aus Glas. Letztere ist überlegen, wenn man das Bier oder Blöterliwasser aus der Region kauft und der Transportweg kurz bleibt. Zu diesem Schluss kommt eine vom Bundesamt für Umwelt in Auftrag gegebene Ökobilanzstudie über Getränkeverpackungen.
«Getränkeverpackungen mit einer insgesamt tiefen Ökobilanz sind meist entweder leicht, mehrmals verwendbar oder haben einen hohen Recyclingnutzen», fasst Studienautor Fredy Dinkel die Ergebnisse zusammen. «Umweltschädliche Verpackungen sind dagegen tendenziell schwer und nur einmal verwendbar.» Wie die Einwegglasflasche, die im Ranking deutlich abfällt. Obwohl die Sammelquote von Glas in der Schweiz hoch ist und aus Altglas neue, hochwertige Flaschen entstehen, bleibt das Einwegglas ein Umweltsünder. Der Grund: Auch das Recycling braucht viel Energie. Altglas muss bei rund 1500 Grad geschmolzen werden.
Und wie verhält es sich nun bei der Milch ? Am wenigsten wird die Umwelt durch den (kaum mehr erhältlichen) Schlauchbeutel belastet. Plastikmilchflaschen können bei den Grossverteilern zurückgebracht werden, diese Sammlung ist – im Gegensatz zu anderen Plastiksammlungen – unumstritten. Recycelt man solche PE-Flaschen mit einer Sammlungsquote von 60 Prozent, belasten sie die Umwelt ähnlich wie Getränkekartons, die im Hausmüll entsorgt werden.
Getränkekartons haben also Potenzial: Würden sie ebenso fleissig gesammelt und recycelt wie die Milchplastikflaschen, würden sie rund 30 Prozent weniger Umweltbelastung verursachen wie diese, sagt Dinkel, der das Recycling in seiner Studie aus ökologischer Sicht empfiehlt. Denn Getränkekartons bestehen zu 75 Prozent aus hochwertigen Kartonfasern. Aus diesen kann die Firma Model AG in Weinfelden, die in eine entsprechende Anlage investiert hat, eine Wellpappe herstellen, aus der wiederum Kartonverpackungen gemacht werden können. «Mit dem Recycling könnte jährlich die Abholzung einer Waldfläche in der Grösse von 11'000 Fussballfeldern eingespart werden.»
So steht es um die Ökobilanz von Verpackungen
Dennoch gibt es in der Schweiz bis heute keine flächendeckende Sammlung für Getränkekartons. Während für Glas, Alu und PET die Verordnung über Getränkeverpackungen greift und wir mit jedem Getränk eine vorgezogene Recyclinggebühr bezahlen, um damit die Sammlung zu finanzieren, gelten für die Rücknahme von Getränkekartons keine Bestimmungen.
«Wir haben uns zehn Jahre dafür eingesetzt, alle Protagonisten an einen Tisch zu bringen, um ein einheitliches Sammelsystem zu finanzieren», sagt Simone Alabor vom Verein Getränkekarton-Recycling Schweiz. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg, obwohl das Recycling mit ein bis zwei Rappen pro Verpackung nicht teurer als das PET-Recycling wäre. Und die Konsumenten gemäss Alabor sogar günstiger zu stehen käme, als die voluminösen Verpackungen im gebührenpflichtigen Abfallsack zu entsorgen.
Aldi nimmt während einem dreijährigen Pilotprojekt dennoch Getränkekartons zurück. Noch bis im Juni 2019, dann wird der Discounter das Pilotprojekt beenden. Wegen zu grossem Erfolg. Es seien viel mehr Getränkekartons zurückgebracht worden als erwartet – rund 70 Prozent von anderen Herstellern, heisst es bei Aldi. «Eine schweizweite Sammlung funktioniert nur dann nachhaltig, wenn alle Marktakteure mitanpacken», sagt Timo Schuster, Landesgeschäftsführer von Aldi Suisse.
Doch Migros und Coop kneifen nach wie vor. Sie verweisen auf die Interessengemeinschaft Detailhandel. Man sei zwar daran interessiert, Stoffkreisläufe zu schliessen, heisst es dort. Bei den Getränkekartons würde jedoch ein «nur sehr geringer zusätzlicher Umweltnutzen sehr hohen Zusatzkosten gegenüberstehen».
Als man 1990 den vorgezogenen Recyclingbeitrag auf der Aludose eingeführt habe, sei die Geiz-ist-Geil-Mentalität und der Preiskampf im Detailhandel noch nicht so ausgeprägt gewesen, sagt Dinkel. «Damals schlug man ganze 5 Rappen auf den Preis einer Aludose.» Alabor ortet einen Fehler im System:
«Weil das Schweizer System auf Separatsammlungen aufbaut, muss für jedes neue Material um eine neue Lösung gerungen werden. Es ist schwierig, weitere Stoffkreisläufe zu schliessen. Das kann nicht im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sein, die Ressourcen möglichst schont.»
Sie glaubt, dass es nun andere Ansätze braucht und will Lösungen im umliegenden Ausland analysieren, wo das Getränkekarton-Recycling längst üblich ist. «Wir setzen uns weiterhin für eine Lösung ein, denn die Umwelt profitiert und die Leute wollen recyceln - es kann nicht sein, dass im Recyclingland Schweiz nicht möglich ist, was im Ausland schon längst üblich ist.»
Ab Juni werden sich die Konsumenten in der Schweiz vorerst wieder mit rund 100 Sammelstellen begnügen müssen, die auf freiwilliger Basis Getränkekartons annehmen. Da wird sich manch einer fragen, ob es Sinn macht, seine leeren Tetrapaks zur Sammelstelle zu bringen. «Wer extra mit dem Auto zum Recyclinghof am Stadtrand fährt, um ein paar leere Verpackungen zu entsorgen», sagt Dinkel, «tut der Umwelt damit keinen Gefallen».
Plastikflaschen
- Wo wird gesammelt: Grossverteiler
- Was wird gesammelt: Plastikflaschen von Milchprodukten, Wasch- und Reinigungsmitteln, Duschmittel, Shampoo, Bodylotion, Essig, Öl, Saucen, etc.
- Achtung: Nicht in die Sammlung gehören PET-Flaschen und Getränkekartons (das gilt nicht für Aldi: Der Discounter sammelt Plastikflaschen und Getränkekartons bis Juni 2019 zusammen). Ebenfalls nicht gesammelt werden Plastikflaschen aus dem Heimwerker-, Garten- und Autobereich sowie Schalen, Becher, Tuben, Folien und Beutel aus Plastik.
PET-Getränkeflaschen
- Wer sammelt: Insgesamt über 50 000 Sammelstellen in Verkaufsstellen, Firmen, Schulen und Kinos
- Gesammelt werden: PET-Getränkeflaschen.
- Achtung: PET-Flaschen vor dem Einwurf flach zusammendrücken und verschliessen. Das PET-Recycling ist ein geschlossener Kreislauf, aus alten PET-Flaschen entstehen wiederholt neue PET-Flaschen. Aus Qualitäts- und Hygienegründen können dafür keine Öl-, Essig- und Waschmittelflaschen, Schalen oder Becher verwendet werden, selbst wenn auf ihnen der Hinweis angebracht ist, dass sie aus PET hergestellt sind.
Glas
- Wer sammelt: Über 22'000 Sammelstellen in den Gemeinden.
- Gesammelt werden: Glasflaschen von Getränken sowie Öl und Essig, Marmelade-, Joghurt, Gurken-, Gewürzgläser etc.
- Achtung: Aus Qualitätserhaltungsgründen müssen die Farben Weiss, Grün und Braun konsequent getrennt gesammelt werden. Verschlüsse vor dem Einwurf entfernen.
Alu
- Wer sammelt: Sammelbehälter in den Gemeinden, oft wird Aluminium zusammen mit Weissblech (Konserven) gesammelt.
- Gesammelt werden: Getränkedosen, Lebensmitteltuben, Joghurtdeckel, Menu- und Backschalen, Tiernahrungsschalen.
- Achtung: Tuben gut ausdrücken, Schalen gereinigt sammeln. Dosen zusammenpressen, das reduziert das Volumen und die Transportkosten.
Getränkekartons (Tetrapak):
- Wer sammelt: Rund 100 private Sammelstellen und Werkhöfe, einige Spar-Filialen, Aldi noch bis Juni 2019.
- Gesammelt werden: Leere Getränkekartons von Milch, Rahm, Fruchtsäften etc.
- Achtung: Am besten vor dem Entsorgen kurz mit kaltem Wasser ausspülen, mit oder ohne Verschluss. Stark verschmutzte und halb volle Verpackungen gehören nicht in die Sammlung.
2 Kommentare
Wo wir schon beim Thema sind.
Ich lese immer wieder widersprüchliches.
Weissblech-Konserven: Ist es sinnvoll das Papier zu entfernen und diese extra auszuspülen oder soll man das eben nicht machen um kein Wasser zu verschwenden und beim Schmelzen wird Dreck ohnehin mit der Schlacke abgeschieden?
Besten Dank für Ihren Artikel. Mir fehlt das Mehrwegglas in Ihrer Auflistung. Es gibt in der Schweiz ca. 300 Getränkehändler, welche auch an Privathaushalte Getränke in Mehrwegglas liefern und diese Flaschen wieder abholen. Evtl. könnten Sie diese noch berücksichtigen. Dankeschön