Er hatte bei der Landi Holzkohle gekauft und freute sich auf knackige Würste. Doch dann sah Beobachter-Leser Michael Höchli den Fünf-Kilo-Sack der Marke «Barbecue Grill Club» genauer an und las: Die Kohle stammt aus Namibia, sie wurde aus Mopane- und Akazienholz hergestellt. Kohle aus Tropenholz, Tausende Seemeilen weit in die Schweiz transportiert? Höchli fühlte sich verschaukelt.

Holz und Herkunft sind auf der Verpackung zwar korrekt angegeben. Doch der Vermerk «kein Tropenholz» ist falsch. So sieht das jedenfalls der WWF. Die Landi argumentiert, Südafrika und Namibia lägen nicht in der tropischen, sondern in der subtropischen Klimazone. «Das ist eine Spitzfindigkeit», sagt Lisa Bounoure vom WWF. «In den Subtropen sind die Wälder ebenso bedroht wie in den Tropen.» 

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Tropenholz fürs Grillvergnügen – das ergibt keinen Sinn. In vielen afrikanischen Ländern braucht die Bevölkerung schon selbst viel Brennholz, die Holzkohleproduktion für den Export setzt die Wälder Umwelt Die Regenwälder nicht vergessen! noch zusätzlich unter Druck. Die Abholzung beschleunigt das Artensterben, fördert Bodenerosion und Wüstenbildung und heizt den Klimawandel an.

Sack Holzkohle

Der Aufdruck «kein Tropenholz» ist gemäss WWF falsch: Holzkohle «Barbecue Grill Club», verkauft von der Landi.

Quelle: Paul Seewer
«Ein dreckiges Geschäft»

Es gibt nur wenige Wälder, in denen nachhaltig gewirtschaftet wird und die zertifiziert sind. In Namibia existieren beispielsweise durchaus sinnvolle Projekte zur Entbuschung – solange die Kohle aus einem solchen stammt, ist nicht viel dagegen einzuwenden. Doch es werden auch Wälder abgeholzt. In den entlegenen Gebieten im Norden wird seit drei Jahren im grossen Stil Holz geschlagen. Obwohl diese Wälder eine entscheidende Rolle für den Regen spielen und wichtig für das lokale Klima sind.

Wenn Holzkohle nicht zertifiziert ist, etwa durch das anerkannte FSC-Label, ist das Risiko hoch, dass es sich um unkontrolliert oder illegal geschlagenes Holz handelt, heisst es beim WWF.

Die Kohle der Marke «Barbecue Grill Club» aus Namibia oder Südafrika ist nicht zertifiziert. Anbieter Landi glaubt trotzdem, Raubbau ausschliessen zu können, weil man die Lieferanten «eng begleite und periodisch prüfe». Doch für eine Schweizer Handelskette ist es nicht ganz einfach, Kontrollen durchzuführen. «Der Markt ist intransparent, nicht selten mischt die organisierte Kriminalität mit», sagt Lisa Bounoure vom WWF. «Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein dreckiges Geschäft.»

Letzte europäische Urwälder brennen

Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt verbraucht rund 3,5 Kilo Holzkohle pro Jahr. Nur etwa 1 Prozent der Gesamtmenge wird in der Schweiz produziert. Der grösste Teil stammte letztes Jahr aus Polen (37 Prozent). Weitere wichtige Importländer sind Deutschland, Südafrika, die Ukraine sowie Bosnien-Herzegowina. In der Ukraine und in Bosnien-Herzegowina ist der illegale Holzschlag ein grosses Problem. «Dort werden die letzten europäischen Urwälder abgeholzt», sagt Lisa Bounoure.

Polen ist eine bedeutende Drehscheibe für Holzkohle. «Händler wie etwa die Firma Dancoal importieren billige Holzkohle aus Ländern, in denen illegale Waldnutzung und Korruption verbreitet sind. Sie mischen sie, verpacken sie um und verkaufen sie weiter», sagt Johannes Zahnen vom WWF Deutschland, ein führender Experte, wenn es um illegales Tropenholz geht.

«Letztlich spielt es keine Rolle, ob die Holzkohle in der Ukraine, in Paraguay, Südafrika, Nigeria oder Namibia hergestellt wird», sagt Lisa Bounoure. «Wenn in einem Land die Korruption verbreitet ist, steigt auch das Risiko, dass Holz aus illegaler Nutzung für Grillkohle verwendet wird.»

Häufig gibt es Kinderarbeit

Zudem seien mit dem Raubbau häufig andere Probleme verknüpft, etwa Kinderarbeit oder die Finanzierung von Konflikten. Landarbeiter haben oft keine andere Wahl, als ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Holzkohle zu bestreiten. Sie ziehen als Nomaden durchs Land und fällen Bäume, die sie in einfachsten Meilern verkohlen: Sie stapeln das Holz, bedecken es mit Erde und zünden es an. Für eine Tonne Kohle benötigen sie bis zu zehn Tonnen Holz.
 

In Nigeria wurden in 25 Jahren fast 60 Prozent des Waldes abgeholzt.


Nigeria ist das Land mit dem höchsten Waldverlust Afrikas. Zwischen 1990 und 2015 wurden knapp 60 Prozent abgeholzt, über 10 Millionen Hektar. Mittlerweile sind nur noch 8 Prozent mit Wald bedeckt. 87 Prozent der Bäume werden zu Brennholz oder Holzkohle verarbeitet. Die Kohle geht fast ausschliesslich in den Export in die EU. Angesichts der dramatischen Entwicklung hat die Regierung die Herstellung von Kohle verboten. Doch um die Einhaltung der Gesetze kümmert sich kaum jemand.

 

Interpol gegen die Kohlemafia

Der Holzkohlemarkt ist ein Schattenmarkt. Nur ein Bruchteil der Gewinne bleibt bei der einheimischen Bevölkerung hängen. Das grosse Geld machen Zwischenhändler, die organisierte Kriminalität verdient mit. Bewaffnete Gruppen erheben zum Beispiel Zölle auf die Transporte und finanzieren so ihre Konflikte. Das hat Interpol auf den Plan gerufen. Eine spezialisierte Ermittlergruppe unterstützt inzwischen Einsätze gegen die Banditen vor Ort.

In der Schweiz zeigt der Druck auf die Branche Wirkung. Als der WWF Schweiz letzten September Holzkohleprodukte aus der Deutschschweiz analysieren liess, fand er noch in 40 Prozent der Säcke Tropenhölzer. In einer aktuellen Marktanalyse von 13 Produkten aus der Westschweiz waren es nur noch 15 Prozent – in der «Barbecue Grill Club»-Kohle und den Briketts der Marke Flammenco, die bei Obi erhältlich waren.

«Unter strenger Beobachtung»

Auch das Schutzlabel FSC, das nachhaltige Forstwirtschaft Kampfzone Wald Genutzter und geschätzter Lebensraum gewährleistet, hat Holzanalysen machen lassen. «Wir haben festgestellt, dass Dancoal nicht zertifizierte Hölzer zugemischt hat», sagt Hubertus Schmidtke von FSC Schweiz. 2018 hat FSC dem polnischen Händler deswegen die Verwendung des Labels untersagt. Inzwischen hat Dancoal die Zertifizierung bereits wieder erhalten. Die Firma hat sich einem besonderen FSC-Programm unterzogen. «Die Auflagen und Kontrollen wurden verschärft», sagt Schmidtke. «Dancoal steht unter strenger Beobachtung. Die Firma muss FSC-Ware besser dokumentieren und separat lagern. Zudem führen wir vermehrt Holzanalysen durch.»

Dancoal habe die Zertifizierung allerdings etwas vorschnell zurückerhalten, meint Johannes Zahnen vom WWF Deutschland. Denn die Firma importiert weiterhin nicht zertifizierte Holzkohle aus Hochrisikoländern. «Gemäss FSC-Richtlinien darf eine Firma auch ausserhalb der FSC-Produktion nicht in massive Waldzerstörung involviert sein. Ob sich Dancoal daran hält, ist äusserst fragwürdig.»

Regelung für Holzkohle vergessen

Auch das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen (BFK) hat 2017 Holzkohle analysieren lassen, um zu überprüfen, ob das Holz richtig deklariert ist. Das Resultat war unbefriedigend. «Darum haben wir die Vorgaben zur Deklaration präzisiert», sagt Fabian Reusser vom BFK. Seit Anfang Jahr müssen bei Kohle aus mehr als drei Holzarten mindestens drei Arten benannt werden. Und es muss verständlich sein, dass weitere Hölzer im Produkt enthalten sein können. So können Grillfans auch bei gemischten Produkten besser erkennen, ob Tropenholz dabei ist.

Aktuell wird zudem im Parlament diskutiert, ob die Bestimmungen der europäischen Holzhandelsverordnung EUTR ins Schweizer Umweltschutzgesetz gehören. Gemäss EUTR müssen Importeure nachweisen, dass das eingeführte Holz ausschliesslich aus legaler Waldnutzung stammt. In der Schweiz ist es bis heute nicht verboten, Raubbau-Holz zu importieren.

Unter die EUTR fallen auch Holzprodukte wie Papier und Möbel – Holzkohle ist jedoch schlicht vergessen gegangen. Gemäss Bundesamt für Umwelt will man dieses Schlupfloch schliessen. Die Vorlage, die bereits den Nationalrat passiert hat und im Ständerat noch Thema sein wird, schliesse keine Holzprodukte aus. Die Chancen, dass der Import von Raubbau-Holzkohle demnächst verboten wird, stehen gut. Opposition gegen die Vorlage ist nicht zu erwarten.

«Raubkohle einfach woandershin»

Doch damit ist die Verramschung des Tropenwaldes nicht gestoppt. In den Ländern, in denen Raubbau-Holzkohle hergestellt wird, ändert sich wenig. «Die Zwischenhändler sortieren die Kohle nun einfach besser, sodass sensibilisierte Länder wie die Schweiz weniger Tropenholz-Grillkohle und mehr zertifizierte Ware erhalten», sagt Johannes Zahnen. «Nach wie vor werden riesige Mengen nicht zertifizierter Holzkohle nach Europa importiert. Sie geht nun einfach in Länder, in denen nur Billigstpreise bezahlt werden und das Bewusstsein für die Problematik noch fehlt.»

Diese Kohle ist sauber

Verschiedene Holzkohle-Produkte
Quelle: Paul Seewer

Für die Umwelt am besten ist gemäss WWF ein Elektrogrill, der mit nachhaltigem Strom betrieben wird. Auch ein Holzfeuer ist eine gute Alternative. Wer mit Kohle grillieren will, nutzt am besten die oben aufgeführten FSC-zertifizierten Produkte. Der WWF Schweiz hat in einem aktuellen Labortest nachgewiesen, dass sich darin kein Tropenholz befindet und dass sie korrekt deklariert sind.

Quelle: WWF Schweiz, Holzkohletest 2019

 
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