Kaum Südamerika-Reisende, die sie nicht besuchen: die faszinierenden Salzwüsten im Dreieck zwischen Argentinien, Chile und Bolivien. Doch sie sind bedroht. Denn unter den Salzwüsten lagern die weltgrössten Vorkommen von Lithium, einem für die Elektromobilität zentralen Rohstoff.

«Allein für die Elektrifizierung der weltweiten Automobilflotte brauchen wir das gesamte verfügbare Lithium», sagt Empa-Forscher Rolf Widmer. Benötigt wird das Metall auch für stationäre Energiespeicher, die es für den Umstieg auf saubere Energie braucht. So dürfte ausgerechnet die Wende zu «grüner» Elektromobilität und Energie schuld an der Zerstörung einer der schönsten Wüstenlandschaften der Welt sein.

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Das Leichtmetall ist ein wichtiger Bestandteil der aufladbaren Batterien von E-Bikes, E-Scootern und E-Autos, aber genauso von Handys, Tablets und PCs. Mit dem Aufkommen der Elektroautos ist die Nachfrage explodiert. In einer Batterie stecken rund 10 Kilo Lithium, so viel wie in etwa 3000 Handyakkus. Laut Rolf Widmer werden Lithium-Ionen-Batterien wegen ihrer hohen Energiedichte auf längere Zeit unersetzlich bleiben.

Die Nachfrage nach Lithium wächst weltweit um rund 30 Prozent pro Jahr. In der Schweiz etwa hat sich der Marktanteil von Elektroautos zwischen 2018 und 2019 mehr als verdoppelt. Inzwischen sind hierzulande mehr als 40'000 Elektroautos und 140'000 Hybridfahrzeuge unterwegs.

Das Sorgenkind

Doch die Probleme des Lithium-Abbaus sind bisher kaum ein Thema. Dies zeigt eine Studie der Menschenrechtsorganisationen Brot für alle und Fastenopfer sowie des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS). Dort heisst es, die Firmen würden wegen des Reputationsrisikos etwa bei der Beschaffung des Problemmetalls Kobalt genauer hinschauen. Dieses stammt zu einem grossen Teil aus dem Kongo und wird mit Krieg und Kinderarbeit in Zusammenhang gebracht. «Doch auch Lithium ist ein Sorgenkind», sagt Karin Mader von Brot für alle.

Der Hunger nach dem wertvollen Metall wächst rasant: Zahlreiche Abbauprojekte wurden jüngst in Angriff genommen. Die Schäden sind enorm. Das Ökosystem rund um die Salzwüsten in Argentinien, Chile und Bolivien werde zerstört, sagt Mader: «Die lokale Bevölkerung leidet schon jetzt unter Frischwassermangel.» Wegen der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen würden die Hochlandbauern vermehrt in die überfüllten Städte abwandern.

Lithium liesse sich durchaus wiederverwerten. Doch das Verfahren ist komplizierter und aufwendiger als bei anderen Metallen. Das Problem ist letztlich der Preis. «Bei den aktuellen Mengen ist ein Lithium-Recycling wirtschaftlich kaum zu realisieren», sagt Dieter Offenthaler, Geschäftsführer von Batrec. Das Berner Unternehmen sammelt alle Batterien aus der Schweiz. Letztes Jahr waren es 330 Tonnen Lithium-Batterien, davon nur 3 Tonnen Autobatterien. Diese enthalten Metalle wie Kupfer, Aluminium, Stahl, Nickel, Graphit, Mangan und Kobalt. Der Lithium-Anteil ist mit 2 Prozent eher gering.

Rohstoffe in der Deponie

Batrec zerlegt die Batterien in ihre Bestandteile und gibt sie zur Verwertung an ein Schwesterwerk in Frankreich. Aktuell werden laut Chef Offenthaler aus Schweizer Lithium-Batterien Kupfer, Aluminium, Stahl, Nickel und Kobalt gewonnen, die «in den Rohstoffkreislauf zurückgelangen». Die Metalle werden aber nicht für den Bau neuer Batterien verwendet, da sie zu wenig rein sind. Sie enden laut Fachleuten etwa als Zusatzstoff in der Bauwirtschaft. Lithium und weitere wertvolle Rohstoffe hingegen sind ganz verloren. Sie landen in einer Deponie in Frankreich. Immerhin soll Veolia, die französische Mutterfirma von Batrec, an einem Verfahren arbeiten, um mehr und qualitativ bessere Rohstoffe zurückzugewinnen.

Da es noch immer relativ wenige E-Autos gibt und ihre Batterien bis zu zehn Jahre halten, dürfte sich das Lithium-Recycling erst in ein paar Jahren lohnen. Solange die Qualität des rezyklierten Lithiums ungenügend ist, wird das Metall aber – wie alle anderen Batterierohstoffe – auch weiter abgebaut werden müssen. Da die Förderung in Südamerika günstig ist, werde dort auch das letzte Kilo Lithium noch weggebaggert werden, glauben Fachleute.

Strengere Gesetze oder besseres Recycling

Dagegen helfen könnten strengere Gesetze. Doch in der Schweiz bestehen für Lithium-Batterien nicht einmal gesetzliche Recyclingziele. Die Hersteller sind nur verpflichtet, Metalle zurückzunehmen und «umweltverträglich nach dem Stand der Technik» zu entsorgen, sagt das Bundesamt für Umwelt. Konkretere Vorgaben sind nicht geplant.

Im Gegensatz zu anderen Branchen müssen Autohändler bei den Kunden auch keine vorgezogene Entsorgungsgebühr einziehen, mit der das Recycling finanziert werden könnte. Die Branche finanziere die Entsorgung der Batterien selber, heisst es beim Bund.

Der Hilfsorganisation Brot für alle reicht das nicht. Sie fordert, dass mehr und in besserer Qualität rezykliert wird. Der Staat müsse mit Anreizen und Lenkungsmassnahmen dafür sorgen, dass auch «unattraktive» Rohstoffe wie Lithium wiederverwendet werden. Etwas Hoffnung macht die EU. Hier muss mindestens die Hälfte einer Batterie wiederverwertet werden.

Und es gibt bereits Pläne, das Recycling zu forcieren. Helfen würde auch, den Bestand an Elektroautos klein zu halten. Etwa, indem Fahrzeuge geteilt und nur absolut nötige Fahrten unternommen werden.

 

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