Kleider kauft man besser im Ausland – wenn man auf den Preis schaut. Für die genau gleichen Hemden, Hosen und T-Shirts bezahlt man in der Schweiz im Schnitt 31,4 Prozent mehr als in Deutschland. Rechnet man zudem mit ein, dass die Schweizer Mehrwertsteuer deutlich tiefer ist als die deutsche, lohnt sich die Fahrt über die Grenze noch mehr. Dann sind Schweizer Preise sogar 44,8 Prozent höher. Das ergibt der jüngste Preisvergleich der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz (SKS).

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Sie hat die Preise von 150 identischen Kleidungsstücken von fünf grossen Marken verglichen. Und enorme Preisunterschiede festgestellt: H&M schlägt in der Schweiz im Schnitt 45 Prozent auf den deutschen Preis, Esprit 39, Mango 29, Zara 26 und Vero Moda 19 Prozent.

Die übliche Begründung sticht nicht

Solche eklatanten Unterschiede lassen sich nicht mehr mit höheren Schweizer Löhnen, höheren Mieten und höheren Werbekosten begründen. Denn die SKS hat nicht etwa eine Luxusboutique an der Zürcher Bahnhofstrasse mit einem deutschen Billigshop verglichen – sie ist im Internet einkaufen gegangen.

Dumm nur: Auch wenn die Preisunterschiede riesig sind – die Fahrt über die Grenze lohnt sich nicht in jedem Fall. Denn der Schweiz-Aufschlag variiert nicht nur von Geschäft zu Geschäft, sondern auch von Kleidungsstück zu Kleidungsstück.

Bei Vero Moda sind einzelne Teile in der Schweiz sogar günstiger. Ein Damenpullover kostet hierzulande 7 Prozent weniger als in Deutschland – ein Damenkleid jedoch 40 Prozent mehr. Ähnlich bei Esprit, wo eine Mädchenhose in der Schweiz bloss 4 Prozent teurer ist, eine Damenhose dagegen 56 Prozent. Bei Mango und Zara lohnt sich der Gang über die Grenze fast durchwegs. Der Schweiz-Aufschlag ist über das gesamte Sortiment ähnlich hoch. Und bei H&M kommt man in der deutschen Filiale eigentlich immer besser weg. Der Preisunterschied beträgt meistens 40 und mehr Prozent. Die Ausnahme bildet ein Damenpullover, der «nur» 17 Prozent mehr kostet.

Quelle: Bloomberg / Getty Images
Differenz betrug früher nur 15 Prozent

Dass Kleider in der Schweiz einen Drittel teurer sind, ist relativ neu. Dazu kam es erst, als der Euro im August 2011 abstürzte und der Franken zu seinem Höhenflug ansetzte. Zwischen 2000 und 2009 hatten sich die Preise bis auf 15 Prozent Differenz angenähert. Seither beträgt der Schweiz-Aufschlag jedoch 25 bis 31 Prozent.

Nur einmal war die Schweiz noch teurer: vor zwei Jahren, als die Nationalbank die Untergrenze für den Franken aufhob und der Euro innerhalb von Sekunden über zehn Prozent an Wert verlor. In den folgenden Wochen kosteten identische Waren in der Schweiz fast 50 Prozent mehr. Deshalb wurden damals grenznahe Städte wie Konstanz und Lörrach förmlich überrannt von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten.

Inzwischen ist die Aufregung um den Einkaufstourismus verpufft und das Thema – zumindest in Politik und Medien – etwas in Vergessenheit geraten. Tatsächlich belegen neuste Zahlen, dass der Einkaufstourismus an Dynamik verloren hat. Die Mehrwertsteuereinnahmen an Schweizer Zöllen gingen letztes Jahr um sechs Prozent zurück, errechnete die Credit Suisse kürzlich in ihrer jährlichen Detailhandelsstudie.

Doch die Bankanalysten warnen vor falschen Schlüssen. Der grenzüberschreitende Onlinehandel sei in dieser Rechnung nicht enthalten. Er habe zuletzt stark zugelegt und den Rückgang im stationären Handel wohl kompensiert. Ihr Fazit: Der Einkaufstourismus hat sich auf sehr hohem Niveau eingependelt. Den Schweizer Detailhändlern entgehen gut zehn Milliarden Franken Umsatz pro Jahr. «Insgesamt dürfte 2016 jeder zehnte Detailhandelsfranken im Ausland ausgegeben worden sein», schreibt die CS.

Doch geschehen ist herzlich wenig – ausser ein paar Aufrufen von Schweizer Gewerblern, doch bitte im eigenen Land einzukaufen. Das Parlament hat vor zwei Jahren ein schärferes Kartellgesetz abgelehnt. Eine ähnlich ausgerichtete parlamentarische Initiative wurde im Ständerat auf die lange Bank geschoben. Mit ihr wollte der ehemalige Ständerat Hans Altherr (FDP) durchsetzen, dass die Wettbewerbshüter gegen alle Firmen vorgehen können, die ihre Waren für die Schweiz übermässig verteuern. Nach geltendem Recht können sie Sanktionen nur gegen Unternehmen aussprechen, die marktbeherrschend sind.

Altherrs Anliegen wird die politische Schweiz aber noch länger beschäftigen. Denn seit September sammeln die Konsumentenverbände, Gastrosuisse und der Wirtschaftsverband Swissmechanic Unterschriften für ihre Fair-Preis-Initiative (siehe «mehr zum Thema» unten). SKS-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo: «Bundesrat und Parlament sehen tatenlos zu, wie international tätige Firmen die hohe Kaufkraft in der Schweiz ungehindert abschöpfen. Mit unserer Initiative wollen wir das verhindern und für faire Preise in der Schweiz sorgen.» Die hohen Schweizer Kleiderpreise sind für Birrer-Heimo ein Beleg, wie nötig die Fair-Preis-Initiative ist.

Was ein fairer Schweiz-Aufschlag sei, könne man nicht auf Franken und Rappen beziffern, heisst es bei der SKS. Dazu müssten die Hersteller ihre gesamte Kostenstruktur offenlegen. Doch selbst die Detailhändler halten entscheidende Daten wie den Einkaufspreis geheim. «Es ist aber auch ohne wissenschaftliche Studien klar, dass hier jemand kräftig absahnt», sagt Birrer-Heimo. «30 Prozent und mehr sind einfach zu viel.»

Bei Kosmetika ist es noch schlimmer

Das beste Rezept gegen zu hohe Schweizer Preise wäre mehr Wettbewerb, darin sind sich die Experten einig. Doch der spielt nicht bei allen Produkten gleich gut. Bei Kosmetika fehlt er fast vollständig; die Schweizer Preise sind rund 75 Prozent höher als bei deutschen Referenz-Detailhändlern. Bei Nahrungsmitteln beträgt der Aufschlag gut 40 Prozent; vor allem wegen des hohen Grenzschutzes für Agrarprodukte. Der durchschnittliche Zollsatz liegt hier bei 30 Prozent.

Es ginge auch anders. Unterhaltungselektronik ist in der Schweiz fast durchwegs billiger als in Deutschland. Der Grund ist offensichtlich. Die Anbieter liefern sich seit Jahren einen harten Preiswettbewerb – und nicht erst, seit die Internethändler das Elektronikgeschäft aufgemischt haben.

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