«Chiquita ist es egal, ob die Arbeiter auf den Plantagen einen Vertrag haben oder nicht», sagt Rodrigo Fuerte*. Auch die Einhaltung der Umweltstandards spiele keine Rolle. «Was Chiquita interessiert, ist die Produktion.»

Fuerte liefert seit Jahren Bananen an Chiquita, aus Quevedo, dem Zentrum der ecuadorianischen Bananenproduktion. Chiquita verzichte aus den genannten Gründen bewusst auf eigene Produktionsanlagen. Die Firma wolle sich in Sachen Arbeitsbedingungen nicht die Finger verbrennen. «Die Verantwortung liegt beim Lieferanten. Dieser entscheidet, ob er sich an die Regeln hält oder nicht.»

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Chiquita lagert quasi die Verantwortung aus. Das ist nicht unüblich im Handel mit Agrarrohstoffen. Die grossen Exporteure lassen die lokalen Bauern und Lieferanten zu teils üblen Bedingungen schuften und waschen ihre Hände in Unschuld.

 

12 Stunden Schicht zum Hungerlohn: Die Konzerne nehmen sich aus der Verantwortung.

 

Genau das soll in der Schweiz die Konzernverantwortungsinitiative ändern. Sie kommt voraussichtlich nächstes Jahr zur Abstimmung und sieht vor, dass internationale Umwelt- und Sozialstandards künftig gesetzlich festgeschrieben werden – und für Firmen mit Sitz in der Schweiz gelten, aber auch für deren Tochtergesellschaften und Lieferanten im Ausland.

Die Forderung von über 100 Umwelt-, Menschenrechts- und Kirchenorganisationen stösst im Parlament aber auf Widerstand. Der Nationalrat hat zwar im Sommer 2018 einem abgemilderten Gegenvorschlag zugestimmt, der Ständerat lehnte diesen im März hingegen ab.

«Eine enorme Hilfe»

Was Parlamentarier und Industrie in der Schweiz nervös werden lässt, löst bei Jorge Acosta am anderen Ende der Welt Hoffnungen aus. «Für uns wäre die Kontrolle der Firmen aus der Schweiz eine enorme Hilfe», sagt der Koordinator der ecuadorianischen Bananengewerkschaft Astac. «Wir leben in einer globalisierten Welt, da müssen wir auch den Kampf für unsere Rechte globalisieren.»

In der Agrarindustrie Ecuadors sieht es diesbezüglich düster aus, vor allem in der Bananenproduktion. Zwölf-Stunden-Schichten, Hungerlöhne und vertragslose Arbeit gehören hier zur Tagesordnung. Wer seine Rechte trotzdem einfordert, muss mit Entlassung Kündigungsschutz Das sind die Regeln bei Entlassung rechnen. Mehrere Dutzend Arbeiter haben so in den vergangenen Monaten ihren Job verloren, sagt Jorge Acosta – auch bei langjährigen Chiquita-Lieferanten. Der Gewerkschafter erhielt 2018 gar Morddrohungen.

Sie kommen straflos davon

Auch deshalb hat Astac vor kurzem bei der Europäischen Union Beschwerde eingereicht. Denn es werden Arbeits- und Umweltstandards nicht eingehalten, die im Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien, Ecuador und Peru mit der EU gelten müssten. Der Bericht kommt zum Schluss, dass «die Verletzung der Rechte das Ergebnis einer historisch gewachsenen Struktur ist, die aufgrund der politischen Macht der Regierung und der grossen Bananenfirmen Straflosigkeit erzeugt».

Eine dieser Firmen ist Chiquita mit Sitz im waadtländischen Etoy. Der US-Konzern (früher United Fruit Company) ist 2008 aus steuertechnischen Gründen vom belgischen Antwerpen in die Romandie gezogen. Hier verfügt er gemäss Handelsregister über die Chiquita Holding in Freiburg, die für die Finanzierung und den Handel von Wertpapieren und Immobilien zuständig ist. Chiquita Brands International aus Etoy dagegen sorgt für Handel, Verpackung und Transport von Lebensmitteln. «Details dazu haben wir allerdings nicht», erklärt Silvie Lang von Public Eye. Die entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation, früher «Erklärung von Bern», schaut international tätigen Firmen mit Sitz in der Schweiz auf die Finger.

Seit zwei brasilianische Multimilliardäre 2015 den Chiquita-Konzern aufgekauft haben, herrsche wenig Transparenz, sagt Lang. Denn die beiden Herren – einer davon Joseph Safra, Mitbesitzer der Basler Privatbank J. Safra Sarasin – haben die Firma im selben Jahr von der Börse genommen. Daher muss sie keine öffentliche Rechenschaft mehr ablegen, etwa zu Plantagenbesitz, Lieferanten und Marktanteilen. «Ohne diese Kontrolle ist es sehr schwierig, Informationen über Chiquita zu finden.»

Kein Kommentar

Falls die Konzernverantwortungsinitiative beim Volk dereinst durchkommt, brauchte es aber genau das: mehr Transparenz. Auf eine Anfrage des Beobachters ging Chiquita inhaltlich nicht ein. Das Mutterhaus in Etoy will weder zu den Lieferanten noch zu den umstrittenen Spotmarkt-Käufen Stellung nehmen. Das seien «wirtschaftlich sensible» Daten, lässt Sprecherin Petra Pettolaz ausrichten. Die Chiquita-Tochter in Ecuador gibt gar nicht erst Antwort.

Immerhin lässt die Sprecherin durchblicken, dass sämtliche Geschäftstätigkeiten sowohl über den Hauptsitz in Fort Lauderdale in Florida als auch über Etoy laufen. Das heisst: Bei einer Annahme der Konzerninitiative könnte Chiquita zur Verantwortung gezogen werden.

«Entscheidend ist, ob sich eine Verletzung von Menschenrechten im Ausland mit den über die Schweiz getätigten Geschäften in Verbindung bringen lässt – beziehungsweise ob ein Kontrollverhältnis besteht», erklärt Silvie Lang von Public Eye. Wenn ein Konzern mit Sitz in der Schweiz eine ausländische Firma kontrolliert, die einen solchen Schaden verursacht, müsste er bei Annahme der Volksinitiative für Schadenersatz geradestehen.

Die EU ist einen Schritt voraus

Auf EU-Ebene gibt es bereits Gesetze mit Bezug auf die Geschäftspraktiken von Konzernen, etwa für den Holz- und Mineralienhandel. Zudem ist eine branchenübergreifende Regelung zur Sorgfaltsprüfungspflicht in der Vernehmlassung.

Gewerkschafter Jorge Acosta aus Ecuador ist sich bewusst, dass die Umsetzung des Schweizer Begehrens nicht alles besser machen würde. «Ausbeutung und Verletzung von Menschenrechten generieren Geld – Geld, das für mich genauso schmutzig ist wie jenes aus dem Drogenhandel.» Dennoch wertet er die Schweizer Konzernverantwortungsinitiative als «Zeichen an die Welt». Schliesslich müsse man irgendwo beginnen.

 

* Name geändert

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