Wo es uns gefällt
Der Wohn- und Lebensqualitätsindex zeigt anhand realer Indikatoren, an welchen Orten in der Schweiz man am besten wohnt.
Veröffentlicht am 27. Februar 2014 - 08:54 Uhr
Bischofszell, Zürich, Sarnen oder Lutry: Welche Gemeinden in der Schweiz bieten die beste Wohn- und Lebensqualität? Der Beobachter wollte es genau wissen und hat das Zürcher Forschungs- und Beratungsunternehmen Fahrländer Partner (FPRE) angefragt, für alle 2352 Gemeinden den neu geschaffenen Wohn- und Lebensqualitätsindex (WLQI) zu ermitteln. Eine Schweizer Premiere: Bisherige Bewertungen basierten vor allem auf finanziellen Aspekten wie Steuerfuss oder Immobilienpreise. Für den WLQI hingegen wurden Kriterien angeschaut, die viele Menschen gemäss Umfragen bei der Wahl des Wohnortes mit einbeziehen: zum Beispiel Sonnenscheindauer, Naturnähe oder Aussicht, aber auch das Angebot an Wohnraum oder die Nähe zu Arbeitsplätzen und kulturellen Angeboten. «Damit bildet der Index die Realität ziemlich gut ab», sagt Stefan Fahrländer von FPRE.
Für die Ermittlung wurde ein Raster von einem Hektar Fläche über die Schweiz gelegt. Für jeden Hektar errechneten Computerprogramme die Daten zu sieben Hauptindikatoren wie die Fahrzeit für den Weg ins nächste grössere Zentrum, die Besonnung oder die Aussicht. Dazu kamen Faktoren zur Qualität der Landschaft, basierend auf Daten des Bundesamtes für Umwelt, sowie eine Einschätzung zur Veränderungsdynamik der Siedlungsstruktur.
Gewichtet wurden die Daten schliesslich aus dem Blickwinkel der Gutverdienenden. Der Grund: Wer ein knappes Budget hat, sucht seinen Wohnort vor allem nach den Miet- oder Kaufpreisen aus und nimmt dafür Nachteile in Kauf. Wer hingegen finanziell freier entscheiden kann, versucht, bei möglichst vielen Kriterien das Optimum zu erreichen. «Deshalb zeigen die Entscheide der Oberschicht am präzisesten, wo die Wohn- und Lebensqualität hoch ist», sagt Stefan Fahrländer.
Die Resultate zeigen ganz klar: Eine einzige Topgemeinde gibt es nicht, aber die Wohn- und Lebensqualität ist vor allem im Einzugsgebiet der grossen Zentren zwischen Boden- und Genfersee sowie im Raum Basel besonders gut. Während die Qualität in den Städten vor allem für ein urban orientiertes Publikum stimmt, punkten im Umland Gemeinden, die eine Kombination aus guter Anbindung ans städtische Zentrum und einer ländlichen Atmosphäre bieten. Doch auch die eine oder andere etwas weiter entfernte Gemeinde kann mithalten, etwa Heiligenschwendi oberhalb von Thun: «Die Aussichtslage und die Naturnähe machen unsere Gemeinde attraktiv, und die Fahrzeit nach Bern ist nicht zu lange», sagt Gemeindepräsident Christian Zwahlen.
Orte mit noch grösseren Fahrdistanzen zu wichtigen Zentren haben es schwerer. Sie kommen bei Wohnungssuchenden und Immobilienkäufern viel seltener auf den Radar. Das bedeutet aber nicht, dass die Wohn- und Lebensqualität dort schlecht ist. Allerdings gewichtet eine Mehrheit der Haushalte in der Schweiz die Zentralität höher als andere Faktoren. Wer jedoch keinen Wert auf die Nähe zu einer grösseren Stadt legt, findet etwa im Emmental eine optimale Wohn- und Lebensqualität.
Lebensstil | Junge Singles und Paare | Singles und Paare mittleren und fortgeschrittenen Alters | Familien |
bürgerlich-traditionell |
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aufgeschlossen |
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individuell |
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Diese Auswahl ist nicht abschliessend und die Reihenfolge der Gemeinden aus schliesslich alphabetisch bedingt.
Heiligenschwendi BE
Die 697 Einwohner von Heiligenschwendi oberhalb von Thun geniessen das Panorama von Eiger, Mönch, Jungfrau und Blüemlisalp – dafür reisen andere Leute um die halbe Welt. Und wenn sich unten am Thunersee der Nebel festsetzt, scheint im 500 Meter höher gelegenen Dorf meist die Sonne. Trotzdem ist Heiligenschwendi nicht abgelegen: Die Arbeitsplätze in Thun oder Bern sind nahe, zwei Buslinien sorgen für eine gute Anbindung, und die Schule im Ort deckt alle neun Klassen plus Kindergarten ab. Eine Mischung, die vor allem für Familien mit Kindern ideal ist.
www.heiligenschwendi.ch
Gempen SO
Felder, Wiesen und dicht bewaldete Hügel prägen die Landschaft um Gempen im nördlichsten Zipfel des Kantons. Solothurn ist weit weg, die Baselbieter Gemeinden Arlesheim und Dornach sowie die Stadt Basel sind dafür umso näher. Das macht das gut 850 Einwohner zählende Dorf als Wohnort attraktiv. Die vielen um den alten Ortskern angeordneten neuen Einfamilienhäuser zeugen von der Nachfrage in den vergangenen Jahren. Wer hier wohnt, ist mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Auto innert 30 Minuten in Basel, lebt aber in einem ländlichen Idyll.
www.gempen.ch
Cureglia TI
Lugano und das Vedeggio-Tal, in dem Strasse und Bahn vom Ceneri hinunter zum Luganersee führen, werden durch einen Hügelzug getrennt. Auf diesem Hügel steht das Dörfchen Cureglia mit seinen 1300 Einwohnern, das bei vielen Südtessinern in Sachen Wohn- und Lebensqualität erste Wahl ist. Wer hier wohnt, profitiert von der Ruhe, dem Ausblick, dem Flair des alten Dorfkerns mit seinen Palazzi und grosszügigen Grundstücken, die auch Platz für einen Pool bieten, wie Luftaufnahmen zeigen. Lugano und die Autobahn sind nur wenige Fahrminuten entfernt.
www.cureglia.ch
Bourg-en-Lavaux VD
Die 5000 Einwohner zählende Gemeinde entstand 2011 aus der Fusion der Orte Cully, Epesses, Grandvaux, Riex und Villette. Die gute Wohn- und Lebensqualität kann man hier fast greifen, ist die Gemeinde doch Teil des unter Unesco-Schutz stehenden Weinbaugebiets Lavaux. Nur die Züge der SBB durchschneiden von Zeit zu Zeit die Stille. Wer hier lebt, geniesst die Ruhe und den Ausblick über den Genfersee bis in die französischen Alpen. Arbeitsplätze und Einkaufsmöglichkeiten in Lausanne sind nur wenige Minuten mit dem Zug oder Auto entfernt.
www.b-e-l.ch
Teufen AR
Als «Ostschweizer Goldküste» wird die Gemeinde Teufen manchmal leicht despektierlich bezeichnet. Aber nicht zu Unrecht: 370 Millionäre leben gemäss Erhebungen lokaler Medien in dem oberhalb von St. Gallen gelegenen Dorf mit 5900 Einwohnern, darunter auch Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz oder Ex-Banker Konrad Hummler. Viel Wohnqualität zu bieten hat Teufen vor allem dank der Lage auf einem sonnigen Plateau inmitten der idyllischen Appenzeller Hügellandschaft. Punkten kann die Gemeinde auch mit der kurzen Fahrdistanz zu St. Gallen, die durch den geplanten Bau eines Bahntunnels in den nächsten Jahren sogar noch verbessert werden soll.
www.teufen.ch
Uitikon ZH
Die sonnige Aussichtslage am Südhang des Üetlibergs und das nur wenige Minuten entfernte Zürich machen Uitikon mit seinen 3700 Einwohnern zu einer gefragten Wohngemeinde. Wer hier wohnt, hat den sprichwörtlichen «Föifer und s Weggli»: Die Naherholungsgebiete liegen direkt vor der Haustür, und fünf Postautolinien sowie die Üetlibergbahn bieten beste Verbindungen in die Stadt. Seit der Eröffnung des Üetliberg-Autobahntunnels 2009 hat sich die Lebensqualität sogar noch wesentlich verbessert. Denn seither sind die langen Staus des Pendlerverkehrs morgens und abends auf der mitten durch die Gemeinde führenden Waldeggstrasse Geschichte.
www.uitikon.ch