Eine schöne Plage – wie kann man sie bekämpfen?
Wenn eingeschleppte Pflanzen sich unkontrolliert ausbreiten, richten sie enorme Schäden an. Wie lassen sich Neophyten im Garten erkennen und welche Pflanzen eignen sich als Ersatz?
Veröffentlicht am 28. März 2022 - 17:58 Uhr
Einst waren der Sommerflieder, die Goldrute oder der Götterbaum die Zierde der Gärten und Pärke. Heute gelten sie als Bedrohung für die Natur – und vielleicht sind Privatpersonen schon bald dazu verpflichtet, sie aus ihrem Garten zu beseitigen. Der Bundesrat will nämlich beim Kampf gegen eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten einen Gang höher schalten. Momentan ist eine Gesetzesänderung in der politischen Beratung, die neben Einfuhrkontrollen oder Meldepflichten auch Vernichtungsaktionen in Privatgärten vorsieht.
Das sei wichtig, sagt der Biologe Erwin Jörg. «Die Probleme mit invasiven Arten haben in den letzten zehn bis zwanzig Jahren dramatisch zugenommen.» Der aus China stammende Götterbaum etwa breite sich stark aus. «Früher sah ich ihn vor allem in den Städten, heute immer häufiger auch im Wald
», sagt Jörg. Laut ihm gelangen die meisten eingeschleppten Pflanzen zuerst ins Siedlungsgebiet – sie erfreuen Gärtner mit ihren farbigen Blüten oder Stadtplanerinnen durch Wärme- und Schadstofftoleranz. Die grosse Mehrheit von ihnen fügt sich problemlos in die Umwelt ein. «In der Schweiz haben sich etwa 600 Neophyten etabliert, nur ungefähr 60 davon verursachen Schäden», sagt Jörg.
Treten jedoch Probleme auf, kann es teuer werden: In der EU schätzt man die jährlichen Kosten durch invasive gebietsfremde Arten auf mehr als 20 Milliarden Euro. Die Pollen des Aufrechten Traubenkrauts etwa lösen Allergien aus, die Blätter des Riesenbärenklaus verursachen Hautentzündungen. Die Wurzeln Asiatischer Staudenknöteriche sind in der Lage, Mauern und Asphalt zu sprengen. Goldruten oder das Drüsige Springkraut bilden riesige Bestände und verdrängen einheimische Pflanzen. Und weil es von Rindern gemieden wird, nimmt das Einjährige Berufkraut ganze Weiden in Beschlag.
Manche Neophyten haben sich bereits derart ausgebreitet, dass sie sich wohl nicht mehr ganz ausmerzen lassen. Erwin Jörg befürwortet deshalb eine Bekämpfungspflicht mit Augenmass. «Die Goldruten überall zu bekämpfen, würde ungeheure Kosten verursachen.» Im überschaubaren Hausgarten allerdings sei es relativ einfach, invasive Pflanzenarten loszuwerden.
Die Art der Bekämpfung unterscheidet sich von Pflanze zu Pflanze – einfaches Mähen reicht bei vielen nicht. «Das Berufkraut muss vor der Blüte ausgerissen werden, sonst wächst es wieder nach», sagt Jörg. Fällt man Kirschlorbeer, Robinie oder Essigbaum, machen sie Stock- und Wurzelaustriebe. Das lasse sich durch Ringeln vermeiden, sagt Jörg, also durch kreisförmiges Entfernen von Rinde im unteren Stammbereich, das die Gehölze langsam absterben lässt. Schwierig sei die Bekämpfung der Staudenknöteriche. «Sie wurzeln bis drei Meter tief in den Boden, man muss sie mit dem Bagger ausgraben.» Bei der Entsorgung vieler Neophyten gilt: besser der Kehrichtverbrennung mitgeben als kompostieren.
Voraussetzung für eine Bekämpfung ist, dass man die unerwünschten Pflanzen erkennt. Weil etwa das Berufkraut leicht verwechselt werden kann mit Kamillen, der Wiesenmargerite oder dem Gänseblümchen, hat der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) gemeinsam mit Houzy eine App lanciert, die Fotos der 17 häufigsten Neophyten im Garten erkennt.
Eine Bekämpfungspflicht für Gartenbesitzer geht dem HEV allerdings zu weit. «Das würde dazu führen, dass staatlich geprüfte Garteninspektoren Grundstücke überprüfen könnten», sagt Annekäthi Krebs, juristische Mitarbeiterin beim HEV. Viel wichtiger sei es, beim Handel anzusetzen. Arten wie der Kirschlorbeer oder der Sommerflieder dürfen nämlich noch immer verkauft werden. Das könnte sich bald ändern. Das Parlament hat Ende 2020 eine Motion gutgeheissen, welche den Verkauf invasiver Pflanzenarten verbieten will. Eine entsprechende Verordnungsänderung ist laut dem Bafu in Vorbereitung.
- Goldrute
Nordamerikanische, gelb blühende Zierpflanzen, die als Bienenweiden bei Imkern beliebt waren. Heute bedrohen sie die heimische Vegetation. Alternativen sind Kleinblütige Königskerze, Echtes Johanniskraut oder Gewöhnlicher Gilbweiderich.
- Essigbaum
Aus Nordamerika stammendes Ziergehölz, attraktiv wegen der rotgelben Herbstfärbung der Blätter. Als Ersatz eignen sich Blumenesche, Vogelbeerbaum, Spitz- oder Bergahorn, die auch für Vögel und Insekten attraktiver sind.
- Kirschlorbeer
Eigentlich in Asien beheimatet und bei Gärtnern als immergrüne Hecke beliebt, die auch im Winter Sichtschutz bietet. Aber der Kirschlorbeer verbreitet sich invasiv. Alternativen sind Stechpalme, Liguster oder Eibe.
- Einjähriges Berufkraut
Aus Nordamerika eingeführte, zierliche Gartenpflanze, die sich in den letzten Jahren vielerorts enorm ausgebreitet hat. Genauso schön und zudem ein einheimisches Insektenbuffet sind die Echte Kamille oder die Hundskamille.
- Sommerflieder
Lila blühender Strauch aus China, dessen Blüten im Sommer viele Insekten anlocken. Er verdrängt in Auenlandschaften aber andere Pflanzen. Stattdessen bieten sich Holunder, Gemeiner Flieder oder Rispenhortensie an.
- Problemtiere im Garten
Auch eingeschleppte Tiere können Schäden verursachen. Der Buchsbaumzünsler hat die bei vielen Gärtnern beliebten Buchssträucher in den letzten Jahren massenhaft kahlgefressen. Der Asiatische Marienkäfer verdrängt einheimische Marienkäfer-Arten. Die Marmorierte Baumwanze verursacht Millionenschäden an Obst und Gemüse. Und die Tigermücke könnte in Zukunft Krankheiten wie das Dengue-Fieber übertragen. Solche Tierarten im Garten zu erkennen und zu bekämpfen, ist oft nicht ganz einfach.
Weitere Informationen finden Sie unter: neophyt.ch
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.