Steuererhöhung für Eigenheimbesitzer: Worum gehts?

Die Zürcher Kantonsregierung hat beschlossen, dass der Wert, zu dem die Liegenschaften versteuert werden müssen, erhöht wird, und zwar praktisch flächendeckend. Das hat Auswirkungen auf deren Besitzer: Sie müssen ab 2027 höhere Steuern bezahlen, und zwar sowohl Vermögenssteuern (weil eben der Steuerwert ihrer Häuser oder Wohnungen steigt) wie auch Einkommenssteuern: Der Eigenmietwert wird als Prozentsatz vom Steuerwert abgeleitet, deshalb steigt automatisch auch das steuerbare Einkommen.

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Wie viel macht die Steuererhöhung konkret aus?

Das kommt darauf an – die Steuerwerte werden je nach Quartier, je nach Gemeinde, je nach Region unterschiedlich stark erhöht. Im Schnitt steigen die Vermögenssteuerwerte um 48 Prozent, der daraus abgeleitete Eigenmietwert um 10 Prozent (für Stockwerkeigentümer) beziehungsweise um 11 Prozent (für Einfamilienhausbesitzerinnen).

Es hängt vom übrigen steuerbaren Einkommen und Vermögen ab, wie stark deswegen die Steuerrechnung effektiv steigt. In einer Art Musterrechnung geht das Zürcher Steueramt beispielsweise bei einem Rentnerehepaar mit einem Einfamilienhaus in Seuzach ZH mit einem Steuerwert von bisher 517’000 Franken von einer Mehrbelastung von 165 Franken pro Jahr aus. Für eine vierköpfige Familie mit einer Eigentumswohnung in der Stadt Zürich (bisheriger Steuerwert 500’000 Franken) steigt die Steuerrechnung hingegen um 2008 Franken pro Jahr.

Warum hat der Zürcher Regierungsrat diese Steuererhöhung beschlossen?

Die naheliegende Antwort ist: weil es mehr Geld in die Staatskasse spült. Die Neubewertung soll laut Schätzungen des Steueramtes zu Mehreinnahmen beim Kanton von rund 40 Millionen Franken bei der Vermögenssteuer und 45 Millionen bei der Einkommenssteuer führen – und dazu gleich ungefähr nochmals so viel bei den Gemeinden. Das entspricht rund einem Prozent der gesamten Steuereinnahmen.

Doch der zuständige Regierungsrat, Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP), betont, der Kanton tue dies nicht wegen der Mehreinnahmen, sondern weil er rechtlich gezwungen sei. In der Tat gibt es mehrere Gerichtsurteile, wonach die Zürcher Liegenschaftsbewertungen systematisch zu tief lägen. Die Bewertungen wurden flächendeckend letztmals 2009 angepasst, seither gingen aber die Immobilienpreise durch die Decke. Im Schnitt stiegen sie in den vergangenen 15 Jahren um rund 50 Prozent. Dadurch wurden die Zürcher Liegenschaftsbesitzer reicher – wenn auch nur auf dem Papier.

Wird jetzt jede einzelne Liegenschaft im Kanton Zürich neu geschätzt? Kommt dafür ein Schätzer oder eine Schätzerin vorbei?

Nein. Schon bisher wurden die Steuerwerte mehrheitlich nicht individuell festgelegt, sondern schematisch aufgrund des Landwerts und des Zeitbauwerts der Liegenschaft, also des Neubaupreises abzüglich einer Altersentwertung, abgeleitet aus dem Gebäudeversicherungswert. Neu wird das System weiter differenziert, es gibt zusätzliche Kategorien – genannt Lageklassen –, um der unterschiedlichen Wertentwicklung je nach Region, je nach Gemeinde, je nach Quartier Rechnung zu tragen. Die Lageklasse ist die Basis, um den Landwert zu berechnen. Wer will, kann ab sofort prüfen, in welche Lageklasse seine eigene Liegenschaft eingeteilt ist (maps.zh.ch, Filter: Lageklassen).

Was kann ich als Zürcher Liegenschaftsbesitzer jetzt dagegen tun?

Rein rechtlich: im Moment nichts. Die neue Weisung gilt ab 2026. Das heisst: Anfang 2027 erhalten die Liegenschaftsbesitzer zusammen mit der Steuererklärung Bescheid darüber, auf welchen Wert ihr Haus oder ihre Wohnung neu geschätzt wird und welche Auswirkung dies auf den Eigenmietwert haben wird. Erst dagegen können die Betroffenen Einsprache erheben und eine individuelle Neubeurteilung verlangen. Erfolgversprechend ist dies indes nur, wenn man belegen kann, dass der neue Wert deutlich höher liegt als 70 Prozent des Marktwerts. Sonst erleidet man spätestens vor Bundesgericht Schiffbruch – vorausgesetzt, das Bundesgericht bleibt bei seiner bisherigen Praxis.

Kann das Volk nicht über die Erhöhung des Steuerwerts abstimmen?

Nein. Das Parlament und/oder die Stimmberechtigten können zwar über Steuererhöhungen entscheiden. Aber hier werden nicht die Steuersätze erhöht, sondern die Kriterien geändert, aufgrund derer der Wert einer Liegenschaft bestimmt wird. Das liegt in der Kompetenz des Regierungsrates; dieser hat dem Steueramt entsprechend Weisung erteilt.

Das Ganze ist aber natürlich politisch relevant und brisant. Der Hauseigentümerverband als Lobbyorganisation der Immobilienbesitzerinnen und -besitzer hat bereits Widerstand angekündigt, die Sache kommt sicher im Kantonsparlament zur Sprache. Betroffene, die einen Politiker, eine Politikerin persönlich kennen, können Kontakt aufnehmen und versuchen, Druck aufzusetzen.

Was ist, wenn ich den höheren Eigenmietwert nicht bezahlen kann?

Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das aber real versteuert werden muss: Es sind die hypothetischen Einnahmen, wenn die Wohnung vermietet würde. Er soll für gleich lange Spiesse mit Mieterinnen sorgen, weil diese – anders als Liegenschaftsbesitzer – keine Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten abziehen können. Vor allem bei Rentnerinnen und Rentnern, welche die Hypothek fast oder ganz abbezahlt haben und nur ein relativ tiefes Einkommen aus AHV und allenfalls Pensionskasse haben, kann der Eigenmietwert zu einer sehr hohen Steuerlast führen.

Für sie gab es bis vor kurzem eine Härtefallregelung: Wenn der Eigenmietwert höher als ein Drittel der gesamten steuerpflichtigen Einkünfte lag, wurde er entsprechend gekürzt. Weil es für diese Härtefallregelung aber keine genügende gesetzliche Grundlage gab, wurde sie 2023 nach einem entsprechenden Bundesgerichtsurteil abgeschafft. Nun will der Zürcher Regierungsrat eine solche Regelung wieder einführen und dafür das Steuergesetz anpassen. Es solle niemand wegen des höheren Eigenmietwerts das Eigenheim verlassen müssen, erklärte der Finanzdirektor.

Ich dachte, der Eigenmietwert werde ohnehin bald abgeschafft.

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Diskussion darüber läuft seit Jahren auf eidgenössischer Ebene. Doch ein Entscheid ist noch nicht gefallen, weil sich National- und Ständerat bislang nicht einig sind Wohneigentum besteuern Der ewige Streit um den Eigenmietwert . Zur Debatte stehen mehrere unterschiedliche Varianten. Möglich ist aber auch, dass das ganze Vorhaben scheitert und alles beim Alten bleibt – obwohl die Lobby der Hauseigentümer seit langem auf eine Abschaffung des Eigenmietwerts pocht. Bis auf eidgenössischer Ebene ein Entscheid gefällt wird und allenfalls auch das Volk darüber abgestimmt hat, sind die Kantone verpflichtet, den Eigenmietwert zu besteuern. Der Kanton Zürich kann ihn also gar nicht in Eigenregie abschaffen.

Ich habe eine Liegenschaft in einem anderen Kanton. Was bedeutet der Zürcher Entscheid für mich?

Juristisch betrachtet nichts, praktisch aber vielleicht schon. Grundsätzlich hat der Zürcher Entscheid keinen Einfluss auf andere Kantone. Aber Signalwirkung hat er möglicherweise dennoch: Andere Kantone könnten auch auf den Geschmack kommen, die landesweit gestiegenen Immobilienpreise als Geldquelle für die Staatskasse zu nutzen.

In einigen Kantonen wurden bereits bisher periodisch alle Steuerwerte überprüft und allenfalls erhöht. Aber dieser Turnus lässt sich steigern – im Extremfall könnten die Werte jedes Jahr erhöht werden. Ohnehin wären im Prinzip laut Bundesgericht alle Kantone verpflichtet, die Liegenschafts-Steuerwerte auf mindestens 70 Prozent des effektiven Marktwerts festzulegen, den Eigenmietwert auf 60 bis 70 Prozent der Marktmiete. Doch nicht alle Kantone handhaben dies gleich.

Ich besitze keine Liegenschaft. Welche Auswirkungen hat der Zürcher Entscheid auf mich?

Mehr Steuergerechtigkeit. Wer beispielsweise eine halbe Million Franken auf dem Bankkonto hat oder Wertschriften wie Aktien besitzt, zahlt auf dem gesamten aktuellen Marktwert Vermögenssteuern. Wer für eine halbe Million eine Liegenschaft kauft, versteuert plötzlich nur noch 400’000 oder gar nur 300’000 Franken davon. Das verstösst eigentlich gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit.