Die erstaunliche Geduld der Immo-Betrüger
Erst im vierten Mail verlangte der angebliche Vermieter Geld. Die Betrüger haben es aber nicht nur darauf abgesehen.
Veröffentlicht am 2. Juni 2022 - 17:22 Uhr
Das Angebot war gut, mehr nicht. Keine Traumwohnung zum Schnäppchenpreis, sondern 1800 Franken für zwei Zimmer, zentral im Zürcher Kreis 4, inseriert auf dem Online-Portal homegate.ch. Jana Koller* (Name geändert) war interessiert.
Die erste Antwortmail kam harmlos daher. Wohnungsbesitzer Christian Malle schrieb, er weile im Ausland und sein Schwiegersohn habe das Inserat geschaltet. Ansonsten wollte er lediglich wissen, ob sie allein und an einem langfristigen Mietverhältnis interessiert sei. Dazu lieferte er mehrere Fotos, die eindeutig Aufnahmen der inserierten Wohnung zeigten, das erkannte die Kreis-4-Kennerin Koller. Der Balkon, der Blick in den Innenhof; alles stimmte.
Erst bei der vierten Mail wurde es konkret. Sie könne die Wohnung gern besichtigen, der Schwiegersohn aus Bern werde nach Zürich kommen. Dafür verlangte er aber eine Sicherheit. Über das Wohnungsportal Airbnb solle Koller ihm einen bestimmten Betrag überweisen. Erst jetzt dämmerte es der 38-Jährigen, dass «Christian Malle» und das Inserat wohl ein Schwindel sind.
Die Masche ist nicht ganz neu, doch sie scheint gerade besonders aktuell zu sein. Auch bei zwei weiteren Inseraten, die Koller von Homegate vorgeschlagen wurden, stellte sich heraus, dass sie nicht echt sind. Die angeblichen Wohnungsbesitzer versprachen ebenfalls einen schnellen Besichtigungstermin, sie gaben sogar bereits eine Zusage – verlangten aber vorher Geld.
Die Immobilienportale kennen das Problem und versuchen, dagegen anzugehen. Alle Inserate würden vor der Veröffentlichung geprüft, sagt Fabian Korn von Homegate. Die meisten betrügerischen Angebote erkenne man so rechtzeitig und lösche sie. «Wenn aber erst in der privaten Mail Geld gefordert wird, ist das schwierig.»
Die Betrüger verwenden oft Fotos, die sie aus anderen, echten Wohnungsinseraten aus dem Internet heruntergeladen haben. Manchmal, in Fällen wie dem von Jana Koller, fügen sie ihren Mails geklaute Bilder von Identitätskarten oder Pässen bei, um Seriosität vorzugaukeln.
Eigentlich ist es nicht schwer, Betrugsversuche zu erkennen. Mögen die Angaben noch so stimmig, die Geschichte noch so glaubwürdig sein. «Nie würde ein Eigentümer seine Wohnung an jemanden vermieten, den er vorher nicht gesehen hat», sagt Wohnexpertin Rosmarie Naef vom Beratungsteam des Beobachters. Vor allem solle man nie Geld überweisen, bevor man einen Mietvertrag unterschrieben und die Wohnung besichtigt hat. Das Gleiche gilt für persönliche Daten, Kontoangaben, Ausweiskopien. Die Betrüger verwenden sie sonst für ihre Tricks.
Wenn ein Inserat verdächtig erscheint, sollen Wohnungssuchende das unbedingt melden, sagt Homegate-Sprecher Korn. Das Unternehmen überprüfe dann Inserat und Inserent und lösche alle falschen Angebote.
Die Gauner ganz zu stoppen, gelingt den Immobilienportalen jedoch nicht. Sie operieren meist aus dem Ausland, benutzen immer wieder neue Mailadressen, legen sich neue Konten an. Erst vor ein paar Tagen bekam Jana Koller von einer Freundin eine Mail. Sie habe ein Wohnungsinserat gesehen, das sie interessieren könnte. Zweieinhalb Zimmer, 1800 Franken, einigermassen zentral. Der Inserent? Ein gewisser Christian Malle.
Schauen Sie genau hin. Nicht alle Betrüger gehen raffiniert vor. Auf manchen Bildern von angeblichen Schweizer Wohnungen sind zum Beispiel ausländische Steckdosen zu sehen.
Seien Sie vorsichtig mit Zahlungen. Überweisen Sie kein Geld, bevor Sie die Wohnung besichtigt und einen Mietvertrag unterschrieben haben. Unterzeichnen Sie keine Verträge, die nicht in deutscher Sprache verfasst sind und die einen Gerichtsstand angeben, der ausserhalb der Schweiz liegt.
Versenden Sie auch keine Ausweiskopien, Kontoangaben, allgemein keine persönlichen Daten. Gauner verwenden sie, um damit gefälschte Identitäten aufzubauen.
Erscheint Ihnen etwas eigenartig, erkundigen Sie sich beim zuständigen Grundbuchamt, wem eine Wohnung wirklich gehört. Dieses gibt jeder interessierten Person Auskunft. Sie brauchen nur die Adresse des Objekts anzugeben. Die umgekehrte Anfrage funktioniert allerdings nicht: «Hat XY irgendwo Grundeigentum?»
Bei einer Wohnungsbesichtigung bleibt meist nicht viel Zeit übrig. Umso wichtiger ist es, vorher eine Liste mit Prioritäten zu erstellen, um vor Ort bei offenen Fragen nachzuhaken. Sind Haustiere in der Wohnung erlaubt? Gibt es verdeckte Lärmquellen in der Nähe? Beobachter-Mitglieder sind mit der Checkliste «Passt die Wohnung» optimal für die Wohnungssuche vorbereitet.
4 Kommentare
Es sollte eine Stelle für Cybercrime oder Betrügereien geben, an die man diese Mails von Betrügern weiterleiten kann. Vielleicht könnte man anhand der IP Adresse diese Menschen ermitteln. Meist sind die Inserate gelöscht wenn man die Betrugs-Mails erhält.
Ich habe eben eine franz. Studentin bei mir für 3 Monate aufgenommen, die um 1700 CHF abgezoggt wurde und quasi vor dem NICHTS in Zürich stand. Wir waren bei der Polizei und es gibt wohl keine Chance, die zu fassen. Traurig, traurig. Der Mietvertrag umfasste 7 Seiten und war professionell gemacht. Die Carmenstrasse 3, wo das WG-Zimmer sein soll gibt es und das ganze war wirklich krass aufgebaut.
Frage: Wenn man bei WG-Zimmer um eine Kaution von 1000 CHF gefragt wird, ist das notwendig/legal? Es war für 3 Monate.
Homegate geht wenigstens Meldungen nach. Bei Facebook ist es etwas schwieriger. Ein angeblicher Michael Hueber verteilt zwar keine Likes, verkauft aber u.a. ein Cannondale E-Bike, dessen Bild, so wage ich zu vermuten, ebenso geklaut ist wie sein Porträt- und Titelbild: Beides sind Fotos, die er von meinem Facebook-Profil kopiert hat. Ich glaube daher nicht wirklich, dass dieser Michael Hueber existiert. Seit drei Wochen versuche ich, die gestohlenen Fotos und den Rechtsmissbrauch bei Facebook zu melden, erhalte aber nur den Hinweis, dass sie nicht gegen die "Gemeinschaftsstandards" verstossen. Meine Empfehlung: nichts bei Facebook von Unbekannten kaufen - und schon gar keine Vorauszahlungen leisten.
Danke für's Teilen Ihrer leider negativen Erfahrung. Im Text zitieren Sie "...dass sie nicht gegen die "Gemeinschaftsstandards" verstossen..." Wen meint FB damit? Sich selbst, also Facebook, oder den mysteriösen Michael Hueber? Das ist aber eigentlich egal, denn Tatsache ist doch wohl, dass FB damit eindeutig vermeintliche Straftaten unterstützt und da können die sich doch ihre Gemeinschaftsstandards sonst wo hin stecken! Ich kann mir gut vorstellen, dass dort u.a. auch Diebesgut angeboten wird, aber FB schliesst die Augen und hält sich raus. Ich habe gerade mal "spasseshalber" auf FB geschaut: Es gibt tatsächlich 61 Konten/Seiten unter dem Namen Michael Huber, wovon die meisten dieser Seiten ohne Bild oder irgendwelche Texte sind. Das wirft ernsthafte Fragen auf. Aber ich denke, dass es Tausende solcher Konten auf FB und auch auf anderen "sozialen" Netzwerken gibt, denn es ist natürlich von FB kaum möglich, ohne kostspielige Einsätze von echten Angestellten (= Menschen aus Fleisch und Blut), rentabel und verwaltbar zu bleiben. Das ist sicher nicht das Ziel von Facebook. Wen wundert's? Das empfinde als ich natürlich auch als skandalös! Aber gegen FB kommt man nicht an... Es sind die anderen Medien gefordert (z.B. ab und an in den TV-Nachrichten erwähnen). Und vorallem auch versuchen alle (!) Zielgruppen anzusprechen! Dies müsste gebetsmühlenartig immer wieder neu an die Öffentlichkeit gebracht werden.