Erste Schritte in der Arbeitswelt
Arbeitszeit, Lohn und Ferien – wer hat da schon den Überblick? Die wichtigsten Fragen, die sich in der Lehre stellen, und die Antworten darauf.
aktualisiert am 29. Mai 2024 - 08:50 Uhr
Das sind die wichtigsten Themen in der Lehre:
Arbeitsbedingungen für Lernende
Was soll ich am ersten Tag anziehen?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab – Beruf, Betrieb und ob Sie Kundenkontakt haben. Allfällige Berufskleider
erhalten Sie spätestens am ersten Tag. Sonst waren Sie sicher beim Schnuppern oder zu Gesprächen im Geschäft und können sich an der Kleidung der anderen orientieren. Oder Sie fragen den Chef. Das ist immer noch angenehmer, als wenn Sie sich dann in der weissen Bluse oder im Schlabber-Shirt unangemessen gekleidet fühlen.
Darf mir die Chefin verbieten, das Handy zu benutzen?
Ja, denn die Arbeitszeit ist zum Arbeiten da. In Ausnahmesituationen können Sie sich mit der Ausbildnerin absprechen oder Ihren Lieben eine andere Notfallnummer angeben. Wenn Sie das Handy während der Arbeitszeit nicht benutzen, darf es die Chefin nicht einziehen.
Lesen Sie als Beobachter-Mitglied, welche Regeln bei der Nutzung von Geschäftshandys gelten.
Manche Kolleginnen und Kollegen in der Berufsschule können teilweise im Homeoffice arbeiten. Habe ich auch ein Recht darauf?
Nein. Sie können aber fragen, ob Sie einzelne Tage zu Hause bleiben
können, um konzentriert und selbständig zu arbeiten. Wenn man daheim arbeitet, darf die Ausbildung nicht leiden.
Ich muss ständig kopieren, scannen, Botengänge erledigen oder Kaffee bringen. Meine Kolleginnen in der Berufsschule können richtig mit anpacken. Kann ich mich wehren?
Ja. Im Lehrvertrag verpflichtet sich der Arbeitgeber, Sie fachgerecht im gewählten Beruf auszubilden. Ihre Arbeit muss diesen Zweck erfüllen
. Gerade zu Beginn der Lehre erledigen Lernende oft einfachere Arbeiten. Doch das darf kein Dauerzustand sein. Sie sollen an die Tätigkeiten des Berufs herangeführt werden. Kopieren und Scannen gehören je nach Ausbildung dazu – aber nicht nur.
In den Bildungsverordnungen und Bildungsplänen ist pro Beruf definiert, welche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden müssen. Wenn sich der Chef nicht daran hält: Suchen Sie das Gespräch mit ihm oder wenden Sie sich ans kantonale Berufsbildungsamt.
Arbeitszeiten und Ferien
Wie lange muss ich pro Tag arbeiten?
Die Arbeitszeit steht im Lehrvertrag. Sie darf nicht länger sein als die der anderen Angestellten, maximal aber neun Stunden pro Tag. Mehrarbeit ist nur in diesem Rahmen erlaubt. Für Minderjährige ist vor Berufsschultagen spätestens um 20 Uhr Feierabend, sonst um 22 Uhr. Und: Bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Tag müssen Minderjährige mindestens zwölf Stunden Ruhezeit haben. Es gibt Ausnahmen, je nach Alter und Beruf; das kantonale Arbeitsinspektorat gibt Auskunft. Volljährige Lernende geniessen keine Extrawurst mehr. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für die übrigen Angestellten.
Wenn Sie bei Gemeinde, Stadt, Kanton oder Bund oder bei dazugehörigen Einrichtungen angestellt sind, gelten für Sie andere Gesetze und Bestimmungen. Erkundigen Sie sich deshalb beim Personalamt.
Wann darf ich Pause machen?
An ganzen Arbeitstagen müssen Sie die Arbeit für mindestens eine halbe Stunde unterbrechen – um die Mitte der Arbeitszeit, meist zum Mittagessen. Als ganz gelten Arbeitstage mit über sieben bis neun Stunden. Sobald Sie mehr als fünfeinhalb Stunden am Stück arbeiten, ist eine viertelstündige Pause Pflicht. Das gilt für kürzere Arbeitstage sowie für einzelne Arbeitsblöcke am Vor- und am Nachmittag. Bei flexibler Arbeitszeit zählt der Tagesdurchschnitt. Der Betrieb kann zusätzliche Pausen gewähren.
Wie viele Wochen Ferien habe ich, und wann darf ich sie nehmen?
Bis zum vollendeten 20. Altersjahr haben Sie Anspruch auf mindestens fünf Ferienwochen pro Jahr. Den Ferienzeitpunkt
bestimmt grundsätzlich der Arbeitgeber. Dabei muss er möglichst auf Ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen, insbesondere auf die Berufsschulferien. Wenn Sie während der Schulzeit Ferien nehmen, müssen Sie den Unterricht trotzdem besuchen – ausser Ihre Schule kennt Jokertage. Besuchte Schultage zählen nicht als Ferien.
Ausbildung und Berufsschule
Wir arbeiten 8,25 Stunden pro Tag. An Berufsschultagen mit acht Lektionen à 45 Minuten erreiche ich das nicht. Muss ich nach Schulschluss arbeiten?
Nein, denn im Lehrvertrag ist festgehalten, dass ein ganzer Schultag einem Arbeitstag entspricht. Gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation ist das ab sechs Lektionen der Fall. Bei Gleitzeitsystemen empfiehlt das Amt, eine Lektion mit Pause als eine Arbeitsstunde (à 60 Minuten) zu rechnen. Doch die Mittagspause zählt zur Freizeit.
Was gilt an kürzeren Schultagen und wenn Lektionen ausfallen?
Der Betrieb kann entscheiden, ob Sie in der Restzeit arbeiten, Ihre Lerndokumentation nachführen oder Hausaufgaben erledigen. Wenn der Unterricht ganz ausfällt, müssen Sie das dem Betrieb melden und arbeiten.
Ich bin gut in der Schule und würde gern mit einem Freikurs ein Sprachdiplom erlangen. Darf ich das?
Ja, wenn der Arbeitgeber zustimmt, dürfen Sie bis zu einen halben Tag pro Woche in der Arbeitszeit Freifächer der Berufsschule besuchen. Wenn Sie sich nicht einig werden, entscheidet das kantonale Berufsbildungsamt.
Was geschieht bei schlechten Noten in der Lehre?
Die Berufsschule wird mit Ihnen und dem Lehrbetrieb das Gespräch suchen und kann Stützkurse empfehlen oder anordnen. Bei Uneinigkeit entscheidet das Berufsbildungsamt. Einige Betriebe bieten zudem Aufgabenhilfen an.
Sie können auch selber nach Stützkursen und anderen Lernhilfen fragen. Angeordnete Kurse bezahlt das Geschäft, selbst gewählte müssen Sie – ohne andere Abmachung – selbst berappen. Falls der Stützkurs während der Arbeitszeit stattfindet, muss Ihnen der Betrieb dafür bis zu einen halben Tag pro Woche gewähren – ohne Lohnabzug. Wenn der Kurs ausserhalb der Arbeitszeit stattfindet, gilt das als Freizeit.
Lehrlingslohn
Warum verdiene ich eigentlich so wenig?
Lernende sind am Anfang noch weniger produktiv, danach nehmen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten stetig zu. Deshalb steigt der Lehrlingslohn in der Regel jährlich an. Der Arbeitgeber schuldet Ihnen neben dem Lohn auch Ausbildung. Und er muss Ihnen für den Schulbesuch frei geben. All das sind Lohnbestandteile. Was Sie verdienen, ist Verhandlungssache und wird für jedes Lehrjahr separat im Lehrvertrag angegeben. Manche Branchen kennen Lohnempfehlungen.
Wem gehört eigentlich mein Lohn? Mir oder den Eltern?
Der Lehrlingslohn gehört Ihnen. Doch Ihre Eltern können von Ihnen einen angemessenen Beitrag für Kost und Logis verlangen
, wenn Sie noch bei ihnen wohnen. Pro Juventute empfiehlt ein Kostgeld von 10 bis 20 Prozent des Lehrlingslohns. Zu berücksichtigen sind die finanziellen Verhältnisse der Familie oder was Sie mit dem Lehrlingslohn selber bezahlen. Die Plattform
Budgetberatung.ch bietet Berechnungsvorlagen. Sie können Ihren Beitrag auch mit Garten- und Haushaltsarbeit leisten.
Alle Berufsschulkollegen erhalten einen 13. Monatslohn, nur ich nicht. Habe ich auch Anspruch darauf?
Das steht in Ihrem Lehrvertrag.
Kündigung des Lehrvertrags
Kann mir auch gekündigt werden?
Ja. Wenn sich bereits in der Probezeit Schwächen abzeichnen, kann der Betrieb den Vertrag jederzeit beenden. Später ist eine vorzeitige Vertragsauflösung nur möglich, wenn Sie und der Lehrbetrieb sich einigen oder wenn besonders wichtige Gründe vorliegen. Das wird streng beurteilt. Wichtige Gründe sind etwa, wenn Sie geistig oder körperlich überfordert wären oder wenn sich die Berufsbildner fachlich oder persönlich nicht eignen. Dann wäre der Erfolg Ihrer Lehre in Gefahr.
Der Vertrag kann auch aufgelöst werden, wenn Sie etwa das Geschäft bestehlen oder sich ausfällig verhalten und so gegen Ihre Treuepflicht verstossen und den Vertrag verletzen. Das Berufsbildungsamt überprüft, ob die Gründe wichtig genug sind. Es muss einer Auflösung zustimmen und hilft Lernenden, eine Anschlusslösung zu finden.
Wie lange ist die Probezeit, und welche Kündigungsfrist gilt?
Die Probezeit ist im Lehrvertrag angegeben. Sie muss zwischen einem und drei Monaten betragen. Ohne Angabe gelten drei Monate. Die Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt sieben Tage. In Ausnahmefällen und mit Zustimmung des kantonalen Berufsbildungsamts kann die Probezeit auf bis zu sechs Monate verlängert werden.
Anlaufstellen bei Problemen in der Lehre
Wenn es in der Lehre nicht gut läuft, sollte man Hilfe beanspruchen. Je nach Problem können folgende Personen oder Stellen unterstützen:
- Eltern
- Ausbildner
- Chefin
- Personalabteilung
- Kantonale Berufsbildungsämter
- Kantonales Beratungs- und Informationszentrum für Bildung und Beruf (BIZ)
- Job Caddie (vermittelt kostenlos Mentorinnen und Mentoren)
Bist du unzufrieden mit deiner Lehre und denkst darüber nach, den Lehrvertrag zu kündigen? Oder hat dein Lehrmeister kurzerhand entschlossen, deine Probezeit zu verlängern? Als Mitglied findest du beim Beobachter Antworten zu deinen Rechten und Pflichten als Lernende.
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