So sag ichs dem Chef
Mit Vorgesetzten verhandeln: eine aussichtslose Sache, weil diese sowieso am längeren Hebel sitzen? Nicht, wenn Angestellte ein paar Grundregeln beherzigen.
aktualisiert am 24. September 2015 - 17:18 Uhr
Alltag im Grossraumbüro: Der Kollege brüllt ins Telefon, in der Ecke scharen sich die üblichen Verdächtigen zum Small Talk. Zwei Vertriebskollegen mit angeblich superdringenden Anliegen bauen sich vor dem Pult auf. Wie, bitte schön, soll man hier arbeiten? Entschlossen geht der entnervte Mitarbeiter zum Chef und fordert: «Ich brauche ein Einzelbüro.» Verständlich – aber aus Sicht der Vorgesetzten vermutlich nicht überzeugend, sagt der deutsche Autor und Coach Volker Kitz. Und nennt eine der Grundregeln des Verhandelns: Fragen Sie sich, was der andere davon hat, wenn er auf das eingeht, was Sie gerne hätten.
Dies empfiehlt auch Othmar Fries, Coach und Firmenberater aus Luzern. «Es ist wichtig, in die Schuhe des Gegenübers zu schlüpfen», sagt er. Damit löse man bei Chefs in der Regel Goodwill und Verhandlungsbereitschaft aus. Bevor man in sein Büro marschiert, sollte man sich fragen: Was könnte der Chef wollen? Was ist ihm wichtig? Wie finden wir einen gemeinsamen Nenner? Vorteilhaft sei, sich Lösungen zuhanden des Chefs zu überlegen, sagt Fries. Will ein guter Mitarbeiter sein Pensum reduzieren, dürfte der Chef zögern, diesem Wunsch einfach so zuzustimmen. Legt der Angestellte aber praktikable Ideen dazu vor, wie der Stundenausfall kompensiert oder wer als Ersatz eingearbeitet werden kann, hat er sofort bessere Karten.
Vorgesetzte funktionieren wie alle Menschen: Sie akzeptieren einen Vorschlag am ehesten dann, wenn er ihnen mehr Vor- als Nachteile verspricht. Angestellte, die bloss Forderungen stellen, stossen meist auf Ablehnung, sagt Verhandlungsberater Jérôme Racine aus Therwil BL. Besser sei es, sich gründlich zu überlegen, was das Wichtigste sei, und dann eine Strategie zu entwickeln, es zu erfüllen. «Man sollte nie in eine Verhandlung gehen mit der Bereitschaft, die Hauptanliegen zu opfern», rät Racine. Allerdings, fügt er an, sollte man dies auch von der anderen Partei nicht erwarten oder gar verlangen.
Am Ende der Verhandlung darf durchaus ein Kompromiss stehen – solange es ein guter ist. Es soll weder Sieger noch Verlierer geben. Beide Seiten sollten das Ergebnis als fair und nachvollziehbar betrachten können. Das sorgt für gelöste Stimmung: Nach einer gelungenen Verhandlung ist die Arbeitsbeziehung gleich gut oder besser als vorher. Eines darf man nicht vergessen: «Bei Verhandlungen am Arbeitsplatz sind die Machtverhältnisse oft ungleich», sagt Jérôme Racine. Chefs sind nicht gezwungen, mit ihren Mitarbeitern zu verhandeln, sie können sich kraft ihrer Autorität durchsetzen. Der grösste Fehler wäre, sich in Machtkämpfe zu verstricken – das verhärtet die Fronten und endet in der Sackgasse. Klüger ist es, einen weiteren Punkt erfolgreichen Verhandelns zu beherzigen: Zeigen Sie als weniger mächtige Person die Vorteile einer gütlichen Lösung auf. Der Lärmgeplagte aus dem Grossraumbüro könnte laut Volker Kitz also so vorgehen: «Wenn ich mehr Ruhe habe zum Telefonieren, kann ich in Zukunft auch die schwierigen Kundenanrufe übernehmen, die sonst bei Ihnen landen.»
Wie begründe ich plausibel, dass ich aus gesundheitlichen Gründen ein Stehpult brauche?
Goethe und Schiller schrieben am Stehpult Geniales. Das dürfte Ihren Chef aber vermutlich nur am Rande interessieren. Heute wird die Arbeit im Stehen vorab Leuten empfohlen, deren Lendenwirbelsäule Probleme macht – «weil man weiss, dass der Wechsel zwischen sitzender und stehender Haltung Rückenschmerzen vorbeugt und auch beim akuten Schmerz hilft», sagt Andreas Martens vom Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene. Effekt für die Firma: weniger Ausfalltage, weniger Kosten. Denn jeder «Fehlzeitentag» kostet im Schnitt 600 Franken. Ein Stehpult kann sich rasch auszahlen. Sind krankheitsbedingt besondere Arbeitsmittel erforderlich, kann der Betroffene bei seiner Krankenkasse eine Kostenbeteiligung beantragen.
Wie lege ich dar, dass ich nicht mehr Projekt- und Teamleiter sein will, ohne dass das ein Problem wird?
Einfach sagen: «Ich will nicht mehr», ist unklug. Besser: Begründen Sie frühzeitig und klar, warum der Nutzen für die Firma höher ist, wenn Sie wieder als Fachkraft arbeiten. Haben Sie gemerkt, dass Ihnen das Führen nur bedingt liegt, können Sie dies durchaus einräumen. Zeigen Sie sich aber bereit, Projekt- oder Teamleiter zu bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Und machen Sie Vorschläge, wer dafür in Frage käme. Coach Othmar Fries: «Vor allem, wenn ein erfolgreicher Projekt- und Teamleiter zurücktreten will, muss dieser mit der Enttäuschung des Chefs rechnen.» Dies gelte es auszuhalten. Man könne es aber kompensieren, indem man engagiert mitdenke.
Wie argumentiere ich überzeugend, dass ich einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten will?
Prüfen Sie, welche Ihrer Aufgaben sich gut für Telearbeit eignen. Und prüfen Sie sich selbst, bevor Sie zum Chef gehen: Können Sie ihm zusichern, dass Sie sich selbst organisieren können? Dies ist für Telearbeit genauso wichtig wie eine funktionierende Infrastruktur. Werfen Sie weitere Gründe ein, rät der Zürcher Telearbeit-Spezialist Philipp Zutt: dass Ihr Büroplatz an Ihrem Heimarbeitstag von anderen genutzt werden kann, was Kosten spart. Dass Telearbeit gut ist fürs Image und um gute Leute zu finden. Dass Sie Ihre Familie mehr sehen, was sich positiv auf Ihr Wohlbefinden auswirkt, wovon wiederum die Firma profitiert. Handeln Sie dann die Bedingungen aus, etwa Ihre Erreichbarkeit, den Zugang zu Daten, den Informatiksupport.
Wie kann ich schlüssig begründen, dass ich als Projekt- oder Teamleiterin die Richtige bin?
«Ich muss zum einen wissen, was eine Projekt- und Teamleiterin können muss», sagt die Personalberaterin Claire Barmettler. «Zum anderen sollte ich meine eigenen Kompetenzen kennen, sie beweisen und belegen können.» Dabei können Sie sich auf Ihre Mitarbeiterbeurteilung stützen. Sich selber einschätzen heisst auch, seine Defizite kennen. Signalisieren Sie, dass Sie an sich arbeiten. Machen Sie den Vorschlag, sich als Stellvertreterin zu beweisen. Und sagen Sie, dass Sie dazulernen wollen – und dass Sie bereit sind, dafür Zeit und Geld zu investieren.