Wenns knistert im Büro
Eine Büro-Romanze kann Probleme mit sich bringen – auch rechtliche.
Veröffentlicht am 19. Juni 2018 - 11:05 Uhr,
aktualisiert am 21. Juni 2018 - 10:53 Uhr
Sie mochten sich auf Anhieb. Sie, die 26-jährige aufstrebende Kadermitarbeiterin. Er, das 46-jährige Geschäftsleitungsmitglied. Zuerst kam es hie und da zu einem Schwatz, später folgten gemeinsame Mittagessen, irgendwann tauschten sie am Abend und am Wochenende SMS aus.
Dann kam jener Sonntag, an dem Markus Selena fragte, ob sie mit ihm spazieren gehen wolle. «Ich hatte schon lange eine Anziehung gespürt. Aber ich konnte nicht wirklich einordnen, wie er dazu stand», erinnert sie sich. Die ersten Treffen liefen unschuldig ab. Spazieren, reden. Doch nach einigen Wochen kam der erste Kuss.
Mit kaum jemandem verbringt man so viel Zeit wie mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen. Und so ist der Arbeitsplatz auch im Internetzeitalter eine der wichtigsten Partnerbörsen überhaupt. Eine Datenanalyse des US-Wirtschaftsmediums Bloomberg zeigte unlängst: Lehrer heiraten am häufigsten Lehrer, Ärzte Ärzte, Flugbegleiter Flugbegleiter, Anwälte Anwälte und Köche Kellner, Restaurantmanager oder Hauswirtschaftsangestellte.
Wie oft man sich in der Schweiz bei der Arbeit verliebt, zeigt eine Umfrage des Karrierenetzwerks Xing vom letzten Herbst. Demnach hatte fast jeder vierte Deutschschweizer schon einmal eine Affäre mit jemandem aus der Firma. Am häufigsten passiert das unter Kollegen auf derselben Hierarchiestufe (62 Prozent der Fälle). 13 Prozent der weiblichen Befragten gingen schon mal eine Affäre mit ihrem Vorgesetzten ein; bei den Männern waren es sieben Prozent. Und jeder Fünfte der Befragten hatte schon mal eine längere Beziehung mit jemandem in seiner Firma.
Die junge Beziehung von Selena und Markus war belastet – vor allem auch, weil Markus der Vorgesetzte von Selenas Chefin war. Und es sollte noch komplizierter werden. Kurz nachdem die beiden ein Paar geworden waren, gabs im Geschäft Umwälzungen: Selena wurde befördert, ihre Chefin entlassen – und plötzlich war Selena Markus direkt unterstellt.
Selena wollte nicht, dass ihre Kollegen von der Beziehung mit Markus wussten. «Meine jahrelange gute Leistung, meine Kompetenz für den Job und dass ich beim Team sehr beliebt war, das alles wäre plötzlich irrelevant gewesen.» Plötzlich gehe es nicht nur um eine Beziehung, sondern auch um den Job, die Reputation, sagt die 26-Jährige. «Letztlich ist es eine Entscheidung Vernunft versus Gefühle.» Ihre Bedenken waren so gross, dass sie ein Jahr lang weder Familie noch Freunden von ihrer Liebe erzählte.
Nicht alle Arbeitgeber sehen es gern, wenn sich Angestellte näherkommen. Doch vom Arbeitsrecht her dürfen Betriebe eine Liebe am Arbeitsplatz nicht verbieten. «Eine Beziehung, auch wenn sie mit einem Arbeitskollegen gelebt wird, ist zunächst und vor allem eine Privatsache», schreibt Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph von der Uni Zürich im Jusletter «Amor at Work».
Der Arbeitgeber darf aber verlangen, dass er unter gewissen Umständen über die Beziehung informiert wird. Das Timing für das Offenlegen einer neuen Beziehung ist eine grosse Herausforderung. Denn einerseits entwickelt sich eine Verbindung erst über eine gewisse Zeit hinweg. Andererseits kann es bereits in dieser ersten Bestätigungsphase zu Interessenkonflikten kommen.
7 %der Männer hatten schon |
13 %der Frauen hatten schon |
25 %der Deutschschweizer hatten |
Insbesondere bei Banken und Versicherungen, bei Compliance-, Revisions- oder Controllingtätigkeiten und generell in stark regulierten Bereichen sei eine Meldepflicht keine Seltenheit, erklärt Rudolph. Das soll in erster Linie Interessenkollisionen vermeiden.
Die Pflicht, innerbetriebliche Beziehungen offenzulegen, gilt aber bereits bei der Anstellung. Wer sich also für eine Stelle bewirbt und dabei verschweigt, dass er mit dem künftigen Chef oder der Chefin liiert ist, riskiert im schlimmsten Fall eine Entlassung, sollte die Wahrheit später ans Licht kommen.
Sobald eine Beziehung – oder deren Ende – schliesslich die Leistung oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt oder das Arbeitsklima negativ beeinflusst, verändert sich die Situation. Jetzt kann der Arbeitgeber eingreifen . So darf er den beiden beispielsweise persönliche Gespräche und Berührungen verbieten. «Auch wenn es kleinlich, bieder oder überkommen wirken mag: Es liegt im berechtigten Interesse des Arbeitgebers, in seinem Betrieb eine professionelle Arbeitssituation zu schaffen. Eine, die frei von persönlichen Zuneigungen ist, die über das übliche Mass von Sympathiebekundungen unter Arbeitskollegen hinausgehen», sagt Experte Rudolph.
Beziehungen von Angestellten auf gleicher Stufe sind arbeitsrechtlich weitgehend unproblematisch. Heikler wird es, wenn die Liebenden in einem Hierarchie- oder Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Viele Firmen versetzen dann jemanden in eine andere Abteilung. «Beziehungsstatus und -form unserer Mitarbeitenden ist deren Privatsache. Bei Liebesbeziehungen mit einem Hierarchieverhältnis wird jedoch die Rangfolge aufgelöst», heisst es etwa bei den SBB. Meist sei ein interner Wechsel möglich.
Juristisch gesehen ist das zulässig, sofern es sich um eine gleichwertige Position handelt. Auch bei Novartis gibt es klare Richtlinien. So dürfen Mitarbeitende nicht in überwachender, untergeordneter oder kontrollierender Funktion gegenüber Nahestehenden stehen.
Bei der Migros hingegen gibt es keine spezifischen Regeln zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz. «Es macht grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob es sich bei dem Paar um eine Beziehung zwischen Vorgesetzten und Unterstellten handelt, solange kein Missbrauch der bestehenden Liebesbeziehung vorkommt.» Auch die Swisscom steht der Liebe am Arbeitsplatz gelassen gegenüber: «Bekanntlich ist der Arbeitsplatz auch eine Partnerbörse, und in jedem Unternehmen gibt es selbstverständlich Paare. Das kann und will Swisscom grundsätzlich nicht verbieten oder unterbinden.» Dennoch werde in der Regel die Versetzung von einem der beiden Partner angestrebt.
Wurde Ihnen fristlos gekündigt, weil Ihre Firma den Besitzer wechselte oder aus einem anderen zweifelhaften Grund? Beobachter-Mitglieder können sich mit der Mustervorlage «Protest gegen eine fristlose Kündigung» wehren und informieren sich im Merkblatt «Wann ist eine Kündigung missbräuchlich».
Heikel kann es werden, wenn der eine Partner zur Konkurrenz wechselt und der alte Arbeitgeber befürchten muss, dass aufgrund der privaten Beziehung Geschäftsgeheimnisse oder ähnlich sensible Informationen zur Konkurrenz gelangen könnten. Mehrere Gerichte sind in solchen Fällen allerdings zum Schluss gekommen, dass das blosse Risiko einer künftigen Pflichtverletzung nicht als Kündigungsgrund ausreicht.
Anders dürfte es aussehen, wenn der Arbeitgeber eine konkrete Verletzung des Geheimhaltungsgebots beweisen kann. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber jedoch das Recht, dem in der Firma verbleibenden Beziehungspartner den Zugang zu bestimmten geschäftlichen Informationen zu verweigern oder wichtige Kunden neu von einem anderen Mitarbeiter betreuen zu lassen, erklärt Arbeitsrechtler Roger Rudolph.
So weit kam es bei Selena und Markus nicht. Nach zwei Jahren verliess Markus die Firma. Kurz darauf entschied sich auch Selena, eine neue Stelle zu suchen. Seit dem ersten Kuss sind fünf Jahre vergangen. Die beiden sind noch immer ein Paar.
An die grosse Glocke hängen wollen sie ihre Beziehung aber auch heute noch nicht. Einige ehemalige Kollegen wissen mittlerweile Bescheid und haben positiver darauf reagiert, als Selena und Markus vermutet hatten. «Vielleicht aber auch deshalb, weil wir schon einige Jahre zusammen waren und es nicht mehr so viel Potenzial für Geschwätz und Lästereien gab», sagt Selena.
1 Kommentar