In diesem Stall darf niemand wohnen
Der Bund will nicht, dass die Familie Kämpfer ihren Kuhstall zu einer Wohnung umbaut. Obwohl dabei kein einziger Quadratmeter Land verloren ginge.
Veröffentlicht am 4. Januar 2019 - 11:20 Uhr,
aktualisiert am 3. Januar 2019 - 16:04 Uhr
Erika Kämpfer stösst mit dem Fuss die Tür zum alten Rinderstall auf. In der Ecke steht ein Betonmischer, in der Mitte eine Festbank samt Tisch, die Fenster sind unverputzt. Seit zwei Jahren geht nichts mehr auf der Baustelle. Hier, im Stall, wollte Familie Kämpfer eine Vierzimmerwohnung einbauen. Hier liegt ihr Traum nun in Trümmern.
«Ich, mein Sohn Franz, mein Enkel Peter, wir hätten alle unter einem Dach wohnen können, in unserem Drei-Generationen-Haus», erzählt die 79-Jährige. Die Gemeinde war einverstanden, der Kanton Bern war einverstanden. Das Bundesamt für Raumentwicklung war es nicht.
Das Bauernhaus steht am Rand von Juchten, einem Weiler im bernischen Oberaargau. Hinter den Bäumen erhebt sich der Jura. Hier wohnen Erika Kämpfer und Sohn Franz. Zwei Wohnungen, zwei Generationen. In den umgebauten Rinderstall hätte Erika Kämpfers Enkel Peter mit seiner Partnerin einziehen sollen. Der Stall mit Flachdach und braunen Eternitplatten sieht nicht besonders schön aus. Aber er könnte günstigen Wohnraum mitten im Grünen bieten.
Erika Kämpfer geht vom angebauten Stall über die halb fertige Veranda hinaus auf den Vorplatz. Dort unter dem Nussbaum steht ein verlassener Wohnwagen. «Im Sommer und Herbst haben Peter und seine Freundin hier gewohnt. Jetzt sind sie zurück in ihrer Wohnung im Nachbarsort. Im Frühling kommen sie aber wieder. Sie wollen bald eine Familie gründen. Hier oben bei uns.»
Dann geht Erika Kämpfer in die warme Stube in ihrem Heimetli. Auf dem Tisch steht ein Kuchen – mit Äpfeln, die draussen vor dem Haus gewachsen sind. Daneben liegen Dokumente: Verfügungen, Beschwerden, Entscheide. Dokumente, die den duftenden Kuchen zur Nebensache machen. Die den Traum vom Generationenhaus zerstört haben.
Erika Kämpfer greift zum Bild, das über der Anrichte hängt. Es ist eine Luftaufnahme: ein Haus, ein Stall, viel Land und Apfelbäume. «Das ist unser Zuhause. Seit Generationen wohnen hier Generationen zusammen. Alle unter einem Dach.» Sie kann es noch immer nicht verstehen.
«In unserem Fall wäre kein einziger Quadratmeter verbaut worden. Ist das nicht das Gegenteil von Zersiedelung?»
Erika Kämpfer
So schlimm konnte es nicht sein, immerhin hatten wir von der Gemeinde und vom Kanton grünes Licht für den Umbau erhalten. Damals dachte ich, alles, was wir brauchen, ist etwas Geduld.»
Der Hof gehört seit 100 Jahren der Familie. Wie viele andere Bauernhäuser steht er ausserhalb der Bauzone und wurde vor dem Strichtag 1. Juli 1972 errichtet, den das Raumplanungsgesetz festlegt. Für diese Bauten gelten strengere Regeln für Umbau und Umnutzung.
Das wurde nun für Kämpfers zum Problem, 44 Jahre nach dem Stichtag im Gesetz. Auch weil das Haus im Kanton Bern steht. 2016 wurde der Kanton vom Bundesamt für Raumentwicklung gerügt. Zu oft hatten die Berner Behörden Ausnahmebewilligungen erteilt und es Hausbesitzern in der Landwirtschaftszone ermöglicht, ihre Wohnfläche zu erweitern. Ohne Rücksicht auf das verschärfte Raumplanungsgesetz. Seit dieser Rüge redet das Bundesamt für Raumentwicklung bei Baubewilligungen im Kanton Bern ein Wörtchen mit.
Vater und Sohn Kämpfer hatten sich im Frühling 2016 zusammengesetzt und auf dem Zeichenblock vier helle Zimmer in den dunklen Stall gezaubert. Den Landwirtschaftsbetrieb hat die Familie vor 14 Jahren aufgegeben. Seither führt sie im solothurnischen Grenchen ein Dachdeckergeschäft, im Rinderstall in Juchten wird das Baumaterial gelagert. Im Sommer 2016 fuhr Grossmutter Erika dann im silbrigen Subaru die schmale Strasse hinunter zum Gemeindehaus und reichte das Baugesuch beim Bauamt ein. Bald darauf lagen die Bewilligungen der Gemeinde und des Kantons vor, die Kämpfers begannen mit den Bauarbeiten. Bis der Brief kam.
Mitten in den Bauarbeiten gestoppt
Erika Kämpfer zieht ein zweiseitiges Einschreiben aus einem Bundesordner. Die Baubeschwerde des Bundesamts für Raumentwicklung, eingegangen am 5. Dezember 2016. «Als wir dieses Schreiben erhielten, hatten wir noch Hoffnung. So schlimm konnte es nicht sein, immerhin hatten wir von der Gemeinde und vom Kanton grünes Licht für den Umbau erhalten. Damals dachte ich, alles, was wir brauchen, ist etwas Geduld.»
Auch die Umweltkommission der Gemeinde war verblüfft. Man habe «ungläubig, ja erstaunt und mit viel Unverständnis von der Beschwerde des Bundesamts für Raumentwicklung Kenntnis genommen», schrieb sie kurz vor Weihnachten 2016 ans Bundesamt. Die bereinigte Baueingabe sei nach den Vorgaben des Amts für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern erfolgt. Bei einem Augenschein seien die letzten verlangten Flächen aufgenommen worden. Es sei alles korrekt verlaufen. Deshalb lehne die Gemeinde Seeberg die Baubeschwerde des Bundes «in allen Punkten vorbehaltlos» ab.
Doch das Bundesamt bliebt bei der Beschwerde. Und Familie Kämpfer darf deshalb nicht weiterbauen. Auch eine zweite offizielle Baubegehung durch Gemeinde, Kanton und Bund im Februar 2017 änderte nichts daran.
«Ich habe das Gefühl, an uns wurde einfach ein Exempel statuiert.»
Erika Kämpfer
Zwischen dem positiven Entscheid von Gemeinde und Kanton und dem negativen Entscheid des Bundes liegen nur ein paar Quadratmeter und ein Streit um die richtige Messmethode. Bund und Kanton haben den an den Umbau anrechenbaren Wohnraum verschieden kalkuliert, weil sie einen Artikel im Raumplanungsgesetz unterschiedlich auslegen.
«Ich habe das Gefühl, an uns wurde einfach ein Exempel statuiert», sagt Grossmutter Erika Kämpfer. «Dass die Zersiedelung wertvolles Kulturland bedroht , verstehe ich. Aber in unserem Fall wäre kein einziger Quadratmeter verbaut worden. Ist das nicht das Gegenteil von Zersiedelung?»
Ein Artikel, der vom Bund anders ausgelegt wird als vom Kanton, hat ihren Traum platzen lassen. Vorerst. Denn Kämpfers hoffen auf die laufende Revision des Raumplanungsgesetzes. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrats sollen Ausnahmen nicht mehr schweizweit erlassen werden, neu will man auf die Regionen zugeschnittene Lösungen erlauben. Die Kantone würden damit wieder mehr Handlungsspielraum erhalten. Und der Kanton Bern könnte Umbauten, wie den der Familie Kämpfer, wieder zulassen.
Wenn das passiert, kann die Familie Kämpfer doch noch die Küchenplättli montieren, die seit zwei Jahren in einer Ecke des Rinderstalls warten. Und dann können drei Generationen endlich zusammen unter einem Dach leben.
2 Kommentare
Das ist kein Fehler sondern unsere Ausdruck einer Gesellschaft deren Wohlstand nicht nur den Gesunden Menschenverstand versaut hat sondern eine Gesellschaft von Neidern schuf. Was Nötzli nicht hat darf Meier auch nicht haben und dieses Land nennt sich Demokratie. Vor 8 Jahren lebten wir in UK, wanderten dann in die USA aus und besassen überall ein Stück Land auf dem wir tun und lassen durften was uns bliebt. Ein US Hausbesitzer kann sogar einen Einbrechen von der Veranda fegen weil die Achtung vor dem Besitz einen hohen Stellenwert besitzt. Ich bin froh das ich diesen Artikel gelesen habe zumal wir nun in Frankreich etwas suchen. Unsere Nachbarschaft wurden von den Angelsachsen sehr geschätzt, die Probleme begannen hier schon nach der Ankunft bis mein Mann begriff das all die Regeln die wir hier überall haben ja nur aus einem einzigen Grund so zahlreich sind, damit jeder jeden jederzeit anfeinden kann damit jeder so lebt wie jeder Andere. Und alles wird in eine Ordnung verpasst die den Anschein der Sicherheit und Vernunft erwecken soll. Uns fiel es aber wie Schuppen von den Augen als mein Mann ausgerechnet an jenem Wochenende für das Autowaschen denunziert wurde als sich das Stimmvolk gegen den Schutz des Trinkwassers aussprach. Wären Kämpfers z.B. die Familie Lei Ding aus China dann würde heute eine Fabrik an diesem Ort stehen und wären Kämpfers deren Nachbarn und würden sich über die Emissionen beschweren würden die selben Beamten wohl sagen; «da können wir nichts tun, das Land gehört der Familie Lei Ding».