Eskalation am Wurststand
Am Anfang war eine kalte, verkohlte Bratwurst. Dann nahm das Unglück seinen Lauf.
Veröffentlicht am 28. August 2019 - 18:32 Uhr
Ein Grillstand einer Coop-Filiale im Thurgau, das war der Tatort. Hier traf sich Luigi Bianchi* regelmässig mit seinen Motorradkumpels, um eine Bratwurst zu essen. Um zu rauchen und Sprüche zu klopfen. So auch an jenem Samstagvormittag vor ein paar Wochen, als die Sache – harmlos ausgedrückt – aus dem Ruder lief.
Bianchi bestellt einen «Express schwarz» und dreht eine Zigarette. Er trägt ein Jeanshemd mit Harley-Davidson-Schriftzug, darunter eine goldene Halskette. Für Zehntausende Franken habe er Zeit seines Lebens den Most bei Coop gezapft, erzählt der 71-Jährige jetzt. «Ich bin ein guter Kunde, und so möchte ich auch behandelt werden.»
Was ist passiert? Coop will die Vorgänge «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes» nicht kommentieren. Bianchi schildert sie so: «Da stand eine Frau am Grill, die offensichtlich keine Ahnung von der Materie hatte.» Eine Seite seiner Bratwurst sei verkohlt gewesen, die andere praktisch roh. Als er der Angestellten das Münz für die Wurst aushändigte, frotzelte er: «Seit wann grillieren hier die Schnupperstifte?»
Die Situation eskalierte rasch. «Sind Sie mit dem falschen Bein aufgestanden?», fragte die Frau mit der Grillzange. Nach einem verbalen Geplänkel meinte die Coop-Mitarbeiterin, sie müsse sich so was nicht bieten lassen , und hole nun den Chef. «Tun Sie das!», polterte Bianchi. «Wir beide kennen uns schon lange.»
Den jungen Mann, der sich kurz darauf vor dem Tisch der Töfffahrer aufbaute, hatte er allerdings noch nie gesehen.
Bianchi: «Wer bist du?»
Der neue Chef: «Ich bin der neue Chef.»
Bianchi: «Das geht mir am Allerwertesten vorbei.»
Der Filialleiter forderte Bianchi nun auf, den Laden zu verlassen. Sonst erteile er ihm ein Hausverbot . Er trage bestimmt keinen Heiligenschein, sagt Bianchi, doch er krümme keiner Fliege ein Bein. In dieser Situation aber sagte er zum Coop-Mann: «Mach einen Abgang, du Pausenclown. Sonst erteile ich dir eine Ohrfeige.»
Als der Chef keine Anstalten machte, die Szene zu verlassen, stichelte Bianchi: «Wo kann man hier zugelaufene Hunde abgeben?» Damit hatte er den Bogen überspannt. Der Filialleiter griff zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei.
Als die Beamten eintrafen, musste Bianchi seine Taschen leeren. «Die dachten wohl, ich hätte irgendwo noch einen Klumpen versteckt», sagt Bianchi und lacht. Gar nicht witzig fand das Ganze der Filialleiter. Er bestand auf einem Hausverbot, füllte noch an Ort und Stelle das Formular aus.
Ein paar Wochen später bekam Bianchi den Bescheid per Post: landesweites Hausverbot in sämtlichen Coop-Geschäften für zwei Jahre. «Damit kann ich leben», sagt Bianchi, «Bratwürste und Most gibt es auch anderswo.» Dass er aber wegen einer rohen Wurst und einem Chef, den sie – da sei er felsenfest davon überzeugt – damals bei der Polizeischule nicht gewollt hätten, einen derartigen Schuh voll herausgezogen habe, das nerve ihn im Nachhinein schon.
Die Coop-Medienstelle sagt nichts zum Thema Ladenverbot. Sicherheitsrelevante Aspekte würden nicht kommuniziert. Die Mediensprecherin sagt bloss: «Unsere Mitarbeiter haben sich zu jedem Zeitpunkt korrekt verhalten.» Hausverbote seien bei Coop sehr selten und würden nur im äussersten Fall erteilt. «Die grosse Mehrheit unserer Kundinnen und Kunden ist freundlich und anständig.»
Rechtlich gesehen hat Luigi Bianchi wenig Möglichkeiten, gegen das Hausverbot vorzugehen. «Niemand hat das Recht, Privatgrund zu betreten», sagt Beobachter-Experte Davor Smokvina. «Schon gar nicht in diesem Fall, wo der Kunde eine klare Drohung ausgesprochen hat.»
Anders sähe es bei öffentlichen Einrichtungen aus. Dort könnte man sich etwa die Frage nach der Verhältnismässigkeit stellen. «Ist die Massnahme notwendig? Gibt es eine mildere Variante, zum Beispiel ein Verbot bloss für eine bestimmte Region?»
Für Luigi Bianchi spielt das alles gar keine Rolle. Nie mehr will er einen Fuss in ein Geschäft des Grossverteilers setzen: «Es gibt eine Million Läden auf dieser Welt – aber nur einen Bianchi.»
* Name geändert
3 Kommentare
ANSTAND UND RESPEKT. Das ist hier meiner Ansicht nach gefordert. Sicher hat sich Bianchi etwas primitiv geäussert. Aber deshalb müsste die Coop Mitarbeiterin nicht gleich so ausrasten und auch primitiv zurück geben.
Ich finde, wenn Beide etwas disziplinierter und freundlicher miteinander umgegangen wären, hätte sich die Situation wohl schnell beruhigt.
Klar hat die Angestellte wohl keine Ahnung davon, dass geschwärzte Speisen krebserregend sind.
Sie hätte also vorher vom Super Filialleiter entsprechend instruiert werden sollen. Aber vermutlich weiss der das selber auch nicht besser?
Tragisch ist unsere heutige Umgangsweise. Ich denke, gewisse Kurse über Anstandsregeln könnten da helfen.
Ich hätte eine schwarze Wurst ganz einfach abgelehnt und wäre weg gegangen.
Hmm... was wollt ihr uns jetzt mit dem Artikel genau mitteilen? Ich hoffe doch nicht, dass ihr uns weis machen wollt, dass das Verhalten der Coop-Mitarbeiter falsch war.
Ok, mit einem blöden Spruch à la "Seit wann grillieren hier die Schnupperstifte" muss man wohl mal rechnen - aber zurückgeben würde ich da auf jeden Fall auch was. Er hätte sich ja auch ganz einfach (und in höflichem Ton) beschweren können, dass die Wurst nicht gut gebraten ist.
Das "verbale Geplänkel", worauf die Dame den Filialleiter rief, beschreibt ihr leider nich genauer...
Nur so viel: Ein Vorgesetzter hat gegenüber seinen Unterstellten eine sogenannte "Fürsorgepflicht", d.h. er hat die Pflicht, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (kurz zusammengefasst). Es ist also meines Erachtens vollkommen in Ordnung, dass der Filialleiter an dieser Stelle eingegriffen hat.
Dass der Filialleiter nach mehrfacher Beleidigung inkl. Androhung von Körperverletzung die Polizei rief, ist für mich jedenfalls mehr als verständlich... auch dass er auf die Konsequenz eines Hausverbots bestand. Ich in seiner Person hätte den Typ zusätzlich wegen Beleidigung und Gewaltandrohung angezeigt.
Dass er mehrer Zehntausend Franken in Sprit investiert hat, berechtigt diesen Kunden weder zu Beleidigung noch zu Gewaltandrohung (beides klare Gesetzensverstösse).
Ich weiss wirklich nicht, was hier (angeblich) falsch gelaufen sei - oder warum ihr diesen Artikel bringt. Ich kann jedenfalls nur hoffen, dass dieser asoziale Kunde nie wieder im Coop (und möglichst sonst nirgendwo) auftaucht!
Habe fertig!
PS: Mein herzliches Beileid wegen der schlecht gebratenen Wurst. Ich hoffe er hat dabei keine Bauchschmerzen gekriegt...