Die Ernüchterung
Seit vier Tagen verzichte ich nun auf Fleisch, Eier und Milchprodukte. Ich lebe noch, auch wenn ich mich wohl nie an den schwarzen Kaffee gewöhnen werde. Das vegane Leben fördert einiges zutage, das ich gar nicht wissen wollte.
aktualisiert am 28. Juli 2014 - 15:24 Uhr
Erste Ernüchterung: Das Brot am Winterthurer Wochenmarkt. Für Gemüseliebhaber ist der Markt der Treffpunkt schlechthin. Seit Jahren kaufe ich da ein, auch Brot, ja auch Käse. Diesmal wollte ich es beim Brot genau wissen. Sind die Brote vegan? Die Antworten in aufsteigender Reihenfolge:
Stand Nummer 1: «Nein, bei uns nicht. Der Chef sagt, er müsste jedesmal die ganze Maschine putzen, wenn er das machen möchte.» Was genau drin ist, weiss die Verkäuferin nicht.
Stand Nummer 2: «Eher nicht vegan. Wir nehmen das Mehl aus grossen Säcken, was da alles drin ist, hab ich noch nie geschaut. Und dann ist da noch der Vorteig. Den kaufen wir fertig ein. Da sind glaub schon Hilfsstoffe drin.»
Stand Nummer 3: «In unserem Brot ist Milch drin und Eier. Solch vegetarisches Zeug haben wir nicht.»
Eine kurze Netz-Recherche ergibt: In den meisten Broten, die wir kaufen, hats jede Menge Zusatzstoffe drin, längst nicht alle müssen deklariert werden. Was aussieht, wie aus Mehl, Wasser und Hefe gemacht, enthält zum Beispiel: Calciumcarbonat, Milch- und Ascorbinsäure, Lecithin und Natriumstearoyl-2-lactylat. Letzteres verbessert die Feinporigkeit und kann tierische Fettsäuren enthalten. Und dann ist da noch Cystein. Es macht den Teig lockerer. Bis 2001 wurde es aus menschlichem Haar hergestellt. Das ist heute zum Glück verboten. Schweineborsten hingegen sind immer noch erlaubt.
Um zwölf Uhr hab ich in Zürich einen Interviewtermin. Werde ich unterwegs etwas Essbares finden? Schon der erste Versuch ist erfolgreich. «Spettacolo goes green», erfahre ich als ich meinen «Espresso (!) to go» hole. Neu gibts hier vegane Brötchen. Das erste, was ich in Zürich Stadelhofen sehe, ist das Schild eines asiatischen Restaurants. «Vegane Menues» steht drauf.
Zum Znacht dann Yotam Ottolenghis Ribollito. Die Suppe ist sozusagen von Natur aus vegan.
Von da an gings steil abwärts. Kein Pausenglacé im Kino. Auch dann nicht, wenn der Film fast drei Stunden dauert. Boyhood – auch mit gebrannten Mandeln sehr zu empfehlen.
Am nächsten Tag dann die Mittagspause im Bergrestaurant. Der Käse sieht genauso wenig vegan aus wie der Salsiz. Rivella? Denkste, 35 Prozent Milchserum. Bleibt die Hoffnung auf das Thermalbad am Sonntag. Vom Poulet-Cordonbleu, übers Schweinschnitzel bis hin zum Zigeunerspiess gibts alles. Dem Neo-Veganer bleibt allein der gemischte Salat. Auf die Frage nach der Zusammensetzung der Sauce habe ich bewusst verzichtet.
Ah ja, dann war da noch die Soyawurst am Freitagabend. «Kids love it!» stand auf der Verpackung. Nicht meine... Sohn Nummer eins setzte sich in den McDonalds ab, Nummer zwei blieb tapfer daheim. Nicht ohne abschätzige Bemerkungen über den Geschmack der Wurst zu machen. Ich wusste genau, was er meinte, als er «neutral mehlig» sagte.
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