Ein Teilnehmer, ein Sieger
Das Label Climatop zeichnet klimafreundliche Produkte aus. Nun erntet es Kritik von Experten: Die Produktvergleiche seien nicht zulässig, und das Label bringe den Konsumenten nichts.
Veröffentlicht am 2. Mai 2011 - 08:19 Uhr
Carl-Otto Gensch spart nicht mit Kritik an Climatop. «Ich bin sprachlos», sagt der Leiter des Bereichs Produkte und Stoffströme des deutschen Öko-Instituts. Dass Chiquita-Bananen das Climatop-Label erhalten hätten, sei «eine schlimme Sache». Climatop ist ein junges Schweizer Label für klimafreundliche Produkte; vor allem in der Migros prangt es auf Dutzenden von Artikeln.
Bei der Produktion seiner Bananen in Zentralamerika setzt Chiquita Dünger, Insektizide, Fungizide, Nematizide und teilweise auch Herbizide ein. Transportiert werden die Früchte per Camion, Schiff und Eisenbahn. Auf dem ganzen Weg werden sie gekühlt, in der Regel mit Dieselaggregaten. Bananenschiffe stossen deshalb – und weil sie meist fast leer zurückfahren – rund fünfmal mehr CO2 aus als durchschnittliche Frachter.
So kommt es, dass Bananen im Vergleich zu einheimischen Früchten und Gemüsen eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen: 1066 Gramm CO2 «stecken» in einem Kilo Chiquita-Bananen. Zum Vergleich: Bei einem Kilo hiesiger Karotten sind es keine 100 Gramm, bei einem Kilo Tomaten weniger als 200 Gramm.
Auf Kritik stösst aber mitnichten Chiquita – denn die Firma bemüht sich tatsächlich, die CO2-Bilanz ihrer Früchte zu optimieren. Um 20 Prozent konnte sie den CO2-Ausstoss bislang senken, dank neuen, mehrfach verwendbaren Transportkisten. Ausserdem tragen die meisten Chiquita-Bananen das Siegel von Rainforest Alliance (siehe unten: «Labels im Test»), weil ihr Anbau zwar nicht biologisch, aber doch weniger umweltschädigend erfolgt als auf anderen Plantagen. Was hingegen für rote Köpfe sorgt, ist das Climatop-Label. Wie kann es sein, dass ein Artikel mit einem derart hohen CO2-Wert ein Siegel für «klimafreundliche Produkte» erhält?
Der Fehler liegt im System. Climatop zeichnet jeweils den klimafreundlichsten Artikel einer Produktgruppe aus, seien es Äpfel, Waschmittel, Briefumschläge oder Autos. Bananen werden also nur mit Bananen verglichen. Allerdings ist auch das faktisch gar nicht möglich, denn die CO2-Bilanzen der verschiedenen Bananen sind – wie bei den meisten Produkten – gar nicht verfügbar.
Also ging man wie folgt vor: Chiquita liess für mehrere zehntausend Franken eine CO2-Bilanz und eine Umweltbilanz erstellen. Da es keine Vergleichswerte von anderen Marken gab, wurden die Zahlen von Chiquita mit denen einer «Durchschnittsbanane» verglichen. Diesen Vergleich erstellte Myclimate, eine Mitbegründerin von Climatop. Dafür zahlte Chiquita 17 000 Franken an Myclimate, wie Ralph Huggel, Country Manager Chiquita Schweiz, bestätigt.
Myclimate berechnete, dass beim Transportieren der Chiquita-Bananen wegen der neuen Transportbox 17,6 Prozent weniger CO2 in die Luft geblasen werden als bei einer Standardfrucht. Unterschiedliche Anbaumethoden und eventuell kürzere Transportwege bei Konkurrenzprodukten flossen nicht in die Berechnungen ein.
«Ein solcher Vergleich ist falsch», sagt Carl-Otto Gensch. «Es bräuchte zwingend einen repräsentativen Branchendurchschnitt.» Auch Stefan Bolliger, Projektleiter bei der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz, hält den Vergleich für «dünn». Heinz Schmid, Geschäftsführer von Climatop, kontert: «Wir haben von den beiden Transportsystemen sehr genaue Zahlen. Der Vergleich ist daher zulässig.» Und Ralph Huggel von Chiquita hält fest: «Wir haben ein sehr gutes Gewissen, was das Label angeht.»
Auch Babywindeln der Marke «Babydream» erhielten das Climatop-Label, obwohl nur zwei Produkte einer Firma verglichen wurden. Bei Haarsprays wiederum beschränkte man sich auf Produkte der Migros. «Wir mussten irgendwo beginnen», verteidigt Heinz Schmid das Vorgehen. «Natürlich hoffen wir, dass wir bald mehr Produkte vergleichen können.»
Umweltschutzexperten wie Carl-Otto Gensch orten jedoch noch weitere Probleme: «Es macht generell keinen Sinn, nur den CO2-Ausstoss anzuschauen.» Andere Umweltaspekte seien ebenso wichtig. Climatop spart diese jedoch nicht ganz aus und verlangt für jedes Produkt eine Umweltbilanz. Es reicht aber, wenn diese mindestens so gut ist wie die des besten getesteten Produkts. Solange Climatop keine vergleichbaren Zahlen von anderen Produkten hat, genügt es daher, einfach eine Umweltbilanz zu erstellen. Was drinsteht, ist weniger wichtig.
Bestes Beispiel ist auch hier die Banane: Es ist gut möglich, dass Biobananen von Max Havelaar eine bessere Ökobilanz aufweisen als Chiquita-Bananen. Solange aber Max Havelaar bei Myclimate oder einer anderen Firma keine teure Ökobilanz erstellen lässt, kann Chiquita sein Climatop-Label wohl behalten. «Wir sagen ja nicht, dass die Biobananen schlechter sind, wir machen da keine Aussage», erklärt Heinz Schmid.
Was aber bringt dieses Label den Konsumenten, wenn nicht einmal Climatop weiss, welches Produkt das bessere ist? «Das Label ist nutzlos», bringt es Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz auf den Punkt. Sie ist überzeugt: «Nur Labels mit einem ganzheitlichen Ansatz und einer strengen, unabhängigen Kontrolle bringen für den Kaufentscheid einen Mehrwert.»
Es fragt sich auch, wo der Mehrwert für die Kunden beim Geschirrspülmittel «Handymatic Pulversachets phosphatfrei» liegt, das ebenfalls das Climatop-Label trägt. Verglichen wurden nur fünf Produkte, alle von der Migros. Ausschlaggebend für das gute Abschneiden der Sachets war, dass die Beutel schon bei 45 statt bei 55 Grad Waschtemperatur eingesetzt werden können.
Der Schutz des Klimas erfolgt also allein durch den Konsumenten, der, sofern er es denn auch tut, die Geschirrspülmaschine richtig einstellt. Trotzdem konnte die Migros in ihrem Magazin schreiben: «Die Klimabelastung [durch die Sachets] ist um 25 Prozent tiefer als bei der Konkurrenz.»
Das Label-Rating von WWF, Schweizer Tierschutz und der Stiftung für Konsumentenschutz zeigt, welchen Stellenwert der Klimaschutz bei den Labels hat. Die Breite der einzelnen Kreissegmente entspricht der Gewichtung der Kriterien im Rating. Die Einfärbung zeigt, welchen Anteil der maximal möglichen Punktzahl das Label in den verschiedenen Kategorien erreicht hat. Abgebildet ist nur eine kleine Auswahl. Climatop wurde bisher nicht bewertet. Das Rating weiterer Labels finden Sie unter www.wwf.ch/....
Nur Schweizer Fleisch darf dieses Label tragen. KAGfreiland befolgt strenge Richtlinien, die über die Anforderungen der Bio-Knospe hinausgehen. Auch im Bereich Klima erzielt das Siegel relativ viele Punkte.
Die Knospe von Bio Suisse erzielt in allen Bereichen gute Resultate. Für in- und ausländische Produkte gelten dieselben Richtlinien. Flugtransporte sind nicht erlaubt, Gewächshäuser dürfen nur zum Schutz vor Frost beheizt werden.
Das Label, das etwa auf Chiquita-Bananen prangt, ist laut Rating «besser als kein Label». Synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind nicht verboten, sollen aber reduziert werden.
Das Label steht für fair gehandelte Produkte aus dem Süden, wobei auch zahlreiche Umweltkriterien vorgegeben sind. Der Klimaschutz wird weniger stark berücksichtigt als bei anderen Siegeln.
Inländische Bioprodukte der Migros erfüllen die gleichen Richtlinien wie die bei Bio Suisse zertifizierten. Bei ausländischen Produkten sind die Anforderungen etwas weniger streng. Flugtransporte sind ebenfalls verboten.
Dieses Label kommt nur in der Migros zum Einsatz und entspricht mehr oder weniger dem IP-Label. Chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind nicht verboten, ihre Anwendung ist aber eingeschränkt. Nur Schweizer Produkte tragen das Label.
Im Bereich Soziales schneidet dieses Label sehr gut ab. Rund 65 Prozent der Produkte tragen zudem das Biosiegel nach EU-Richtlinien. Bei den Umweltanforderungen schneidet das Label mittelmässig ab, weil die Anforderungen sehr allgemein formuliert sind.
Climatop: Wenig transparent
Der Verein Climatop wurde 2008 von Myclimate und dem Ökozentrum Langenbruck gegründet. Klimabilanzen wurden bislang von 500 Produkten erstellt. 60 davon erhielten das Climatop-Label. Ein gutes Geschäft ist das «System Climatop» für Myclimate, die (neben anderen Firmen) die teuren CO2- und Öko-Bilanzen anbietet. Ein Vertreter von Myclimate sitzt auch im Vorstand von Climatop. Climatop und Myclimate seien finanziell unabhängig, schreibt Regula Müller, Geschäftsführer-Assistentin bei Climatop. Überprüfen lässt sich das nicht: Climatop gibt seinen Geschäftsbericht nicht heraus.