Der Apfel fällt heutzutage weit vom Stamm – auch auf dem Bauernhof. Nokia N97, Nintendo Wii, PSP3, Playstation: Was auf der Wunschliste ihres zwölfjährigen Sohnes steht, kann Margrit Knaus kaum aussprechen. «Glumpezüügs», sagt die 41-jährige Landfrau aus St. Peterzell SG. Und weil ihr nicht ins Haus kommt, was sie nicht versteht – geschweige denn bedienen kann –, wird Samuels Wunschliste so bald nicht kleiner werden. Alles nur, «weil Mami bei elektronischen Geräten nicht drauskommt», sagt Samuel und stellt zerknittert fest: «In der Klasse bin ich der Älteste, aber der Einzige, der kein Handy und keine Spielkonsole hat.»

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Die Mutter wirds nicht gerne hören, aber an Sämis Unmut ist was dran. Gemäss einer Beobachter-Umfrage bei 115 Schulkindern in Zug, Ilanz und Thun besitzen heute 88 Prozent der 12- bis 14-Jährigen ein Handy, rund 65 Prozent haben eine Spielkonsole und gleich viele einen Computer. Noch extremer sieht das Resultat bei Mittelschülern im Kanton Zug aus. Von 102 befragten Gymnasiasten haben 95 Prozent ein Mobiltelefon, 87 Prozent einen MP3-Player, 80 Prozent einen eigenen Computer im Zimmer und 79 Prozent eine Stereoanlage. Bei dieser multimedialen Vollausstattung erstaunt es nicht, dass gut die Hälfte der Mittelschüler angab, ein TV-Gerät im Zimmer «brauche ich nicht». Fernsehen kann, wer will, schliesslich auch am Compi übers Internet. Bei drei von vier Befragten reicht das Netz bereits bis ins Kinderzimmer.

Die Zahlen erstaunen. Sie decken sich jedoch zu weiten Teilen mit den Resultaten grosser Erhebungen aus Deutschland, wie etwa der KIM- und JIM-Studien 2008 (Kinder/Jugendliche und Medien), die auch hierzulande als Standardwerke gelten im Bereich Medienbesitz und -umgang von Kindern und Jugendlichen.

Samuel, 12: «Das Pony Cross mit automatischem Zweiganggetriebe ist mein grösster Schatz. Leider habe ich als Einziger in meiner Klasse kein Handy und keine Spielkonsole. Nicht, dass ich deswegen gehänselt werde, aber ich kann einfach nicht mitreden. Das ist schade. Mit einem Lottogewinn würde ich mir einen Computer kaufen, eine Playstation, eine PSP, eine Nintendo Wii und mit dem Rest eine Traumvilla: ein Holzhaus mit Pool.»

Quelle: Gerry Nitsch
Wer etwas nicht hat, braucht es nicht

«Ich kriege fast alles, was ich mir wünsche», sagt Janet Lam, 16, Einzelkind aus Kloten mit eigenem Zimmer und eigenem Bad. Ihr Besitz: Computer, iPod, Stereoanlage, Handy, Mountainbike, Klavier, Markenkleider, eine stattliche Ohrringsammlung. Der Fernseher steht im Wohnzimmer. Ihr Vater ist Koch, die Mutter Hausfrau. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen sei sie «wohl schon etwas verwöhnt». Wenn sie sich da mal nicht täuscht. Laut Beobachter-Umfrage ist das Gros der Jugendlichen nämlich nicht nur mit allen erdenklichen Unterhaltungselektronika eingedeckt, sondern materiell allgemein so ziemlich gesättigt. Ob Velo oder Skiausrüstung, Autorennbahn oder Markenkleider: Fast alle haben alles, und wer etwas nicht hat, braucht es nach eigener Aussage meist auch nicht. Exemplarisch dafür: Die 43 befragten Zuger Gymnasiastinnen besitzen im Schnitt 14 Paar Schuhe. Ihre männlichen Schulkollegen leben da mit fünf Paar auf geradezu kleinem Fuss. Deren Wunschzettel fallen dafür umso unbescheidener aus: viel Geld, iPhone, BMW M6, grosser Fernseher, Villa am See, Jacht.

Arm die Eltern, die all diese Wünsche zu erfüllen haben. Monatlich 819 Franken kostet ein Kind die Eltern laut Bundesamt für Statistik. Und da sind die Ausgaben für dauerhafte Güter wie Möbel oder Computer ebenso wenig berücksichtigt wie die indirekten Kosten etwa für die externe Kinderbetreuung. Auskommen müssen Eltern generell etwa mit dem gleichen Einkommen wie kinderlose Haushalte – mit im Schnitt rund 7800 Franken. Die Mehrausgaben finanzieren Eltern praktisch ausschliesslich durch eigenen Wohlstandsverzicht. Doch die Rechnung geht in immer mehr Familien nicht auf. Laut dem Statistikbericht «Familien in der Schweiz» lebte 2006 je ein Viertel der Einelternfamilien und der Paare mit drei und mehr Kindern unter der Armutsgrenze.

Janet, 16: «Laptop, iPod, Handy, Stereoanlage – ich habe alles, was ich brauche. Und wenn ich mir etwas wünsche, bekomme ich es meist auch. Nur ein grösseres Bett liegt aus Platzgründen nicht drin. In meinem Zimmer mag ich das Klavier am liebsten. Obwohl mir Klavierspielen eigentlich nie wirklich lag. Uh gern habe ich auch mein Bad. Dort kommt niemand rein ausser mir, und ich kann es dekorieren, wie ich will.»

Quelle: Gerry Nitsch

Der Beobachter befragte 102 Schülerinnen und Schüler an der Kantonsschule Zug zu ihren Besitztümern. Die 43 Mädchen und 59 Buben waren im Alter von 15 bis 19 Jahren. Die Umfrage ist nicht repräsentativ.

Quelle: Gerry Nitsch
Die Industrie lockt geschickt

Die begüterten Jugendlichen und die Spielzeugberge in vielen Kinderzimmern kontrastieren mit diesen Zahlen zur Familienarmut. Können Eltern heute einfach nicht mehr nein sagen? So simpel ist die Sache nicht. Denn je mehr Kinder immer mehr besitzen, umso schwieriger wirds für einzelne Eltern, die Begierden ihres Nachwuchses im Zaum zu halten.

Zudem macht ihnen die auf Konsum getrimmte Umwelt das Neinsagen nicht eben einfacher. Unternehmen werfen ihre Angelruten mit immer perfideren Ködern gezielt nach den Kunden von morgen aus. So können etwa kleine Gamer den E-tron, eine Fahrzeugstudie aus dem Hause Audi, bald auf der Playstation Probe fahren. Als erster Autohersteller hat Audi auf der Spielkonsole einen eigenen Bereich aufgebaut. «Die meisten jungen Menschen sammeln ihre ersten Fahrerlebnisse mit Videogames», erklärte der verantwortliche Marketingstratege Kai Mensing. Mit der neuen Plattform könne man die Marke «in einem hochemotionalen Umfeld» der Zielgruppe näherbringen. Schon die Lancierung des neuen VW Polo hatten die Wolfsburger Autobauer mit Gratisspielen für das iPhone unterstützt.

Soll man seine Kinder vor derlei Verlockungen schützen und ihnen die virtuellen Welten einfach vorenthalten? Fernsehen macht ohnehin dumm und Computerspielen süchtig. Kinderarzt Remo Largo, für viele Familien der Leitstern am Erziehungshimmel, hält wenig davon. Zum einen seien die Kinder heute nicht dümmer, sondern klüger als vor 30 Jahren, was sie auch den Medien zu verdanken hätten. Zum anderen bedeute Kinder erziehen, sie so zu bilden, dass sie sich in der modernen Welt zurechtfinden können. «Moderne Technik und Medien sind ein Teil davon», betont er.

Janik, 3: «Am liebsten baue ich mit Legos Zoos für meine Tiere. Ich habe viele: Tiger, Elefanten, Löwen, Nashörner, aber auch Katzen und Kühe. Und ein riesiges Krokodil und zwei Babykrokodile. Und einen Tukan, Enten, Gänse und Rössli. Die Kuscheltiere brauche ich zum Schlafen: Den Schneetiger finde ich am schönsten. Der Papagei ist auch gut, der Bär auch. Zu Weihnachten wünsche ich mir noch mehr Legos, damit ich noch grössere Zoos bauen kann.»

Quelle: Gerry Nitsch

«Nur wenn sich Kinder mit den Medien beschäftigen können, lernen sie auch einen vernünftigen Umgang damit», meint auch die Medienpädagogin Cornelia Biffi von der Pädagogischen Hochschule Zürich. «Wir wissen, dass das Verbieten etwa von Sendungen und Computerspielen nur bis zum Alter von sechs Jahren effektiv ist, weil Kinder sich bis dann noch stark an ihren Eltern orientieren.» Danach werden absolute Verbote jedoch kontraproduktiv, die Kinder tun es einfach auswärts, bei Freunden oder Grosseltern. «Doch damit geben die Eltern die Kontrolle vollends aus den Händen», so Biffi. Der Medienkonsum sollte auch nicht zur Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden, «denn dann bekommt er eine Bedeutung, die er gar nicht verdient».

Ohnehin erreichen die Kauf-mich-Botschaften heute jeden, auch Kinder wie Samuel, den Bauernbuben aus St. Peterzell. «Er reagiert sehr stark auf Werbung», sagt seine Mutter. Spielkonsolen, Handys, Computer, aber auch Modetrends oder Luxusgüter; keines der anderen drei Kinder im Hause hat sich je dafür interessiert – ausser jetzt der Sämi, der Zweitjüngste. «Er hat einfach ein Radar dafür», sagt die Mutter.

Meist haben Kinder ihre Konsumlust jedoch nicht gestohlen. «Erziehung läuft vor allem über Vorbilder», sagt Remo Largo. «Sind die Grossen verwöhnt, werden es die Kleinen meist auch.» Yolanda Bysäth aus Zürich gesteht, diesbezüglich «nicht so ein gutes Vorbild» zu sein. Ihre Tochter Lalita, 7, nennt 15 Puppen ihr Eigen. Sie sei zwar wohlerzogen, sagt ihre Mutter, aber materiell gesehen verwöhnt. «Wenn sie mal etwas bekommt, reicht ihr das nicht. Sie will immer mehr.» Auch Yolanda Bysäth geht gern shoppen, schwach wird sie vor allem in Kinderläden: «Finde ich etwas herzig, neige ich dazu, es zu kaufen.»

Lalita, 7: «Mein Zimmer gefällt mir. Ich finde es gut, dass es so gross ist. Aber ich würde gerne noch die Wände golden anmalen. Spielen tue ich am liebsten mit dem Schminksalon oder mit Mamis Stögelischuhen. Wenn Kinder draussen sind, gehe ich aber lieber raus, go chlättere oder gireizle. Auf Weihnachten wünsche ich mir ein Schminkset, so einen Profikoffer. Und mehr Nintendo-Spiele. Ich habe viele Spielsachen. Aber nicht zu viele.»

Quelle: Gerry Nitsch

Eine Schwäche, die sie – so klischiert es klingt – mit vielen Geschlechtsgenossinnen teilt. Studien zufolge ist die Tendenz zu unkontrolliertem Kaufverhalten bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Und wie in vielen Fällen trägt auch Bysäths Umfeld dazu bei, dass Lalitas Kinderzimmer bisweilen überzuquellen droht. «Sie ist das einzige Mädchen in der Familie. Vor allem in den ersten Jahren wurde sie von allen Seiten mit Geschenken überhäuft.»

Kinderarzt Remo Largo betont einen weiteren, wie er sagt, verheerenden Aspekt: «Verwöhnung kommt dadurch zustande, dass wir Erwachsenen unsere Verpflichtungen nicht wahrnehmen.» Der Klassiker sei hier der Fernsehkonsum. «Kinder zwischen zwei und vier Jahren sehen im Schnitt ein bis zwei Stunden pro Tag fern.» Warum?, fragt Largo, um gleich selber die Antwort nachzuschieben. «Die überforderte Mutter braucht den Fernseher als Babysitter. Und das zieht sich bis ins Jugendalter. Die Kinder scheinen sich zu sagen: ‹Wenn die sich schon nicht um uns kümmern, sollen sie wenigstens zahlen›», sagt Largo. Natürlich spiele sich das alles unbewusst ab, «aber so läuft es. In der Erziehung können Eltern nur nein sagen, wenn sie Alternativen bieten. Und das sind sie selber.» – Oder Spielgefährten. Freunde. Freiraum, muss man ergänzen. Denn nach wie vor sind das Ausgehen und Spielen mit Gleichaltrigen die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen – und zugleich die besten Alternativen zum öden (Medien-)Konsum.

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Quelle: Andreas Eggenberger
Mami hat kein dickes Portemonnaie

Gute Karten beim Kampf gegen die Konsumwut der Kinder hat insofern die achtfache Mutter Marianne Botta Diener – so paradox das klingen mag. Bei acht Sprösslingen im Alter zwischen sieben Wochen und 14 Jahren ist garantiert stets ein Spielgefährte da. Zugleich musste die 41-Jährige zwangsläufig Strategien entwickeln, wie sie die Bedürfnisse ihrer Kinder einerseits und die finanziellen und rein platztechnischen Möglichkeiten unter ein Dach bringt. «Nur schon wenn jedes Kind eine Puppe hat, kommt ein schöner Berg zusammen.»

Botta Diener versucht, ihren Kindern nie das Gefühl zu vermitteln, Mami habe ein dickes Portemonnaie, das sich einfach öffne. Eine Strategie, die auch Yves Hänggi vom Institut für Familienforschung und -beratung der Uni Freiburg empfiehlt: «Bei älteren Kindern können Kompetenzen geschult werden, wenn Wünsche nicht einfach sofort und ohne Anstrengung erfüllt werden, wenn Kinder also auf Spielsachen warten müssen oder sie das Geld dafür selber zusammensparen müssen.»

Einer von Marianne Botta Dieners Söhnen musste beispielsweise für seine elektrische Gitarre während der Ferien 20 Stunden im Haushalt helfen plus 40 Franken vom Sackgeld zusammensparen. Finanziell ein kleiner Beitrag, «aber mein Sohn hat arg daran gekaut». Und die Bernerin betont die eigene Vorbildfunktion. Zum einen sind sie und ihr Mann selber sehr genügsam, gleichzeitig aber generös. «Weil wir mit unserem Zeug grosszügig umgehen, tun es die Kinder auch.» Als sich die Tochter kürzlich eine Lederjacke wünschte, reichte der freundliche, aber deutliche Hinweis, dass Mami auch gern so eine hätte – mit Betonung auf «hätte». «Die Diskussion war beendet», sagt Marianne Botta Diener und schmunzelt.

Gleichwohl kommt auch sie zwischendurch nicht darum herum, mit dem «110-Liter-Chüdersack» durch die Zimmer zu streifen. Oder sie wirft an einem Kinderflohmarkt Ballast ab (siehe nachfolgend). Doch vieles, was früher Luxus war, gehört heute zur Grundausstattung eines Jugendlichen. Zum Beispiel der Computer. Die beiden ältesten Kinder, die 14-jährige Tochter wie auch der knapp 13-jährige Sohn, haben je einen eigenen, wenn auch veralteten Rechner. «Wie könnte ich den verbieten, wenn selbst in unserer ländlichen Gemeinde mein Sohn schon in der sechsten Klasse einen Vortrag mit Powerpoint-Präsentation halten musste?»

Das Mobiltelefon gehöre in die gleiche Kategorie. «Unsere Teenager kommunizieren nun mal per SMS. ‹Wänn bisch, was bisch, wo bisch?›; so läuft das heute. Zudem kostet ein Handy nicht mehr die Welt. Und ein Prepaid-Abo für zehn Franken pro Kind kommt mich im Schnitt vielleicht sogar günstiger zu stehen, wenn die Kinder dann SMS schreiben, statt stundenlang mit der Freundin am Festnetz zu hängen, wie wir das früher getan haben.»

Isabel Grassi, 34: «In drei Wochen kommt mein erstes Kind – ein Bub. Alles ist da, was er zum Start ins Leben braucht: Nuggihalter, Spielzeug, Windelvorrat. Mein Freund hat sich beim Nestbau rausgehalten. Nur wenn ich es mal wieder übertrieben habe, hat er mir eingebläut, dass wir ein Kind kriegen und keine Ausstellung planen. Doch mir ist Design eben wichtiger als Funktionalität. Jetzt soll erst mal alles schön aussehen – und so, wie es mir gefällt.»

Quelle: Gerry Nitsch

Wie behauptet man sich gegen die Konsumwut der Kinder? Wie sieht man vernünftig fern? Wollen Kinder wirklich immer mehr? Wie sieht kindgerechtes Spielzeug aus? Vier Fachleute antworten.

Ich sage immer: Ich bin nicht reich, ich bin kinderreich. Ich habe jedoch gemerkt, dass Kinder lange Zeit gar keine Beziehung haben zum Geld. Sie haben an kleinen Dingen so viel Freude wie an etwas Grossem. Letztlich ersetzt ohnehin kein Besitz jene Zuwendung, die sich Kinder wünschen.

Und man muss ehrlich sein: Wirklich einschenken tun ja nicht die Handys und MP3-Player. Teuer ist vor allem das alltägliche Leben mit Kindern: Essen, Mietkosten, Kleider et cetera. Drei meiner Kinder spielen ein Instrument, das allein kostet uns pro Semester über 2000 Franken. Und die Zahnspangen der drei Grössten kosten uns jährlich 2000 bis 3000 Franken. Da ist ein Handy Pipifax. Zudem pflege ich den Grundsatz, dass meine Kinder mit den Verlockungen der modernen Welt genauso wie mit den technischen Errungenschaften umgehen lernen müssen. Ich kann und will ihnen nicht alles vorenthalten. Aber wenn sie etwas wollen, sollen sie auch etwas dafür tun. Von nichts kommt schliesslich nichts.
 

Marianne Botta Diener, Ernährungswissenschaftlerin, Mutter von acht Kindern. Ihre Spielzeugempfehlung: Holzlaufrad «Likeabike».

Quelle: Gerry Nitsch

Fernsehen kann doch jedes Kind, könnte man meinen. Vor dem Fernseher sitzen kann zwar jedes Kind, ein vernünftiger Umgang mit Medien will jedoch gelernt sein. Und da spielen die Eltern eine zentrale Rolle. Und zwar in der Begrenzung, Begleitung und Unterstützung der Mediennutzung. Bei jüngeren Kindern ist die Auswahl geeigneter Inhalte wichtig. Fehlen Eltern dafür die Kriterien, knüpfen sie einfach an das an, was sie selber für richtig und gut befinden. Doch Erwachsene haben zwar eine Meinung über Internet, gefährliche Games und Kindersendungen, aber nur die wenigsten haben sich wirklich damit auseinandergesetzt. Zudem sind die Kinder ihren Eltern und auch den Lehrpersonen vielfach einen Schritt voraus. Gespräche über Medien sind deshalb ein guter Anknüpfungspunkt für Themen, die Kinder beschäftigen. Deshalb mein Rat an die Eltern: Nutzen Sie Medien gemeinsam mit Ihren Kindern, beobachten Sie, wie sie auf bestimmte Inhalte reagieren, und sprechen Sie über diese Erlebnisse.

Bei älteren Kindern ist es wichtig, dass man fragwürdige Inhalte kommentiert. Wenn Eltern beim Fernsehen nämlich einfach schweigend danebensitzen, wird dies von den Kindern als Zustimmung empfunden. Es lohnt sich deshalb, dargestellte Rollenbilder und Gewaltmomente zu hinterfragen, nicht im Sinne einer Belehrung, sondern indem man kritische Fragen stellt.

Cornelia Biffi, Medienpädagogin, Mutter von zwei Kindern. Ihre Spielzeugempfehlung: Kinderkassettengerät.

Quelle: Gerry Nitsch

Dass Kinder und Jugendliche heute angeblich immer mehr wollen, ist nur die Wahrnehmung von uns Erwachsenen. Im Grunde heisst das doch nichts anderes als: Die Kinder sind nie zufrieden, sie nerven mich, und ich muss sie ständig mit neuen Spielsachen ruhigstellen. Dabei nehmen wir ihre eigentlichen Bedürfnisse nicht wahr. Kinder können draussen, umringt von Strassen, kaum mehr unbeschwert spielen. Es fehlen ihnen neben den Eltern zunehmend die Bezugspersonen – vor allem gleichaltrige Spielgefährten und Geschwister. Als ungenügenden Ersatz haben sie ein Kinderzimmer voller Kram, den sie schnell ausgespielt haben. Dann werden sie aufsässig, und die Eltern überlegen sich, was sie ihnen Neues kaufen könnten. Oder die Kinder setzen sich vor den Fernseher, wo sie Vorbilder finden, die ihnen in der wirklichen Welt fehlen. Deshalb wäre es gut, wir würden weniger über die Kinder reden und etwas mehr über die Erwachsenen: über ihre Kompetenzen, ihre Vorbildfunktion, darüber, wie sehr sie die Kinder behindern, indem sie ihnen nicht die Erfahrungsräume bieten, die sie bräuchten. Aber das hören die Grossen nicht gern. Denn statt um böse Medien, verwöhnte Kinder und brutale Computerspiele geht es dann plötzlich um sie selbst. Wie viele Eltern gehen zum Beispiel mit ihren Kindern regelmässig in den Wald? Kinder langweilen sich im Wald nie – im Kinderzimmer jedoch schon.

Remo Largo, Kinderarzt und Autor, Vater von drei Töchtern und vierfacher Grossvater. Seine Spielzeugempfehlung: Steine.

Quelle: Gerry Nitsch

Spielzeug habe ich immer für die eigenen Kinder entwickelt, nicht für den Markt. Mein Sohn spielte gern mit meiner Fotokamera, also habe ich ihm eine aus Holz nachgebaut. Und für meine Tochter entwarf ich diese zerlegbare Küche. Aber auch einen Spielzeuglaptop. Der Bildschirm ist eine Wandtafel und die Maus ein Schwamm zum Putzen. Auf der Tastatur kann man die Buchstaben ablesen und lernen. Doch das habe ich nur getan, weil meine Tochter das wünschte. Ich habe generell ein zwiespältiges Verhältnis zu sogenanntem Lernspielzeug. In unserem Förderwahn muss mittlerweile alles didaktisch und pädagogisch wertvoll sein; die Gefahr ist gross, dass wir die Kinder damit ihrer Kindheit berauben. Gutes Spielzeug gibt einen Anstoss, aber nicht mehr. Und es ist modular, man kann daraus etwas entwickeln, aufbauen, erschaffen. Lego ist ein klassisches Beispiel dafür. Meiner Meinung nach sind nicht die Konsumkids das Problem, sondern die Eltern dahinter. Sie leisten sich überdesignte Kinderzimmer mit allerlei Schnickschnack drin, weil sie zu viel Geld haben, aber keine Zeit, um sich selber mit den Kindern zu beschäftigen. Kleiner Tipp an die Eltern: Stellen Sie Ihren Kindern ein paar Kartonkisten ins Zimmer, Sie werden staunen, was daraus entsteht.

Nico Schweizer, Grafiker, Spielzeug- und Kindermöbeldesigner, Vater von zwei Kindern. Seine Spielzeugempfehlung: Spielküche «Lili».

Quelle: Gerry Nitsch