Zum Schmerz kommen noch die Kosten
Bei einer Fehlgeburt vor der 13. Woche müssen die Eltern teils selbst zahlen. Die Revision des Gesetzes lässt auf sich warten.
Veröffentlicht am 6. Oktober 2023 - 14:33 Uhr
Eine Fehlgeburt ist für Eltern unglaublich schmerzhaft. Wenn sie dann noch Behandlungskosten etwa für einen Ultraschalluntersuch selbst bezahlen müssen, kann das wie ein Hohn wirken. Zahlen muss man, wenn die Frau ihr Kind vor der 13. Woche verliert.
Denn die Fehlgeburt gilt dann als Krankheit. Die Folge: Die Eltern müssen einen Teil der Kosten selbst tragen. Schätzungen zufolge sind rund 22’000 Frauen pro Jahr betroffen.
Wenn das Kind nach der 13. Schwangerschaftswoche stirbt, übernimmt die Grundversicherung die Behandlungskosten vollumfänglich, ohne Selbstbehalt und Franchisenabzug. Denn ab der 13. Woche sind Schwangere komplett von der Kostenbeteiligung befreit. Die Krankenkasse übernimmt also nicht nur Gesundheitskosten, etwa für einen Blutzuckertest zur Feststellung eines Schwangerschaftsdiabetes. Die Schwangere muss auch keinen Anteil zahlen, wenn sie sich wegen eines Hautausschlags behandeln lässt.
Seit vier Jahren in Bearbeitung
Diese Unterscheidung zwischen früher und später Fehlgeburt will Irène Kälin beseitigen. Die grüne Aargauer Nationalrätin reichte vor vier Jahren eine Motion ein, die eine Gesetzesänderung verlangt: Schwangere Frauen sollen ab der ersten Woche von der Kostenbeteiligung befreit werden. Ständerat und Nationalrat stimmten dieser Motion zu, auch der Bundesrat hat die Annahme beantragt.
Deshalb soll nun das Krankenversicherungsgesetz (KVG) geändert werden. Weil dort aktuell noch weitere Änderungen anstehen, wurde die Umsetzung der Motion in eine grössere KVG-Revision eingebunden: die Massnahmen zur Kostendämpfung der Krankenversicherung. Über dieses Paket verhandeln aktuell die Kommissionen des Ständerats.
Krankenkassen kassieren trotz klarer Regeln
Sprich: Es wird noch dauern, bis betroffene Frauen bei einer frühen Fehlgeburt die Kosten nicht mehr selbst tragen müssen. Wann die Revision in Kraft gesetzt wird, ist unklar. «Meine Hoffnung ist, dass es 2024 zu einer Schlussabstimmung kommt und das Gesetz ab 2025 gelten wird», sagt Irène Kälin.
Einen positiven Effekt hätte das neue Gesetz auch für Schwangere, die keine Fehlgeburt erleiden. Weil das Gesetz bisher die Unterscheidung mit der 13. Woche macht, verrechnen viele Krankenkassen nach wie vor Franchise und Selbstbehalt für Leistungen im ersten Schwangerschaftsdrittel – obwohl das Gesetz klar vorgibt, dass schwangerschaftsbezogene Leistungen ab der ersten Woche von der Kostenbeteiligung befreit sind.
Wo finden Eltern nach einer Fehlgeburt Hilfe?
Die Fachstelle Kindsverlust in Bern berät Eltern und Angehörige kostenlos telefonisch und per E-Mail. Erfahrene Beraterinnen unterstützen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Trauerprozess: Sie sprechen mit den Betroffenen über das, was sie erlebt haben und was sie am meisten beschäftigt – und darüber, welche nächsten Schritte sie unternehmen können. Die Fachstelle berät auch vor oder während einer erneuten Schwangerschaft.
Wenn eine weitergehende fachliche Unterstützung nötig ist, vermittelt die Fachstelle geeignete Fachpersonen und Anlaufstellen in der Region. Auch eine Paartherapie kann sinnvoll sein. Wer dringend Hilfe braucht, wendet sich am besten an eine Geburtsklinik in der Nähe, an die Dargebotene Hand (Telefon 143) oder an den psychiatrischen Notfalldienst im Wohnkanton.
Was passiert mit dem Fötus?
Wenn die Fehlgeburt in einem Spital oder Geburtshaus geschieht, können die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind direkt kremieren lassen oder mit nach Hause nehmen wollen. Es gibt keine gesetzliche Frist, bis wann es bestattet werden muss. Wenn sie sich für eine Kremation entscheiden, können die Eltern die Asche in einer Urne oder einem anderen Behältnis nach Hause nehmen. Frühe Fehlgeborene kann man nicht in Einzelgräbern bestatten lassen. Einzelne Gemeinden haben aber spezielle Gemeinschaftsgräber oder Gedenkstätten für früh verstorbene Kinder eingerichtet. Eine Bestattungspflicht gibt es erst für Kinder, die nach der 23. Woche sterben.
Muss man eine Fehlgeburt melden?
Nein. Eine Meldepflicht besteht erst ab der 23. Schwangerschaftswoche. Man kann aber per Formular bei jedem Zivilstandsamt eine offizielle Bestätigung verlangen und einen Namen für das Kind angeben. Es wird zwar nicht im Personenstandsregister oder im Familienbüchlein eingetragen, aber die Bestätigung kann bei der Trauerarbeit helfen. Dem Formular beilegen muss man eine Ausweiskopie und eine Bestätigung der Fehlgeburt durch die Hebamme oder die Ärztin resp. den Arzt.
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