Bundesgericht setzt der freien Arztwahl Grenzen
Das höchste Gericht hat entschieden, dass eine Krankenkasse bei Ärztehopping eine Erstanlaufstelle einsetzen darf. Was heisst das für die Versicherten?
Veröffentlicht am 14. November 2024 - 14:59 Uhr
Eine 50-jährige Frau hat bei der Helsana ihre obligatorische Krankenpflegeversicherung abgeschlossen. Dabei wählte sie ein Modell mit freier Arztwahl. Die Versicherte leidet unter körperlichen und psychischen Problemen und nahm verschiedene ärztliche Leistungen in Anspruch, die untereinander nicht koordiniert waren.
Die Krankenversicherung liess die Frau daraufhin durch eine Psychiaterin begutachten. Diese kam zum Schluss, dass die Frau unter verschiedenen, komplexen Störungsbildern leidet, die eine koordinierte Behandlung in einer Einrichtung mit mehreren Fachpersonen nötig mache.
Der Gang vors Gericht
Gestützt auf das Gutachten verfügte die Helsana, dass sich die Versicherte künftig immer bei einer bewilligten Erstanlaufstelle behandeln oder von dieser an andere Stellen überweisen lassen müsse, damit die Kosten übernommen würden. Davon ausgenommen seien Notfälle und gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen.
Dagegen wehrte sich die Frau bis vor Bundesgericht. Sie berief sich unter anderem auf den Grundsatz der freien Arztwahl.
Die «WZW-Kriterien»
Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit. Das sind die Grundsätze, nach denen die Krankenpflegeversicherung dazu verpflichtet ist, Behandlungskosten zu übernehmen. Laut Bundesgericht steht die freie Arztwahl unter dem Vorbehalt dieser «WZW-Kriterien».
In diesem konkreten Fall seien diese Kriterien durch die unkoordinierten Behandlungen nicht mehr erfüllt gewesen. Deshalb sei das Einsetzen einer Erstanlaufstelle, die ein ganzheitliches, koordiniertes Vorgehen sicherstelle, mit dem Grundsatz der freien Arztwahl und dem System der Pflichtleistungen vereinbar. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Versicherten ab.
Was bedeutet das für Versicherte?
Der vorliegende Fall ist relativ komplex. Das bedeutet: Er lässt sich nicht eins zu eins auf andere Patienten und Patientinnen übertragen. Versicherte mit freier Arztwahl können also weiterhin eine Zweitmeinung einholen. Wichtig ist, dass die «WZW-Kriterien» erfüllt sind. Wenn der Krankenversicherer dies bei unkoordiniertem Ärztehopping in Frage stellt, kann sie Abklärungen treffen und allenfalls eine Erstanlaufstelle bestimmen.
Bei Meinungsverschiedenheiten haben Versicherte die Möglichkeit, sich kostenlos an die Ombudsstelle Krankenversicherung zu wenden.