Das sind die Spartricks der Behörden
Erfahrungen aus dem Alltag des Beobachter-Beratungszentrums illustrieren, mit welchen Mitteln die Sozialhilfe Rappen spaltet.
Veröffentlicht am 10. November 2017 - 17:00 Uhr,
aktualisiert am 11. November 2017 - 16:56 Uhr
Der Kunstgriff mit den harten Strafen
Die Sozialbehörde kann den Grundbedarf von Sozialhilfeempfängern stutzen – als Bestrafung. 2016 hat die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) die maximal mögliche Kürzung von 15 auf 30 Prozent erhöht. Das geht gewissen Kantonen noch immer nicht weit genug: Luzern streicht bis 35, Thurgau bis zu 40 Prozent der Unterstützung. Solothurn, Basel-Landschaft, Genf, Wallis und bald auch der Aargau zahlen bei wiederholten schweren Verstössen sogar nur noch Nothilfe. Gemäss Skos ist das eigentlich nur für Menschen ohne Recht auf Verbleib in der Schweiz vorgesehen.
Der Dreh mit der Rückzahlpflicht
Unter bestimmten Umständen muss man die Sozialhilfe zurückzahlen. Gemäss Skos-Richtlinien ist das dann der Fall, wenn man aussergewöhnlich zu Vermögen kommt, also eine Erbschaft macht oder beim Lotto gewinnt. Wer einfach den Wiedereinstieg ins Berufsleben schafft und Lohn bezieht, muss nichts zurückgeben. Das sehen heute aber nur noch wenige Kantone so. Wie aber soll man sich aus der Armut befreien, wenn man zuerst die Sozialhilfe zurückzahlen muss?
Der Winkelzug mit den Willkürentscheiden
Sozialbehörden ignorieren zunehmend die gesetzlichen Vorgaben und verweigern die Unterstützung, obwohl sie klar dazu verpflichtet wären. Doppelt schwierig ist es für Betroffene, wenn die Behörde ihre Entscheide nicht in Form einer Verfügung mitteilt. Dann kann man sie nicht einmal anfechten.
In ihrem Sparfieber hindern die Sozialämter ihre Klienten daran, sich aus der Armut zu befreien. Und geben so langfristig mehr aus. Das erlebt die Stiftung SOS Beobachter jeden Tag.
Die Mätzchen mit den Verwandten
Wenn Sozialhilfebezüger wohlhabende Eltern oder Kinder haben, können diese dazu verurteilt werden, einen Unterstützungsbeitrag zu leisten. So verlangt es das Zivilgesetzbuch. Auch das Vorgehen ist geregelt: Die Behörde muss zuerst eine Einigung mit den Verwandten suchen. Wenn das nicht geht, muss sie die Unterstützung vor Gericht einfordern. Gewisse Sozialdienste kümmern sich nicht darum. Sie verfügen die Unterstützung eigenmächtig oder fordern sie bei den Verwandten ein. Damit kommen sie oft durch. Denn viele Betroffene kennen die gesetzliche Regelung nicht.
Die Methoden gegen die Verjährung
Schulden bei der Sozialhilfe haben ein Ablaufdatum. Sie verjähren – je nach Kanton – nach 5 bis 20 Jahren. Gewisse Sozialbehörden umgehen diese Frist neuerdings mit einem Trick: Sie verlangen von Sozialhilfebezügern eine schriftliche Schuldanerkennung. Diese Forderung verfällt zwar nach zehn Jahren. Aber die Frist beginnt jedes Mal neu zu laufen, sobald man Geld zurückzahlt – eine Endlosschleife.
Die Masche mit den Mietzinsrichtlinien
Die Sozialhilfe muss die Miete zahlen, wenn sie im ortsüblichen Rahmen liegt. Viele Gemeinden haben jedoch ihre Mietzinsrichtlinien derart tief angesetzt, dass Fürsorgebezüger kaum eine Wohnung finden, die günstig genug ist. Wer in einer zu teuren Wohnung lebt, dem zwacken die Sozialbehörden die Differenz vom Grundbedarf ab. Die Sozialhilfe muss eigentlich auch für die Nebenkosten aufkommen. Auch hier bezahlen viele Gemeinden nur noch einen Teil.
Die Kniffe gegen Zahnarztkosten
Die Sozialhilfe muss alle medizinischen Behandlungen übernehmen, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden – auch notwendige Zahnbehandlungen. Der Kanton Solothurn fordert aber von Sozialhilfebezügern, dass sie zehn Prozent selber berappen. Und er übernimmt Zahnbehandlungen nur, wenn man schon mindestens sechs Monate Sozialhilfe bezogen hat. In vielen Gemeinden des Kantons St. Gallen müssen sich Sozialhilfebezüger gar mit 30 Prozent an den Kosten beteiligen.
Wer Sozialhilfe beantragt, hat sowohl Rechte als auch Pflichten. Beobachter-Mitglieder erhalten darüber Auskunft, ob Sozialhilfe später zurückerstattet werden muss. Musterbriefe liefern zudem Unterstützung, wenn Beschwerde gegen einen Entscheid eingelegt wird.
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