Frage 1: Was wollen die Initianten?

Die Initiative will «die Ungleichbehandlung von verheirateten Paaren und eingetragenen Partnerschaften im Vergleich zu unverheirateten Paaren beenden» – die sogenannte «Heiratsstrafe». Ein mehr als 30 Jahre alter Bundesgerichtsentscheid (BGE 110 IA 7), der die steuerliche Benachteiligung als verfassungswidrig beurteilt, soll damit endlich auch in der Praxis umgesetzt werden, so die Initianten. Wie diese Umsetzung dann bei Annahme allerdings konkret erfolgt, wird sich erst zeigen, wenn das entsprechende Gesetz ausgearbeitet wird.

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Frage 2: Um welche Änderungen geht es bei dieser Initiative im Kern?

«Es ist sehr komplex», fasste Bundesrat und Finanzvorsteher Ueli Maurer (SVP) die Vorlage in der SRF-Sendung Arena zusammen. «Im Grundsatz sind wir uns alle einig, dass die Heiratsstrafe endlich abgeschafft werden soll. Das Parlament und damit auch der Bundesrat sind jedoch der Überzeugung, dass diese Initiative der falsche Weg ist».

Im Wesentlichen geht es bei dieser Initiative um drei strittige Fragestellungen:

  1. Sollen Ehepaare, bei denen beide Partner erwerbstätig sind, weniger Bundessteuern bezahlen als bisher? Betroffen von dieser sogenannten «Heiratsstrafe» sind rund 80‘000 Zweiverdiener-Ehepaare und zahlreiche Rentner-Ehepaare – das sind rund 6 Prozent aller in der Schweiz wohnhaften Ehepaare. Alle Ehepaare, bei denen nur ein Partner einer Erwerbsarbeit nachgeht, sind von der Heiratsstrafe nicht betroffen.
  2. Soll die Gemeinsambesteuerung von Ehepaaren in der Verfassung verankert werden? Damit wäre ein möglicher Systemwechsel hin zur Individualbesteuerung vom Tisch. Dieser Punkt ist das wichtigste Argument der Gegner der Initiative.
  3. Soll die Ehe in der Bundesverfassung als «Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau» definiert werden? Gegen diese enge Definition wehren sich vor allem linke und homosexuelle Kreise vehement.
Frage 3: Sind Ehepaare steuerlich grundsätzlich benachteiligt?

Gemäss einer Stellungnahme des Bundesgerichts aus dem Jahr 1994 (BGE 120 IA 329) ist es vertretbar, wenn Ehepaare bis zu 10 Prozent höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare – dies, weil Verheiratete von Sozialleistungen wie beispielsweise Hinterlassenenrenten profitieren oder weil sie keine Erbschaftssteuern bezahlen müssen.

Die grosse Mehrheit der Ehepaare jedoch profitiert finanziell von der Heirat. Vor allem Ehepaare, bei denen nur ein Partner arbeitet, kommen steuerlich bedeutend besser weg als Konkubinatspaare in derselben Situation.

Frage 4: Was ist die Heiratsstrafe?

Als «Heiratsstrafe» gilt, wenn Ehepaare nach der Heirat steuerlich stärker belastet werden als unverheiratete Paare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie ist die Folge eines gesellschaftlichen Wandels. Die ursprüngliche Idee war, das traditionelle Familienmodell zu stärken und verheiratete Paare steuerlich zu begünstigen. Das funktioniert, wenn nur ein Partner erwerbstätig ist. Arbeiten jedoch beide Eheleute, dann sind diese unter gewissen Umständen steuerlich benachteiligt. Auch zahlreiche Rentner-Ehepaare sind heute gegenüber unverheiratete Rentnerpaaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen benachteiligt.

Zu dieser Strafe kommt es, weil Ehepartner und eingetragene Partnerschaften zusammen veranlagt werden (Gemeinsambesteuerung). Dies im Gegensatz zu Konkubinatspaaren, die individuell besteuert werden (Individualbesteuerung). Weil das gemeinsame Einkommen von zwei erwerbstätigen Eheleuten in der Regel höher ist als das Einkommen einer einzelnen Person, klettern Doppelverdiener-Ehepaare in der sogenannten Steuerprogression nach oben. Progressive Besteuerung bedeutet: je mehr Einkommen, desto höher ist der Steuersatz. Gleichzeitig kommen Ehepaare sowohl auf Bundesebene wie auch in den Kantonen im Vergleich zu unverheirateten Paaren in den Genuss von bestimmten Steuererleichterungen (milderer Tarif, ehespezifische Abzüge). Diese können aber in gewissen Fällen eine Benachteiligung der Ehepaare nicht verhindern.

Besonders brisant ist ausserdem: Bei Annahme der Initiative würde diese Gemeinsambesteuerung von Ehepaaren erstmals in der Verfassung verankert werden. Damit wären politische Bemühungen, die Individualbesteuerung auch bei Ehepaaren einzuführen und damit deren steuerliche Spezialbehandlung abzuschaffen, für viele Jahre vom Tisch.

Frage 5: Wie viele Ehepaare bezahlen bei den Kantonssteuern zu viel?

Seit dem eingangs erwähnten Bundesgerichtsurteil von 1984 (BGE 110 IA 7) haben die meisten Kantone ihre Steuerpolitik entsprechend angepasst. Bei wie vielen Ehepaaren der Kantons-Steuersatz noch heute zu hoch ist, ist schwierig abzuschätzen. In Kantonen wie beispielsweise Zürich, Waadt oder Wallis gibt es Gemeinden, in denen es die Heiratsstrafe für Doppelverdiener-Ehepaare noch gibt.

Beispiel für den Kanton Zürich: Wenn beide Partner arbeiten und gleich viel verdienen, dann entrichten Ehepaare im Kanton Zürich ab einem Jahreseinkommen von jeweils 50'000 Franken um mehr als fünf Prozent höhere Steuern als Konkubinatspaare mit demselben Einkommen – das trifft auf alle Paare zu, deren Einkommen sich in der Grafik der orangen Fläche zuordnen lassen. Wichtig: Abgebildet ist der durchschnittliche kantonale Steuersatz. In der Realität ist dieser von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.

Eine Übersicht über alle Kantone finden Sie im ausführlichen Bericht der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV).

Quelle: Thinkstock Kollektion
Frage 6: Wie viele Ehepaare bezahlen bei den Bundessteuern zu viel?

Die Heiratsstrafe betrifft vor allem die Bundessteuer: Gemäss Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative (BBl 2013 8513) sind bei der direkten Bundessteuer jene Ehepaare von der Heiratsstrafe betroffen, deren Einkommen sich in der Grafik links der roten Fläche zuordnen lassen. Diese Paare bezahlen also um mindestens zehn Prozent höhere Steuern als unverheiratete Paare mit demselben Einkommen.

Drei Beispiele: 

  • Zweiverdiener-Ehepaare ohne Kinder mit einem Netto-Erwerbseinkommen ab 80'000 Franken (Anteile der Eheleute am Erwerbseinkommen 50:50) oder ab 110'000 Franken (Anteile 70:30).

  • Zweiverdiener-Ehepaare mit Kindern und einem Netto-Erwerbseinkommen ab 120'000 Franken (Anteile 50:50) oder ab 190'000 Franken (Anteile 70:30).

  • Rentner-Ehepaare mit einem Pensions-Einkommen ab 50'000 Franken (Anteile 50:50) oder ab 60'000 Franken (Anteile 70:30).
Quelle: Thinkstock Kollektion
Frage 7: Wieso definiert die CVP die Ehe als «Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau»?

Die CVP betont, dass Ehepaare und eingetragene Partnerschaften gleichgestellt seien und damit auch beide Formen von der Initiative profitieren würden. Doch wer die Diskriminierung der Ehe abschaffen wolle, müsse die Ehe in der Bundesverfassung definieren: «In der Schweiz dürfen gemäss geltendem Recht eine Frau und ein Mann heiraten – diese Formulierung verwenden auch wir», so CVP-Präsident Christophe Darbellay gegenüber dem Beobachter. «Es geht bei unserer Vorlage nicht um die Frage, ob die ‚Ehe für alle’ in die Verfassung geschrieben werden soll, sondern darum, die Heiratsstrafe abzuschaffen. Die Neudefinition der Ehe sollte Bestandteil einer anderen Gesetzesvorlage sein.»

Frage 8: Wie hoch werden die Steuerausfälle für Bund und Kantone sein?

Die finanziellen Folgen bei Annahme der Initiative hängen von der Wahl und der Ausgestaltung des Besteuerungsmodells durch das Parlament ab. Wenn keine Person stärker belastet werden soll als heute, ist beim Bund mit Mindereinnahmen von 1,2 bis 2 Milliarden Franken zu rechnen. Da den Kantonen 17 Prozent der direkten Bundessteuer zufallen, wären sie ebenfalls von den Mindereinnahmen betroffen.

Klar scheint indes, dass der Bundesrat diesen Fehlbetrag nicht mit Sparmassnahmen kompensieren würde, sondern anderweitig wieder einnehmen möchte. Beim letzten Versuch, die Heiratsstrafe abzuschaffen, schlug die Landesregierung beispielsweise eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor.

Frage 9: Beschneidet die Initiative die Steuerhoheit der Kantone und der Gemeinden?

Die neue Regelung setzt den Kantonen und Gemeinden lediglich einen Rahmen. Die meisten halten sich aber schon jetzt grösstenteils an das eingangs erwähnte Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 1984 (BGE 110 IA 7).

Frage 10: Was passiert bei einem Nein?

Auch dann soll die Heiratsstrafe bald fallen, betont der Bundesrat. Dieser hat bereits ein Konzept ausgearbeitet, wie das innert kurzer Frist geschehen soll. Wegen der anstehenden Abstimmung ist dieses Geschäft allerdings verschoben worden, weitere Details dazu sind noch nicht bekannt.

Heiratsstrafe oder Heiratsbonus?
Ein Beitrag im «Echo der Zeit» vom 29. Januar 2016 auf Radio SRF 4 News, unter anderem mit einer Einschätzung von Beobachter-Expertin Karin von Flüe:

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Quelle: Beobachter Edition