Der CBD-Kater
Immer mehr gefährlich präpariertes Cannabis ist im Umlauf. Auch Schweizer CBD-Produzenten profitierten lange von diesem lukrativen Geschäft – bis der Markt wegen Corona einbrach. Ein Insider erzählt.
Veröffentlicht am 7. Januar 2022 - 10:42 Uhr
«Es gibt Leute, die stehen offensichtlich auf das Gefühl, gelähmt zu sein. Das stellt sich meist ein, wenn man Joints mit künstlichen Cannabinoiden
raucht. In Frankreich läuft solche Ware gut. Vielleicht reizt einige Leute der Kick, das Gefährliche daran; sie riskieren ja Herz-Kreislauf-Probleme, Atemstillstand, im schlimmsten Fall den Tod.
In der Schweiz wird solches Gras eher aus Versehen geraucht, etwa wenn es einem vom Dealer untergeschoben wird. Ich selbst habe es auch probiert und finde es nur schrecklich.
Ich bin in einer gutbürgerlichen Familie in einer kleinen Gemeinde aufgewachsen. Schule und Lehre machte ich ganz normal. Ich habe immer gearbeitet und meine Steuern bezahlt.
Mit zehn Jahren begann ich zu kiffen. Bald fing ich mit ein paar Kollegen an zu dealen. So finanzierten wir unseren Eigenbedarf. Das Geschäft lief gut, sehr gut. Mit 15 verdiente ich neben der Lehre mehrere Tausend Franken im Monat. Zwei Jahre später flogen wir auf. Ich war drei Monate in U-Haft, kassierte eine hohe Busse und eine Bewährungsstrafe nach Jugendstrafrecht. Von da an war ich sauber.
Im grossen Stil
Der Boom von CBD-Gras, das ja nicht einmal berauschend wirkt, setzte 2016 ein. Ich dachte mir: Ich verstehe was vom Grasanbau, wieso nicht auf den Zug aufspringen? Man konnte das damalige Zeug zwar nicht mit Genuss rauchen, aber gutes und vor allem legales Geld damit verdienen.
Anfangs brachte ein Kilo CBD-Blüten ja bis zu 6000 Franken. 2020 pendelte sich der Preis bei 1500 bis 2000 Franken ein. Der Anbau lohnte sich noch immer. Ich stieg mit zwei Geschäftspartnern ein. Wir gründeten eine Firma, investierten viel Geld. 50 Kilo produzierten wir durchschnittlich im Monat. Jahresumsatz: rund eine Million Franken.
Wir verkauften unser CBD im Inland an Wiederverkäufer, vorwiegend an Holländer. Die kamen mit ihren Lieferwagen, kauften jeweils ein paar Hundert Kilo und schafften die Ware über die Grenze. In den Niederlanden wurde das harmlose Gras dann mit künstlichen Cannabinoiden scharf gemacht.
Selber exportieren wollten wir nicht. Denn in der Schweiz darf der Gehalt des berauschenden THC bis 1 Prozent betragen, in der EU nur 0,2 Prozent. Man macht sich also strafbar, wenn man Schweizer Ware in die EU einführt.
Es gibt allerdings einen legalen Weg für Schweizer CBD in die EU. Man löst das überschüssige THC mit Lösungsmittel aus den Blüten heraus, bis sie noch maximal 0,2 Prozent THC enthalten. Der Vorteil: Die THC-haltige Lösung kann man für Cannabis-Öl verwenden. Damit zu handeln, ist natürlich illegal.
Markt eingebrochen
Als wegen Corona die Grenzen geschlossen wurden, veränderte sich der Markt. Italien und Spanien produzierten plötzlich Gras in bester Qualität zu einem deutlich tieferen Preis. Die Kundschaft orientierte sich neu.
Auch der Schwarzmarkt brach ein, denn die Strafverfolgungsbehörden haben das Netzwerk Encrochat gesprengt, mit dem kriminelle Organisationen kommunizierten. Unter den 1000 Verhafteten waren verschiedene Kunden des Schweizer CBD-Markts. Das alles führte zu weiteren Senkungen der Preise. Ein Kilo CBD kostet im Zwischenhandel nur noch 400 bis 700 Franken, die Produktionskosten in der Schweiz liegen aber bei 600 bis 700 Franken. Das lohnt sich nicht mehr.
Bald in Konkurs
Meinen Gewinn hatte ich bereits in die Firma reinvestiert und schon Geld für weitere Investitionen aufgenommen. Das war ein Fehler. Unser Unternehmen ist überschuldet, wir müssen es bald in Konkurs schicken. Ich arbeite wieder als Handwerker.
Persönlich bin ich dafür, dass Cannabis legalisiert wird. Mit Altersbeschränkung natürlich, wie beim Alkohol. Dann wäre auch das Problem der synthetischen Cannabinoide erledigt, weil es sich schlicht nicht mehr lohnen würde.»
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