Er habe nur mal wieder mit seiner Freundin einen Joint rauchen wollen, erzählte ein Redaktor des Jugendportals Izzy. Das Gras war rasch aufgetrieben. Doch dann: «Herzrasen, Wahnvorstellungen, Schweissausbrüche.» Er sei 15 Minuten lang weg gewesen, «teilweise kurz vor der Ohnmacht». Er habe noch nie solche Angst gehabt. Ein Labortest zeigte: Das Gras war mit synthetischen Cannabinoiden versetzt.

Ähnliche Berichte häufen sich beim Schweizer Portal Eve & Rave, das sich für bewussten und risikoarmen Umgang mit Drogen einsetzt. Auch langjährige Cannabisnutzer berichten von Horrortrips mit Kreislaufzusammenbruch und Halluzinationen. Dabei hätten sie das Gras beim Dealer ihres Vertrauens gekauft und die übliche Menge geraucht.

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Das Gras selbst ist legal

Der gefährliche Stoff grassiert seit 2019 in der Schweiz. Meist ist es legal angebautes CBD-Gras, das mit synthetischen Cannabinoiden besprüht und dann als THC-haltiges Cannabis verkauft wird. CBD-Gras enthält höchstens 1 Prozent THC und wirkt daher nicht berauschend. Seit 2016 darf CBD in der Schweiz legal angebaut und verkauft werden.

Die synthetischen Cannabinoide werden als Pulver, Öl oder Flüssigkeit importiert und auf das CBD-Gras gesprüht. Damit wird eine THC-ähnliche Wirkung erzeugt. Eve & Rave listet regelmässig Proben auf, die positiv auf synthetische Cannabinoide getestet wurden. Oft war das Gras gleich mit mehreren Stoffen versetzt. Mittlerweile gibt es über 170 solche Substanzen.

Synthetische Cannabinoide tauchten in der Schweiz erstmals 2008 in Kräuter- oder Räuchermischungen auf, sogenannten Spices. Geschätzt wurden sie aber nur von Konsumenten, die den besonderen Kick suchten oder saubere Urinproben brauchten – etwa in Heimen oder Gefängnissen. Die Substanzen lassen sich im Urintest nicht nachweisen.

Akute Vergiftung

«Die Produkte, die jetzt im Umlauf sind, werden hingegen fast immer unwissentlich gekauft», sagt Domenic Schnoz, Leiter der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs. Anders als natürliches THC führen synthetische Cannabinoide oft zu akuten und schwerwiegenden Vergiftungen. Sie sind viel stärker als natürliches THC und werden vom Gehirn anders aufgenommen. Zudem lassen sie sich nur schwer gleichmässig auf das CBD-Gras auftragen.

Der Konsum der besprühten Ware kann zu Herzinfarkten führen, Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma, verlangsamter Atmung, Krampfanfällen, Erbrechen und psychotischen Episoden. Gegenmittel, die man im Notfall verabreichen könnte, gibt es nicht.

In Europa sind seit 2016 mehr als 100 Kiffer im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden gestorben. Todesfälle in der Schweiz sind bisher nicht bekannt. Allerdings haben einige Konsumierende schon den Notarzt gerufen.

Die Stoffe berauschen nicht nur mehr, sie machen auch viel schneller und stärker abhängig, sagt Schnoz. Entzugserscheinungen seien stärker als bei regulärem Cannabis.

Nur im Labor nachweisbar

Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind verunsichert. Denn die mit synthetischen Cannabinoiden behandelten Produkte kann man von blossem Auge oder anhand des Geruchs nicht von unbehandelten Blüten unterscheiden. Nur ein aufwendiger Labortest liefert Gewissheit. Herkömmliche Schnelltests schlagen nicht an; sie können höchstens einen Hinweis auf synthetische Cannabinoide liefern. Etwa wenn man THC-haltiges, illegales Gras gekauft hat und der Schnelltest nur legales CBD-Gras angibt. Dann könnte die Ware besprüht sein.

Suchtfachleute raten darum, Cannabisprodukte immer zuerst anzutesten; sprich: zwei, drei Züge zu inhalieren und den Joint dann mindestens 15 Minuten lang zur Seite zu legen. Wenn die Wirkung ungewohnt ist, solle man die Finger davon lassen. Von Vorteil ist auch, wenn man das Gras vor dem Konsum zerhacke und gut vermische – idealerweise mit einem sogenannten Grinder. So werden die synthetischen Stoffe gleichmässig verteilt. Sonst könne es sein, dass man vom selben Säckli Gras zunächst ein paar Joints rauche, bei denen nicht viel passiere. Der dritte oder vierte sei dann überdosiert, so Schnoz.

Ein grosses Geschäft für Dealer: Für rund 5000 Franken kann man zwei, drei Tonnen CBD-Blüten präparieren.

Drogen-Teststellen melden erschreckende Resultate: In Basel waren 2020 insgesamt 26 von 29 Cannabisproben mit gefährlichen synthetischen Cannabinoiden versetzt. In Bern waren es 41 Prozent. In Zürich waren es von Januar bis August über die Hälfte. Ende 2020 hatte der Wert bei etwa einem Viertel gelegen.

Die Teststellen werden überrannt. In Zürich mussten Testwillige bereits abgewiesen werden. Das Drogeninformationszentrum hat darum vor einem Jahr eine eigene Cannabisteststelle eingerichtet. Bern und Biel sind nachgezogen. Die Kapazitäten sind aber weiterhin beschränkt.

Seit mehr getestet wird, hat der Anteil positiv getesteter Proben etwas abgenommen. Die Anzahl Tests sei allerdings viel zu klein, um aussagekräftig zu sein, sagt Schnoz. Man könne daraus keinen Trend ableiten. In der Schweiz gibt es laut Sucht Schweiz mehr als 200'000 Kifferinnen und Kiffer. Nur sehr wenige lassen ihr Cannabis testen.

Eine Folge des CBD-Booms

Doch wie kommt das gefährliche Gras überhaupt auf den Schwarzmarkt? Ein Grund dafür ist der Zusammenbruch des CBD-Markts. Seit CBD-Gras in der Schweiz legal angebaut und verkauft werden darf, kam es zur Überproduktion. Der Kilopreis fiel von 6500 auf 1500 Franken.

Mit dem Besprayen bauten Dealer ein lukratives Geschäft mit dem überschüssigen CBD auf Insiderbericht eines Produzenten Der CBD-Kater . Der künstliche Wirkstoff ist günstiger in der Herstellung als echtes Gras. Ein Kilo synthetische Cannabinoide gibt es im Internet für rund 5000 Franken. Damit lassen sich zwei bis drei Tonnen CBD-Blüten präparieren und zum Preis von THC-haltigem Gras verkaufen – das bedeutet riesige Gewinne. Der Trick mit dem Besprühen habe dem CBD-Anbau sogar wieder einen Aufschwung verliehen, sagt Daniel Stehlin, Spezialist für Drogenkriminalität bei der Baselbieter Staatsanwaltschaft.

«Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel»

CBD-Gras zu besprayen, ist für Dealer zudem bequemer. Wer THC-Hanf anbaut, lebt ständig mit dem Risiko, dass seine Plantage entdeckt wird. Wer CBD-Gras besprüht, reduziert die Dauer der illegalen Handlung auf vielleicht einen Tag.

Viele Drogenfachleute hoffen nun auf eine Legalisierung von Cannabis. Erste Pilotprojekte sind in der Schweiz angelaufen. Die Legalisierung sei eine Chance, dass der Cannabismarkt reguliert wird, der Schwarzmarkt ausgehebelt – und dass man das Problem mit den synthetischen Cannabinoiden in den Griff bekommt.

Verbote haben wenig bewirkt. Der Bund hat inzwischen mehrere Gruppen synthetischer Cannabinoide verboten. Es würden aber laufend neue Stoffe entwickelt, so ein Sprecher von Eve & Rave. «Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel.» Die neuen Stoffe seien immer weiter vom ursprünglichen Cannabis entfernt – und immer schädlicher für die Gesundheit. «Wenn Cannabis legalisiert Drogen legalisieren Wie schlimm sind Drogen wirklich? wird, würden Konsumentinnen und Konsumenten wieder Gras erhalten, bei dem sie nachvollziehen könnten, wo es herkommt.»

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